in der kaiserlichen Hauptstadt anfange, und ihm zu versprechen, daß der Sultan ihm alle seine Begehren verwilligen wolle.
Uebeles Ver- fahren der Auf- rührer mit dem-selben.
117.
Allein, da dieser am achten Tage der angefangenen Empörung an die Stadt kommt: so zwinget ihn die Wache am Thore, von dem Pferde zu steigen, und führet ihn gebunden auf den Atmejdan, da die Häupter der Aufrührer ihre Gezelte aufgeschlagen hatten. Das Volk rufet gleich aus: Er ist als ein Spion gekommen! dringet auf ihn zu, ehe noch seine Anführer ihn ausfragen oder der Gewaltthätigkeit der Leute Einhalt thun konnten, schlä- get ihn fast zu Tode, und ist bemühet, ihn durch die Folter zu zwingen, daß er gestehen solle, was der Sultan zu Adrianopel mache. Ihre Grausamkeit aber und sein eigenes Schrecken hatten ihn dergestalt aller Sinne und Sprache be- raubet, daß er sich nicht erklären konnte, was man von ihm zu bekennen ver- langte. Weil er nun darüber seinen Geist aufgeben wollte: so waren sie ge- nöthiget, ihn in ein nahe gelegenes Haus zu bringen.
Die Aufrührer ziehen von Con- stantinopel nachAdrianopel.
118.
Weil nun dieselben dadurch noch mehr gegen den Sultan erbittert wurden: so machten sie mit dem größten Eifer Anstalt, ein Kriegesheer aufzu- richten, und brachten am neunzehenten Tage über funfzig tausend Soldaten zusammen, zogen mit denselben aus der Stadt, und lagerten sich anfangs bey Dawud Pascha, mit dem Vorsatze, im Falle, daß die Müsülmanen zu Adria- nopel sich unterstehen sollten, sich ihnen zu widersetzen, diese Stadt, als die Ne- benbuhlerinn der Hauptstadt, von Grunde aus zu verheren. Mit dieser Ent- schließung langten sie am sechsten Tage nach ihrem Aufbruche von Constantino- pel zu Hapsa an, einer Stadt nicht weit von Adrianopel gelegen, und ließen [Spaltenumbruch]
kjeredschi. Nachdem der Aufruhr gedämpfet war: so wurde er mit Daje Chatun* oder der Säugamme des gegenwärtigen Sultans nach Mekka gesendet; er kam aber durch einen Schiffbruch ums Leben, ehe er zu Alexandria anlangte.
50 Fäjßüllah Efendi] Er war geboren zu Wan, an den Grenzen von Persien, und stammete aus dem Geschlechte der Emire her. Zu den Zeiten Muhämmeds des IIII, da der- selbe Müderris oder Schullehrer an der sülej- [Spaltenumbruch] manischen Schule war, wurde er zum Scheh- ßade Chodsche oder Lehrmeister bey den Prin- zen des Sultans, Mustäfa und Aehmed, be- stellet. Nachdem er hierauf, gegen die Ge- wohnheit, bald dieses, bald jenes geistliches Amt verwaltet hatte: so wurde er zu der Würde des Müftis erhoben, und behielte die- selbe ganze sieben Jahre lang; ein Beyspiel, das sonst bey den Türken unerhört ist. Es war ein Mann, der keine große Wissenschaf- ten besaß, und mehr schlau als klug war. Er hatte eine solche Gewalt über den Sul-
von
* die Frau Säugamme, insgemein Tajakadün genennet.
Osmaniſche Geſchichte
in der kaiſerlichen Hauptſtadt anfange, und ihm zu verſprechen, daß der Sultan ihm alle ſeine Begehren verwilligen wolle.
Uebeles Ver- fahren der Auf- ruͤhrer mit dem-ſelben.
117.
Allein, da dieſer am achten Tage der angefangenen Empoͤrung an die Stadt kommt: ſo zwinget ihn die Wache am Thore, von dem Pferde zu ſteigen, und fuͤhret ihn gebunden auf den Atmejdan, da die Haͤupter der Aufruͤhrer ihre Gezelte aufgeſchlagen hatten. Das Volk rufet gleich aus: Er iſt als ein Spion gekommen! dringet auf ihn zu, ehe noch ſeine Anfuͤhrer ihn ausfragen oder der Gewaltthaͤtigkeit der Leute Einhalt thun konnten, ſchlaͤ- get ihn faſt zu Tode, und iſt bemuͤhet, ihn durch die Folter zu zwingen, daß er geſtehen ſolle, was der Sultan zu Adrianopel mache. Ihre Grauſamkeit aber und ſein eigenes Schrecken hatten ihn dergeſtalt aller Sinne und Sprache be- raubet, daß er ſich nicht erklaͤren konnte, was man von ihm zu bekennen ver- langte. Weil er nun daruͤber ſeinen Geiſt aufgeben wollte: ſo waren ſie ge- noͤthiget, ihn in ein nahe gelegenes Haus zu bringen.
Die Aufruͤhrer ziehen von Con- ſtantinopel nachAdrianopel.
118.
Weil nun dieſelben dadurch noch mehr gegen den Sultan erbittert wurden: ſo machten ſie mit dem groͤßten Eifer Anſtalt, ein Kriegesheer aufzu- richten, und brachten am neunzehenten Tage uͤber funfzig tauſend Soldaten zuſammen, zogen mit denſelben aus der Stadt, und lagerten ſich anfangs bey Dawud Paſcha, mit dem Vorſatze, im Falle, daß die Muͤſuͤlmanen zu Adria- nopel ſich unterſtehen ſollten, ſich ihnen zu widerſetzen, dieſe Stadt, als die Ne- benbuhlerinn der Hauptſtadt, von Grunde aus zu verheren. Mit dieſer Ent- ſchließung langten ſie am ſechsten Tage nach ihrem Aufbruche von Conſtantino- pel zu Hapſa an, einer Stadt nicht weit von Adrianopel gelegen, und ließen [Spaltenumbruch]
kjeredſchi. Nachdem der Aufruhr gedaͤmpfet war: ſo wurde er mit Daje Chatun* oder der Saͤugamme des gegenwaͤrtigen Sultans nach Mekka geſendet; er kam aber durch einen Schiffbruch ums Leben, ehe er zu Alexandria anlangte.
50 Faͤjßuͤllah Efendi] Er war geboren zu Wan, an den Grenzen von Perſien, und ſtammete aus dem Geſchlechte der Emire her. Zu den Zeiten Muhaͤmmeds des IIII‚ da der- ſelbe Muͤderris oder Schullehrer an der ſuͤlej- [Spaltenumbruch] maniſchen Schule war, wurde er zum Scheh- ßade Chodſche oder Lehrmeiſter bey den Prin- zen des Sultans, Muſtaͤfa und Aehmed, be- ſtellet. Nachdem er hierauf, gegen die Ge- wohnheit, bald dieſes, bald jenes geiſtliches Amt verwaltet hatte: ſo wurde er zu der Wuͤrde des Muͤftis erhoben, und behielte die- ſelbe ganze ſieben Jahre lang; ein Beyſpiel, das ſonſt bey den Tuͤrken unerhoͤrt iſt. Es war ein Mann, der keine große Wiſſenſchaf- ten beſaß, und mehr ſchlau als klug war. Er hatte eine ſolche Gewalt uͤber den Sul-
von
* die Frau Saͤugamme, insgemein Tajakaduͤn genennet.
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Osmaniſche Geſchichte
in der kaiſerlichen Hauptſtadt anfange, und ihm zu verſprechen, daß der Sultan
ihm alle ſeine Begehren verwilligen wolle.
117. Allein, da dieſer am achten Tage der angefangenen Empoͤrung
an die Stadt kommt: ſo zwinget ihn die Wache am Thore, von dem Pferde
zu ſteigen, und fuͤhret ihn gebunden auf den Atmejdan, da die Haͤupter der
Aufruͤhrer ihre Gezelte aufgeſchlagen hatten. Das Volk rufet gleich aus:
Er iſt als ein Spion gekommen! dringet auf ihn zu, ehe noch ſeine Anfuͤhrer
ihn ausfragen oder der Gewaltthaͤtigkeit der Leute Einhalt thun konnten, ſchlaͤ-
get ihn faſt zu Tode, und iſt bemuͤhet, ihn durch die Folter zu zwingen, daß er
geſtehen ſolle, was der Sultan zu Adrianopel mache. Ihre Grauſamkeit aber
und ſein eigenes Schrecken hatten ihn dergeſtalt aller Sinne und Sprache be-
raubet, daß er ſich nicht erklaͤren konnte, was man von ihm zu bekennen ver-
langte. Weil er nun daruͤber ſeinen Geiſt aufgeben wollte: ſo waren ſie ge-
noͤthiget, ihn in ein nahe gelegenes Haus zu bringen.
118. Weil nun dieſelben dadurch noch mehr gegen den Sultan erbittert
wurden: ſo machten ſie mit dem groͤßten Eifer Anſtalt, ein Kriegesheer aufzu-
richten, und brachten am neunzehenten Tage uͤber funfzig tauſend Soldaten
zuſammen, zogen mit denſelben aus der Stadt, und lagerten ſich anfangs bey
Dawud Paſcha, mit dem Vorſatze, im Falle, daß die Muͤſuͤlmanen zu Adria-
nopel ſich unterſtehen ſollten, ſich ihnen zu widerſetzen, dieſe Stadt, als die Ne-
benbuhlerinn der Hauptſtadt, von Grunde aus zu verheren. Mit dieſer Ent-
ſchließung langten ſie am ſechsten Tage nach ihrem Aufbruche von Conſtantino-
pel zu Hapſa an, einer Stadt nicht weit von Adrianopel gelegen, und ließen
von
kjeredſchi. Nachdem der Aufruhr gedaͤmpfet
war: ſo wurde er mit Daje Chatun * oder der
Saͤugamme des gegenwaͤrtigen Sultans nach
Mekka geſendet; er kam aber durch einen
Schiffbruch ums Leben, ehe er zu Alexandria
anlangte.
⁵⁰ Faͤjßuͤllah Efendi] Er war geboren
zu Wan, an den Grenzen von Perſien, und
ſtammete aus dem Geſchlechte der Emire her.
Zu den Zeiten Muhaͤmmeds des IIII‚ da der-
ſelbe Muͤderris oder Schullehrer an der ſuͤlej-
maniſchen Schule war, wurde er zum Scheh-
ßade Chodſche oder Lehrmeiſter bey den Prin-
zen des Sultans, Muſtaͤfa und Aehmed, be-
ſtellet. Nachdem er hierauf, gegen die Ge-
wohnheit, bald dieſes, bald jenes geiſtliches
Amt verwaltet hatte: ſo wurde er zu der
Wuͤrde des Muͤftis erhoben, und behielte die-
ſelbe ganze ſieben Jahre lang; ein Beyſpiel,
das ſonſt bey den Tuͤrken unerhoͤrt iſt. Es
war ein Mann, der keine große Wiſſenſchaf-
ten beſaß, und mehr ſchlau als klug war.
Er hatte eine ſolche Gewalt uͤber den Sul-
tan
* die Frau Saͤugamme, insgemein Tajakaduͤn genennet.
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 732. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/846>, abgerufen am 25.11.2024.
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