derselben nicht mangeln darf, damit er durch die Neuheit dieser Erscheinungen nicht überrascht, und in der ruhigen Entwerfung seines Heilplans gehindert werde *).
§. 230.
Um aber zuvörderst das Eigenthümliche vieler hierherge- höriger Zufälle nicht unnatürlich oder vielmehr übernatürlich zu finden, müssen wir immer recht klar vor Augen behalten, daß der menschliche Organismus zwar eine Einheit, aber nicht ein wahrhaft in sich beschlossenes, den Grund seiner Existenz allein in sich tragendes Ganze sey, daß er vielmehr nicht einen Augenblick gedacht werden kann außer der Einwirkung der ihn umgebenden Natur, von welcher er stets durchdrun- gen ist, welche er stets in sich aufnimmt, und in welche er sich stets auflöst. Eben aus diesem Grunde wird er aber auch fähig, sich im Ganzen und das Ganze in sich zu fühlen, so daß, je zarter seine Empfänglichkeit, sein Wahr- nehmen wird, auch um so mehr sein Empfinden äußerer Veränderungen sich ausdehnt, und zwar in eine Weite, für deren Begränzung wir durchaus kein unverrückbares Maaß haben, so daß als eitle Anmaßung erscheint, wenn irgend ein Physiolog hier eine Säule mit einem non plus ultra aufzurichten gedenkt, denn nur was den Vernunftge- setzen widerstreitet, ist unmöglich. -- Kann sich denn etwa ein Mensch, auf dessen gesunden Körper die Umstimmungen der Atmosphäre, der Witterung, keinen merklichen Eindruck machen, sinnlich überzeugen, wie es möglich sey, daß ein Anderer, dessen Sensibilität in erhöhterem Zustande sich be- findet, diese Veränderungen, noch ehe sie wirklich erfolgt sind, schon wahrnimmt? und ist das Letztere deßhalb etwa weniger in Wahrheit der Fall? --
*) Es ist sonderbar, in den neuern Lehrbüchern über Frauenkrank- heiten diese merkwürdigen Zufälle immer übergangen zu finden, obwohl andere Schriften (z. B. Henke von den Entwicklungen des menschlichen Organismus) sie als krankhafte Entwicklungszustände mit aufgeführt hatten.
derſelben nicht mangeln darf, damit er durch die Neuheit dieſer Erſcheinungen nicht uͤberraſcht, und in der ruhigen Entwerfung ſeines Heilplans gehindert werde *).
§. 230.
Um aber zuvoͤrderſt das Eigenthuͤmliche vieler hierherge- hoͤriger Zufaͤlle nicht unnatuͤrlich oder vielmehr uͤbernatuͤrlich zu finden, muͤſſen wir immer recht klar vor Augen behalten, daß der menſchliche Organismus zwar eine Einheit, aber nicht ein wahrhaft in ſich beſchloſſenes, den Grund ſeiner Exiſtenz allein in ſich tragendes Ganze ſey, daß er vielmehr nicht einen Augenblick gedacht werden kann außer der Einwirkung der ihn umgebenden Natur, von welcher er ſtets durchdrun- gen iſt, welche er ſtets in ſich aufnimmt, und in welche er ſich ſtets aufloͤſt. Eben aus dieſem Grunde wird er aber auch faͤhig, ſich im Ganzen und das Ganze in ſich zu fuͤhlen, ſo daß, je zarter ſeine Empfaͤnglichkeit, ſein Wahr- nehmen wird, auch um ſo mehr ſein Empfinden aͤußerer Veraͤnderungen ſich ausdehnt, und zwar in eine Weite, fuͤr deren Begraͤnzung wir durchaus kein unverruͤckbares Maaß haben, ſo daß als eitle Anmaßung erſcheint, wenn irgend ein Phyſiolog hier eine Saͤule mit einem non plus ultra aufzurichten gedenkt, denn nur was den Vernunftge- ſetzen widerſtreitet, iſt unmoͤglich. — Kann ſich denn etwa ein Menſch, auf deſſen geſunden Koͤrper die Umſtimmungen der Atmosphaͤre, der Witterung, keinen merklichen Eindruck machen, ſinnlich uͤberzeugen, wie es moͤglich ſey, daß ein Anderer, deſſen Senſibilitaͤt in erhoͤhterem Zuſtande ſich be- findet, dieſe Veraͤnderungen, noch ehe ſie wirklich erfolgt ſind, ſchon wahrnimmt? und iſt das Letztere deßhalb etwa weniger in Wahrheit der Fall? —
*) Es iſt ſonderbar, in den neuern Lehrbuͤchern uͤber Frauenkrank- heiten dieſe merkwuͤrdigen Zufaͤlle immer uͤbergangen zu finden, obwohl andere Schriften (z. B. Henke von den Entwicklungen des menſchlichen Organismus) ſie als krankhafte Entwicklungszuſtaͤnde mit aufgefuͤhrt hatten.
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derſelben nicht mangeln darf, damit er durch die Neuheit
dieſer Erſcheinungen nicht uͤberraſcht, und in der ruhigen
Entwerfung ſeines Heilplans gehindert werde *).
§. 230.
Um aber zuvoͤrderſt das Eigenthuͤmliche vieler hierherge-
hoͤriger Zufaͤlle nicht unnatuͤrlich oder vielmehr uͤbernatuͤrlich
zu finden, muͤſſen wir immer recht klar vor Augen behalten,
daß der menſchliche Organismus zwar eine Einheit, aber nicht
ein wahrhaft in ſich beſchloſſenes, den Grund ſeiner Exiſtenz
allein in ſich tragendes Ganze ſey, daß er vielmehr nicht
einen Augenblick gedacht werden kann außer der Einwirkung
der ihn umgebenden Natur, von welcher er ſtets durchdrun-
gen iſt, welche er ſtets in ſich aufnimmt, und in welche
er ſich ſtets aufloͤſt. Eben aus dieſem Grunde wird er
aber auch faͤhig, ſich im Ganzen und das Ganze in ſich zu
fuͤhlen, ſo daß, je zarter ſeine Empfaͤnglichkeit, ſein Wahr-
nehmen wird, auch um ſo mehr ſein Empfinden aͤußerer
Veraͤnderungen ſich ausdehnt, und zwar in eine Weite, fuͤr
deren Begraͤnzung wir durchaus kein unverruͤckbares Maaß
haben, ſo daß als eitle Anmaßung erſcheint, wenn irgend
ein Phyſiolog hier eine Saͤule mit einem non plus ultra
aufzurichten gedenkt, denn nur was den Vernunftge-
ſetzen widerſtreitet, iſt unmoͤglich. — Kann ſich denn etwa
ein Menſch, auf deſſen geſunden Koͤrper die Umſtimmungen
der Atmosphaͤre, der Witterung, keinen merklichen Eindruck
machen, ſinnlich uͤberzeugen, wie es moͤglich ſey, daß ein
Anderer, deſſen Senſibilitaͤt in erhoͤhterem Zuſtande ſich be-
findet, dieſe Veraͤnderungen, noch ehe ſie wirklich erfolgt
ſind, ſchon wahrnimmt? und iſt das Letztere deßhalb etwa
weniger in Wahrheit der Fall? —
*) Es iſt ſonderbar, in den neuern Lehrbuͤchern uͤber Frauenkrank-
heiten dieſe merkwuͤrdigen Zufaͤlle immer uͤbergangen zu finden,
obwohl andere Schriften (z. B. Henke von den Entwicklungen des
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/193>, abgerufen am 23.07.2024.
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