verfolgen zu können, es unerläßlich, über die Art und Weise, wie überhaupt ein Bewußtsein zu Stande komme, und wo sein Anfangspunkt liege, das Obige nothwendig vorauszuschicken.
Es kann hier nicht der Ort sein eine ausführliche ver¬ gleichende Psychologie oder psychische Zoologie zu versuchen, sondern aus der ungeheuern Menge und Mannichfaltigkeit der Thierwelt greifen wir einzelne große bedeutungsvolle Thatsachen heraus, und legen sie hier neben einander, auf daß daran klar werde, daß Manches aus diesem Seelen¬ leben zwar auch im Menschen sich wiederholt, daß jedoch in ihm sodann aus jenem gleichsam Vorbereitenden, noch so weit höhere Entwicklungen hervorgehen und erreicht wer¬ den können.
Die bedeutungsvollste Theilung des Thierreichs, auch in Beziehung auf ihr Seelenleben, ist die der Wasser- und der Luftthiere. Alle Wasserthiere, solche die ganz und zeitlebens in dieses dichtere embryonische Element verwiesen sind, zeigen verhältnißmäßig weit geringere Entwicklungen des Seelenlebens als die Luftthiere. Die geringsten jener Reihe sind die wo ein strahlenförmiges, den ganzen Körper zur Einheit verknüpfendes Nervensystem noch fehlt, wenn auch unzweifelhaft einzelne Massen in der Substanz schon die Bedeutung der Nervenmasse haben; hierhin gehören die Akalephen. In ihnen ist jenes mittlere, die Idee insbe¬ sondere Offenbarende -- das Gefühl -- noch am dunkelsten und das unbewußte Seelenleben herrscht durchaus vor. Eigentlich verbreitet sich hier nur das, was ich weiter oben und in meinem System der Physiologie, als Erfühlung -- Perceptio -- bezeichnet habe und was wir als Vorberei¬ tung des wirklichen Gefühls ansehen dürfen, über die gesammte organische Masse; das Gefühl des innern orga¬ nischen Bedürfnisses und zwar zunächst die Nahrungsauf¬ nahme, und dann jede äußere zufällige Einwirkung, be¬ stimmen allein die Gegenwirkung des Geschöpfs. Eine
verfolgen zu können, es unerläßlich, über die Art und Weiſe, wie überhaupt ein Bewußtſein zu Stande komme, und wo ſein Anfangspunkt liege, das Obige nothwendig vorauszuſchicken.
Es kann hier nicht der Ort ſein eine ausführliche ver¬ gleichende Pſychologie oder pſychiſche Zoologie zu verſuchen, ſondern aus der ungeheuern Menge und Mannichfaltigkeit der Thierwelt greifen wir einzelne große bedeutungsvolle Thatſachen heraus, und legen ſie hier neben einander, auf daß daran klar werde, daß Manches aus dieſem Seelen¬ leben zwar auch im Menſchen ſich wiederholt, daß jedoch in ihm ſodann aus jenem gleichſam Vorbereitenden, noch ſo weit höhere Entwicklungen hervorgehen und erreicht wer¬ den können.
Die bedeutungsvollſte Theilung des Thierreichs, auch in Beziehung auf ihr Seelenleben, iſt die der Waſſer- und der Luftthiere. Alle Waſſerthiere, ſolche die ganz und zeitlebens in dieſes dichtere embryoniſche Element verwieſen ſind, zeigen verhältnißmäßig weit geringere Entwicklungen des Seelenlebens als die Luftthiere. Die geringſten jener Reihe ſind die wo ein ſtrahlenförmiges, den ganzen Körper zur Einheit verknüpfendes Nervenſyſtem noch fehlt, wenn auch unzweifelhaft einzelne Maſſen in der Subſtanz ſchon die Bedeutung der Nervenmaſſe haben; hierhin gehören die Akalephen. In ihnen iſt jenes mittlere, die Idee insbe¬ ſondere Offenbarende — das Gefühl — noch am dunkelſten und das unbewußte Seelenleben herrſcht durchaus vor. Eigentlich verbreitet ſich hier nur das, was ich weiter oben und in meinem Syſtem der Phyſiologie, als Erfühlung — Perceptio — bezeichnet habe und was wir als Vorberei¬ tung des wirklichen Gefühls anſehen dürfen, über die geſammte organiſche Maſſe; das Gefühl des innern orga¬ niſchen Bedürfniſſes und zwar zunächſt die Nahrungsauf¬ nahme, und dann jede äußere zufällige Einwirkung, be¬ ſtimmen allein die Gegenwirkung des Geſchöpfs. Eine
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0136"n="120"/>
verfolgen zu können, es unerläßlich, über die Art und<lb/>
Weiſe, <hirendition="#g">wie</hi> überhaupt ein Bewußtſein zu Stande komme,<lb/>
und <hirendition="#g">wo</hi>ſein Anfangspunkt liege, das Obige nothwendig<lb/>
vorauszuſchicken.</p><lb/><p>Es kann hier nicht der Ort ſein eine ausführliche ver¬<lb/>
gleichende Pſychologie oder pſychiſche Zoologie zu verſuchen,<lb/>ſondern aus der ungeheuern Menge und Mannichfaltigkeit<lb/>
der Thierwelt greifen wir einzelne große bedeutungsvolle<lb/>
Thatſachen heraus, und legen ſie hier neben einander, auf<lb/>
daß daran klar werde, daß Manches aus dieſem Seelen¬<lb/>
leben zwar auch im Menſchen ſich wiederholt, daß jedoch<lb/>
in ihm ſodann aus jenem gleichſam Vorbereitenden, noch<lb/>ſo weit höhere Entwicklungen hervorgehen und erreicht wer¬<lb/>
den können.</p><lb/><p>Die bedeutungsvollſte Theilung des Thierreichs, auch<lb/>
in Beziehung auf ihr Seelenleben, iſt die der Waſſer- und<lb/>
der Luftthiere. Alle Waſſerthiere, ſolche die ganz und<lb/>
zeitlebens in dieſes dichtere embryoniſche Element verwieſen<lb/>ſind, zeigen verhältnißmäßig weit geringere Entwicklungen<lb/>
des Seelenlebens als die Luftthiere. Die geringſten jener<lb/>
Reihe ſind die wo ein ſtrahlenförmiges, den ganzen Körper<lb/>
zur Einheit verknüpfendes Nervenſyſtem noch fehlt, wenn<lb/>
auch unzweifelhaft einzelne Maſſen in der Subſtanz ſchon<lb/>
die Bedeutung der Nervenmaſſe haben; hierhin gehören die<lb/>
Akalephen. In ihnen iſt jenes mittlere, die Idee insbe¬<lb/>ſondere Offenbarende — das Gefühl — noch am dunkelſten<lb/>
und das unbewußte Seelenleben herrſcht durchaus vor.<lb/>
Eigentlich verbreitet ſich hier nur das, was ich weiter oben<lb/>
und in meinem Syſtem der Phyſiologie, als Erfühlung —<lb/><hirendition="#aq">Perceptio</hi>— bezeichnet habe und was wir als Vorberei¬<lb/>
tung des wirklichen Gefühls anſehen dürfen, über die<lb/>
geſammte organiſche Maſſe; das Gefühl des innern orga¬<lb/>
niſchen Bedürfniſſes und zwar zunächſt die Nahrungsauf¬<lb/>
nahme, und dann jede äußere zufällige Einwirkung, be¬<lb/>ſtimmen allein die Gegenwirkung des Geſchöpfs. Eine<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[120/0136]
verfolgen zu können, es unerläßlich, über die Art und
Weiſe, wie überhaupt ein Bewußtſein zu Stande komme,
und wo ſein Anfangspunkt liege, das Obige nothwendig
vorauszuſchicken.
Es kann hier nicht der Ort ſein eine ausführliche ver¬
gleichende Pſychologie oder pſychiſche Zoologie zu verſuchen,
ſondern aus der ungeheuern Menge und Mannichfaltigkeit
der Thierwelt greifen wir einzelne große bedeutungsvolle
Thatſachen heraus, und legen ſie hier neben einander, auf
daß daran klar werde, daß Manches aus dieſem Seelen¬
leben zwar auch im Menſchen ſich wiederholt, daß jedoch
in ihm ſodann aus jenem gleichſam Vorbereitenden, noch
ſo weit höhere Entwicklungen hervorgehen und erreicht wer¬
den können.
Die bedeutungsvollſte Theilung des Thierreichs, auch
in Beziehung auf ihr Seelenleben, iſt die der Waſſer- und
der Luftthiere. Alle Waſſerthiere, ſolche die ganz und
zeitlebens in dieſes dichtere embryoniſche Element verwieſen
ſind, zeigen verhältnißmäßig weit geringere Entwicklungen
des Seelenlebens als die Luftthiere. Die geringſten jener
Reihe ſind die wo ein ſtrahlenförmiges, den ganzen Körper
zur Einheit verknüpfendes Nervenſyſtem noch fehlt, wenn
auch unzweifelhaft einzelne Maſſen in der Subſtanz ſchon
die Bedeutung der Nervenmaſſe haben; hierhin gehören die
Akalephen. In ihnen iſt jenes mittlere, die Idee insbe¬
ſondere Offenbarende — das Gefühl — noch am dunkelſten
und das unbewußte Seelenleben herrſcht durchaus vor.
Eigentlich verbreitet ſich hier nur das, was ich weiter oben
und in meinem Syſtem der Phyſiologie, als Erfühlung —
Perceptio — bezeichnet habe und was wir als Vorberei¬
tung des wirklichen Gefühls anſehen dürfen, über die
geſammte organiſche Maſſe; das Gefühl des innern orga¬
niſchen Bedürfniſſes und zwar zunächſt die Nahrungsauf¬
nahme, und dann jede äußere zufällige Einwirkung, be¬
ſtimmen allein die Gegenwirkung des Geſchöpfs. Eine
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/136>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.