wicklung des Geschlechtssystems und Erscheinung der Men- struation, wie früher gezeigt wurde, nur Produkt und Blüthe allgemeiner Organisation seyn soll, so liegt am Tage, wie eine solche theilweise Entwicklung nothwendig entweder hem- mend in die allgemeine Entwicklung eingreifen, oder selbst zerstörend auf den Körper wirken könne.
§. 143.
Das Lebensalter betreffend, in welchem die Erscheinung einer krankhaft beschleunigten Menstruation, und der ihr ent- sprechenden Ausbildung der Geschlechtstheile beobachtet wurde, ist sehr verschieden. Mitunter, obwohl selten, trat schon im ersten oder zweiten Lebensjahre *) ein regelmäßig wiederkeh- render Blutfluß aus den Geburtstheilen ein, und wenig spä- ter erschien dann die Entwicklung der Brüste und Scham- haare. Häufig sind die Fälle in den nächstfolgenden Jahren. So sah v. Siebold**) dieselbe im sechsten, Andere sahen sie im siebenten, achten oder neunten Jahre erscheinen.
§. 144.
Die Ursachen einer solchen zu frühen Geschlechtsent- wicklung können entweder in ursprünglicher Bildungsrichtung, oder in krankhaften Zuständen anderer Systeme und Organe, oder in der Lebensweise begründet seyn. Was das erstere betrifft, so erscheint hier der Organismus überhaupt auf ei- ner niedrigern Stufe, ohngefähr vergleichbar den vielen Thier- gattungen, bey denen auch die Fortpflanzungsthätigkeit weit zeitiger als im Menschen sich entwickelt, dieser Zustand ist dann mehr in der Anlage des Ganzen begründet, er wird eben deßhalb weniger leicht dem Ganzen verderblich, und man kennt Beyspiele, wo unter diesen Umständen Personen,
Mädchen gemißbrauchten und geschwängerten Person, im Archiv Schweizerischer Aerzte. 1r Bd. 2s Hft.
*) So in dem oben erwähnten und in dem von Lobstein beschriebenen Falle s. Lucina von Siebold. I. Bd. 1s St. S. 102. u. IV. Bd. 1s St. S. 163.
**) Lehrbuch der Frauenzimmerkrankheiten. Thl. 1. S. 171.
wicklung des Geſchlechtsſyſtems und Erſcheinung der Men- ſtruation, wie fruͤher gezeigt wurde, nur Produkt und Bluͤthe allgemeiner Organiſation ſeyn ſoll, ſo liegt am Tage, wie eine ſolche theilweiſe Entwicklung nothwendig entweder hem- mend in die allgemeine Entwicklung eingreifen, oder ſelbſt zerſtoͤrend auf den Koͤrper wirken koͤnne.
§. 143.
Das Lebensalter betreffend, in welchem die Erſcheinung einer krankhaft beſchleunigten Menſtruation, und der ihr ent- ſprechenden Ausbildung der Geſchlechtstheile beobachtet wurde, iſt ſehr verſchieden. Mitunter, obwohl ſelten, trat ſchon im erſten oder zweiten Lebensjahre *) ein regelmaͤßig wiederkeh- render Blutfluß aus den Geburtstheilen ein, und wenig ſpaͤ- ter erſchien dann die Entwicklung der Bruͤſte und Scham- haare. Haͤufig ſind die Faͤlle in den naͤchſtfolgenden Jahren. So ſah v. Siebold**) dieſelbe im ſechſten, Andere ſahen ſie im ſiebenten, achten oder neunten Jahre erſcheinen.
§. 144.
Die Urſachen einer ſolchen zu fruͤhen Geſchlechtsent- wicklung koͤnnen entweder in urſpruͤnglicher Bildungsrichtung, oder in krankhaften Zuſtaͤnden anderer Syſteme und Organe, oder in der Lebensweiſe begruͤndet ſeyn. Was das erſtere betrifft, ſo erſcheint hier der Organismus uͤberhaupt auf ei- ner niedrigern Stufe, ohngefaͤhr vergleichbar den vielen Thier- gattungen, bey denen auch die Fortpflanzungsthaͤtigkeit weit zeitiger als im Menſchen ſich entwickelt, dieſer Zuſtand iſt dann mehr in der Anlage des Ganzen begruͤndet, er wird eben deßhalb weniger leicht dem Ganzen verderblich, und man kennt Beyſpiele, wo unter dieſen Umſtaͤnden Perſonen,
Maͤdchen gemißbrauchten und geſchwaͤngerten Perſon, im Archiv Schweizeriſcher Aerzte. 1r Bd. 2s Hft.
*) So in dem oben erwaͤhnten und in dem von Lobſtein beſchriebenen Falle ſ. Lucina von Siebold. I. Bd. 1s St. S. 102. u. IV. Bd. 1s St. S. 163.
**) Lehrbuch der Frauenzimmerkrankheiten. Thl. 1. S. 171.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><p><pbfacs="#f0127"n="107"/>
wicklung des Geſchlechtsſyſtems und Erſcheinung der Men-<lb/>ſtruation, wie fruͤher gezeigt wurde, nur Produkt und Bluͤthe<lb/>
allgemeiner Organiſation ſeyn ſoll, ſo liegt am Tage, wie<lb/>
eine ſolche theilweiſe Entwicklung nothwendig entweder hem-<lb/>
mend in die allgemeine Entwicklung eingreifen, oder ſelbſt<lb/>
zerſtoͤrend auf den Koͤrper wirken koͤnne.</p></div><lb/><divn="7"><head>§. 143.</head><lb/><p>Das Lebensalter betreffend, in welchem die Erſcheinung<lb/>
einer krankhaft beſchleunigten Menſtruation, und der ihr ent-<lb/>ſprechenden Ausbildung der Geſchlechtstheile beobachtet wurde,<lb/>
iſt ſehr verſchieden. Mitunter, obwohl ſelten, trat ſchon im<lb/>
erſten oder zweiten Lebensjahre <noteplace="foot"n="*)">So in dem oben erwaͤhnten und in dem von Lobſtein beſchriebenen<lb/>
Falle ſ. <hirendition="#aq">Lucina</hi> von Siebold. <hirendition="#aq">I.</hi> Bd. 1s St. S. 102. u. <hirendition="#aq">IV.</hi> Bd.<lb/>
1s St. S. 163.</note> ein regelmaͤßig wiederkeh-<lb/>
render Blutfluß aus den Geburtstheilen ein, und wenig ſpaͤ-<lb/>
ter erſchien dann die Entwicklung der Bruͤſte und Scham-<lb/>
haare. Haͤufig ſind die Faͤlle in den naͤchſtfolgenden Jahren.<lb/>
So ſah v. <hirendition="#g">Siebold</hi><noteplace="foot"n="**)">Lehrbuch der Frauenzimmerkrankheiten. Thl. 1. S. 171.</note> dieſelbe im ſechſten, Andere ſahen<lb/>ſie im ſiebenten, achten oder neunten Jahre erſcheinen.</p></div><lb/><divn="7"><head>§. 144.</head><lb/><p>Die <hirendition="#g">Urſachen</hi> einer ſolchen zu fruͤhen Geſchlechtsent-<lb/>
wicklung koͤnnen entweder in urſpruͤnglicher Bildungsrichtung,<lb/>
oder in krankhaften Zuſtaͤnden anderer Syſteme und Organe,<lb/>
oder in der Lebensweiſe begruͤndet ſeyn. Was das erſtere<lb/>
betrifft, ſo erſcheint hier der Organismus uͤberhaupt auf ei-<lb/>
ner niedrigern Stufe, ohngefaͤhr vergleichbar den vielen Thier-<lb/>
gattungen, bey denen auch die Fortpflanzungsthaͤtigkeit weit<lb/>
zeitiger als im Menſchen ſich entwickelt, dieſer Zuſtand iſt<lb/>
dann mehr in der Anlage des Ganzen begruͤndet, er wird<lb/>
eben deßhalb weniger leicht dem Ganzen verderblich, und<lb/>
man kennt Beyſpiele, wo unter dieſen Umſtaͤnden Perſonen,<lb/><notexml:id="note-0127"prev="#note-0126"place="foot"n="*)">Maͤdchen gemißbrauchten und geſchwaͤngerten Perſon, im Archiv<lb/>
Schweizeriſcher Aerzte. 1r Bd. 2s Hft.</note><lb/></p></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[107/0127]
wicklung des Geſchlechtsſyſtems und Erſcheinung der Men-
ſtruation, wie fruͤher gezeigt wurde, nur Produkt und Bluͤthe
allgemeiner Organiſation ſeyn ſoll, ſo liegt am Tage, wie
eine ſolche theilweiſe Entwicklung nothwendig entweder hem-
mend in die allgemeine Entwicklung eingreifen, oder ſelbſt
zerſtoͤrend auf den Koͤrper wirken koͤnne.
§. 143.
Das Lebensalter betreffend, in welchem die Erſcheinung
einer krankhaft beſchleunigten Menſtruation, und der ihr ent-
ſprechenden Ausbildung der Geſchlechtstheile beobachtet wurde,
iſt ſehr verſchieden. Mitunter, obwohl ſelten, trat ſchon im
erſten oder zweiten Lebensjahre *) ein regelmaͤßig wiederkeh-
render Blutfluß aus den Geburtstheilen ein, und wenig ſpaͤ-
ter erſchien dann die Entwicklung der Bruͤſte und Scham-
haare. Haͤufig ſind die Faͤlle in den naͤchſtfolgenden Jahren.
So ſah v. Siebold **) dieſelbe im ſechſten, Andere ſahen
ſie im ſiebenten, achten oder neunten Jahre erſcheinen.
§. 144.
Die Urſachen einer ſolchen zu fruͤhen Geſchlechtsent-
wicklung koͤnnen entweder in urſpruͤnglicher Bildungsrichtung,
oder in krankhaften Zuſtaͤnden anderer Syſteme und Organe,
oder in der Lebensweiſe begruͤndet ſeyn. Was das erſtere
betrifft, ſo erſcheint hier der Organismus uͤberhaupt auf ei-
ner niedrigern Stufe, ohngefaͤhr vergleichbar den vielen Thier-
gattungen, bey denen auch die Fortpflanzungsthaͤtigkeit weit
zeitiger als im Menſchen ſich entwickelt, dieſer Zuſtand iſt
dann mehr in der Anlage des Ganzen begruͤndet, er wird
eben deßhalb weniger leicht dem Ganzen verderblich, und
man kennt Beyſpiele, wo unter dieſen Umſtaͤnden Perſonen,
*)
*) So in dem oben erwaͤhnten und in dem von Lobſtein beſchriebenen
Falle ſ. Lucina von Siebold. I. Bd. 1s St. S. 102. u. IV. Bd.
1s St. S. 163.
**) Lehrbuch der Frauenzimmerkrankheiten. Thl. 1. S. 171.
*) Maͤdchen gemißbrauchten und geſchwaͤngerten Perſon, im Archiv
Schweizeriſcher Aerzte. 1r Bd. 2s Hft.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/127>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.