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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820.

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halt in reiner kühler Luft, 2) Vermeidung zu warmer Schlaf-
stellen, daher leichte Bedeckung, Matrazen u. s. w. empfohlen
werden müssen; 3) kühlende Diät, Obst, säuerliche wässerige
Früchte, als Gurken, Melonen u. s. w.; 4) reichliches ver-
dünnendes Getränk, aus Dekokten von Althäa und Quecken-
wurzel, der Gerstentrank mit Cremor tartari, Limonade
u. s. w. -- 5) Hinlängliche Beschäftigung der Körperkräfte
durch Arbeiten, namentlich Gartenarbeiten; 6) Zerstreuung durch
veränderten Aufenthaltsort und Umgebungen, weßhalb kleine
Reisen sehr wohlthätig zu seyn pflegen; 7) strenge Bewah-
rung vor allem, wodurch Geschlechtslust erregt werden könnte,
als z. B. häufiges Sehen männlicher Individuen, weßhalb
nichts der Heilung hinderlicher seyn kann, als wenn in übel-
geleiteten Irrenanstalten solche arme Geschöpfe neugierigen
Fremden zur Schau dargeboten werden; vorzüglich aber muß
hierher die Bewachung der Personen, um sie von der ihnen
so gewöhnlichen Selbstbefriedigung abzuhalten, gerechnet wer-
den, welche Aufgabe indeß oft schwer genug auszuführen ist,
indem sie ihrem krankhaft herrschenden Triebe auf alle Weise
genug zu thun suchen *) und oft das Anlegen von Zwangs-
westen und ähnlichen Vorrichtungen nöthig macht.

§. 284.

Die eigentlich ärztliche Behandlung muß nun insbe-
sondre und zunächst die veranlassenden Ursachen berücksichti-
gen, und, in wiefern diese doppelter Art sind, d. i. theils
vom Gemüth, theils vom Organ ausgehen, auch theils auf
die Seele, theils auf den Körper wirken. -- In ersterer
Hinsicht, welche besonders in Fällen, wo die Krankheit durch
psychische Einflüße herbeygeführt wurde, wichtig ist, kann
namentlich bey geringerem Grade des Uebels die kräftige Er-
weckung des im Weibe doch so mächtigen Schamgefühls
durch eindringende Vorstellungen des verständigen Arztes oder

*) Man beobachtet z. B., daß diese Personen, wenn sie an Neitzung
der Schamtheile gehindert werden, durch Neitzung der Brustwarzen,
ja durch Neitzung der Nasenlöcher, ihre traurige Lust zu büßen
suchen.

halt in reiner kuͤhler Luft, 2) Vermeidung zu warmer Schlaf-
ſtellen, daher leichte Bedeckung, Matrazen u. ſ. w. empfohlen
werden muͤſſen; 3) kuͤhlende Diaͤt, Obſt, ſaͤuerliche waͤſſerige
Fruͤchte, als Gurken, Melonen u. ſ. w.; 4) reichliches ver-
duͤnnendes Getraͤnk, aus Dekokten von Althaͤa und Quecken-
wurzel, der Gerſtentrank mit Cremor tartari, Limonade
u. ſ. w. — 5) Hinlaͤngliche Beſchaͤftigung der Koͤrperkraͤfte
durch Arbeiten, namentlich Gartenarbeiten; 6) Zerſtreuung durch
veraͤnderten Aufenthaltsort und Umgebungen, weßhalb kleine
Reiſen ſehr wohlthaͤtig zu ſeyn pflegen; 7) ſtrenge Bewah-
rung vor allem, wodurch Geſchlechtsluſt erregt werden koͤnnte,
als z. B. haͤufiges Sehen maͤnnlicher Individuen, weßhalb
nichts der Heilung hinderlicher ſeyn kann, als wenn in uͤbel-
geleiteten Irrenanſtalten ſolche arme Geſchoͤpfe neugierigen
Fremden zur Schau dargeboten werden; vorzuͤglich aber muß
hierher die Bewachung der Perſonen, um ſie von der ihnen
ſo gewoͤhnlichen Selbſtbefriedigung abzuhalten, gerechnet wer-
den, welche Aufgabe indeß oft ſchwer genug auszufuͤhren iſt,
indem ſie ihrem krankhaft herrſchenden Triebe auf alle Weiſe
genug zu thun ſuchen *) und oft das Anlegen von Zwangs-
weſten und aͤhnlichen Vorrichtungen noͤthig macht.

§. 284.

Die eigentlich aͤrztliche Behandlung muß nun insbe-
ſondre und zunaͤchſt die veranlaſſenden Urſachen beruͤckſichti-
gen, und, in wiefern dieſe doppelter Art ſind, d. i. theils
vom Gemuͤth, theils vom Organ ausgehen, auch theils auf
die Seele, theils auf den Koͤrper wirken. — In erſterer
Hinſicht, welche beſonders in Faͤllen, wo die Krankheit durch
pſychiſche Einfluͤße herbeygefuͤhrt wurde, wichtig iſt, kann
namentlich bey geringerem Grade des Uebels die kraͤftige Er-
weckung des im Weibe doch ſo maͤchtigen Schamgefuͤhls
durch eindringende Vorſtellungen des verſtaͤndigen Arztes oder

*) Man beobachtet z. B., daß dieſe Perſonen, wenn ſie an Neitzung
der Schamtheile gehindert werden, durch Neitzung der Bruſtwarzen,
ja durch Neitzung der Naſenloͤcher, ihre traurige Luſt zu buͤßen
ſuchen.
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[222/0242] halt in reiner kuͤhler Luft, 2) Vermeidung zu warmer Schlaf- ſtellen, daher leichte Bedeckung, Matrazen u. ſ. w. empfohlen werden muͤſſen; 3) kuͤhlende Diaͤt, Obſt, ſaͤuerliche waͤſſerige Fruͤchte, als Gurken, Melonen u. ſ. w.; 4) reichliches ver- duͤnnendes Getraͤnk, aus Dekokten von Althaͤa und Quecken- wurzel, der Gerſtentrank mit Cremor tartari, Limonade u. ſ. w. — 5) Hinlaͤngliche Beſchaͤftigung der Koͤrperkraͤfte durch Arbeiten, namentlich Gartenarbeiten; 6) Zerſtreuung durch veraͤnderten Aufenthaltsort und Umgebungen, weßhalb kleine Reiſen ſehr wohlthaͤtig zu ſeyn pflegen; 7) ſtrenge Bewah- rung vor allem, wodurch Geſchlechtsluſt erregt werden koͤnnte, als z. B. haͤufiges Sehen maͤnnlicher Individuen, weßhalb nichts der Heilung hinderlicher ſeyn kann, als wenn in uͤbel- geleiteten Irrenanſtalten ſolche arme Geſchoͤpfe neugierigen Fremden zur Schau dargeboten werden; vorzuͤglich aber muß hierher die Bewachung der Perſonen, um ſie von der ihnen ſo gewoͤhnlichen Selbſtbefriedigung abzuhalten, gerechnet wer- den, welche Aufgabe indeß oft ſchwer genug auszufuͤhren iſt, indem ſie ihrem krankhaft herrſchenden Triebe auf alle Weiſe genug zu thun ſuchen *) und oft das Anlegen von Zwangs- weſten und aͤhnlichen Vorrichtungen noͤthig macht. §. 284. Die eigentlich aͤrztliche Behandlung muß nun insbe- ſondre und zunaͤchſt die veranlaſſenden Urſachen beruͤckſichti- gen, und, in wiefern dieſe doppelter Art ſind, d. i. theils vom Gemuͤth, theils vom Organ ausgehen, auch theils auf die Seele, theils auf den Koͤrper wirken. — In erſterer Hinſicht, welche beſonders in Faͤllen, wo die Krankheit durch pſychiſche Einfluͤße herbeygefuͤhrt wurde, wichtig iſt, kann namentlich bey geringerem Grade des Uebels die kraͤftige Er- weckung des im Weibe doch ſo maͤchtigen Schamgefuͤhls durch eindringende Vorſtellungen des verſtaͤndigen Arztes oder *) Man beobachtet z. B., daß dieſe Perſonen, wenn ſie an Neitzung der Schamtheile gehindert werden, durch Neitzung der Bruſtwarzen, ja durch Neitzung der Naſenloͤcher, ihre traurige Luſt zu buͤßen ſuchen.

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/242>, abgerufen am 23.11.2024.