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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
Glück in einer Schlacht mit ihm zu versuchen: denn die müsülmanischen Trup-
pen seyen nicht darum in des Feindes Land geführet worden, sich ihren Feinden
nur bloß zu zeigen, und hierauf wieder abzuziehen; sondern die Siegeskrone,
die der Prophet verheißen, zu erlangen, und die Länder, deren sich die Unglau-
bigen unrechtmäßiger Weise bemächtiget hätten, wieder zu erobern. Gott gebe
dadurch, daß er den Soldaten ein ungeduldiges Verlangen nach einem Treffen
eingeflößet habe, das sich kaum zurück halten lasse, genugsam zu erkennen, daß
es itzo die rechte Zeit sey, den Feind zu schlagen. Wenn man aber diese Hitze
dämpfen, und dem Heere, das zu fechten begierig sey, widerstreben werde: so
sey zu befürchten, daß diese unmäßige Vorsichtigkeit das ganze Kriegesheer in
eine schädliche Schläfrigkeit versetzen; oder, weil man ihm nichts zu thun gebe,
Gedanken einer Empörung bey ihm erregen möchte.

Er wird aber
von den übrigen
nicht gutge-heißen.
40.

Dieser Meinung des Weßirs setzte sich Kodscha Dschäfer Pascha
sehr freymüthig entgegen. Er war ein alter Soldat, der fast bey allen Schlach-
ten der Türken mit den Deutschen gegenwärtig gewesen war, und daher große
Erfahrung in Kriegessachen erlanget hatte. Dieser behauptete mit vieler Hef-
tigkeit, daß man das Heer nicht in das freye Feld gegen die Deutschen führen
müsse; und brachte zum Beweise vor: er habe angemerket, daß die Deutschen
allezeit, so oft als dieselben in offenem Felde gefochten, da sie ihre vordersten Glie-
der nach Gefallen ausbreiten, anrücken, oder sich zurückziehen gekonnt, den Sieg
davon getragen hätten. Sie hätten zuvor niemals ein so großes Kriegesheer
ins Feld gebracht, als itzo; und dennoch hätten sie vor diesem die osmanischen
Truppen geschlagen, ungeachtet diese ihnen an Menge weit überlegen gewesen
seyen, wann sie sich ihnen auf die Weise, wie es der Weßir haben wolle, wider-
setzet hätten. Gegenwärtig hätten dieselben einen klugen Feldherrn von bewähr-
ter Tapferkeit und Kriegserfahrenheit zu ihrem Anführer; und dieser, wie er
sich vorstelle, würde die Türken nicht zu einem Treffen herausfordern, wenn er
sich mit seinen Völkern nicht an einen so vortheilhaften Ort gesetzet hätte, daß er
auf gewisse Weise des Sieges versichert wäre. Weil nun fast alle Paschen
dieser Meinung geneigt waren: so wendete der Weßir, damit Dschäfers Anse-
hen nicht über das seinige siegen möchte, alle seine Bemühungen an, den Sultan
zu seinem Sinne zu bewegen. Er schalt Dschäfer Pascha einen Unglaubigen
und Verräther, der solche Anschläge in den osmanischen Sachen gebe, als wenn
er von dem Feinde bestochen wäre, sich allen heilsamen Rathschlägen zu wider-
[Spaltenumbruch]

18 Vorhang] Wann die Türken in
dem Felde eine Rathsversammlung halten,
[Spaltenumbruch]
der sie den Namen Gälebe beylegen: so sitzet
der Sultan zwar darinnen; aber an einer be-

setzen,

Osmaniſche Geſchichte
Gluͤck in einer Schlacht mit ihm zu verſuchen: denn die muͤſuͤlmaniſchen Trup-
pen ſeyen nicht darum in des Feindes Land gefuͤhret worden, ſich ihren Feinden
nur bloß zu zeigen, und hierauf wieder abzuziehen; ſondern die Siegeskrone,
die der Prophet verheißen, zu erlangen, und die Laͤnder, deren ſich die Unglau-
bigen unrechtmaͤßiger Weiſe bemaͤchtiget haͤtten, wieder zu erobern. Gott gebe
dadurch, daß er den Soldaten ein ungeduldiges Verlangen nach einem Treffen
eingefloͤßet habe, das ſich kaum zuruͤck halten laſſe, genugſam zu erkennen, daß
es itzo die rechte Zeit ſey, den Feind zu ſchlagen. Wenn man aber dieſe Hitze
daͤmpfen, und dem Heere, das zu fechten begierig ſey, widerſtreben werde: ſo
ſey zu befuͤrchten, daß dieſe unmaͤßige Vorſichtigkeit das ganze Kriegesheer in
eine ſchaͤdliche Schlaͤfrigkeit verſetzen; oder, weil man ihm nichts zu thun gebe,
Gedanken einer Empoͤrung bey ihm erregen moͤchte.

Er wird aber
von den uͤbrigen
nicht gutge-heißen.
40.

Dieſer Meinung des Weßirs ſetzte ſich Kodſcha Dſchaͤfer Paſcha
ſehr freymuͤthig entgegen. Er war ein alter Soldat, der faſt bey allen Schlach-
ten der Tuͤrken mit den Deutſchen gegenwaͤrtig geweſen war, und daher große
Erfahrung in Kriegesſachen erlanget hatte. Dieſer behauptete mit vieler Hef-
tigkeit, daß man das Heer nicht in das freye Feld gegen die Deutſchen fuͤhren
muͤſſe; und brachte zum Beweiſe vor: er habe angemerket, daß die Deutſchen
allezeit, ſo oft als dieſelben in offenem Felde gefochten, da ſie ihre vorderſten Glie-
der nach Gefallen ausbreiten, anruͤcken, oder ſich zuruͤckziehen gekonnt, den Sieg
davon getragen haͤtten. Sie haͤtten zuvor niemals ein ſo großes Kriegesheer
ins Feld gebracht, als itzo; und dennoch haͤtten ſie vor dieſem die osmaniſchen
Truppen geſchlagen, ungeachtet dieſe ihnen an Menge weit uͤberlegen geweſen
ſeyen, wann ſie ſich ihnen auf die Weiſe, wie es der Weßir haben wolle, wider-
ſetzet haͤtten. Gegenwaͤrtig haͤtten dieſelben einen klugen Feldherrn von bewaͤhr-
ter Tapferkeit und Kriegserfahrenheit zu ihrem Anfuͤhrer; und dieſer, wie er
ſich vorſtelle, wuͤrde die Tuͤrken nicht zu einem Treffen herausfordern, wenn er
ſich mit ſeinen Voͤlkern nicht an einen ſo vortheilhaften Ort geſetzet haͤtte, daß er
auf gewiſſe Weiſe des Sieges verſichert waͤre. Weil nun faſt alle Paſchen
dieſer Meinung geneigt waren: ſo wendete der Weßir, damit Dſchaͤfers Anſe-
hen nicht uͤber das ſeinige ſiegen moͤchte, alle ſeine Bemuͤhungen an, den Sultan
zu ſeinem Sinne zu bewegen. Er ſchalt Dſchaͤfer Paſcha einen Unglaubigen
und Verraͤther, der ſolche Anſchlaͤge in den osmaniſchen Sachen gebe, als wenn
er von dem Feinde beſtochen waͤre, ſich allen heilſamen Rathſchlaͤgen zu wider-
[Spaltenumbruch]

18 Vorhang] Wann die Tuͤrken in
dem Felde eine Rathsverſammlung halten,
[Spaltenumbruch]
der ſie den Namen Gaͤlebe beylegen: ſo ſitzet
der Sultan zwar darinnen; aber an einer be-

ſetzen,
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[676/0790] Osmaniſche Geſchichte Gluͤck in einer Schlacht mit ihm zu verſuchen: denn die muͤſuͤlmaniſchen Trup- pen ſeyen nicht darum in des Feindes Land gefuͤhret worden, ſich ihren Feinden nur bloß zu zeigen, und hierauf wieder abzuziehen; ſondern die Siegeskrone, die der Prophet verheißen, zu erlangen, und die Laͤnder, deren ſich die Unglau- bigen unrechtmaͤßiger Weiſe bemaͤchtiget haͤtten, wieder zu erobern. Gott gebe dadurch, daß er den Soldaten ein ungeduldiges Verlangen nach einem Treffen eingefloͤßet habe, das ſich kaum zuruͤck halten laſſe, genugſam zu erkennen, daß es itzo die rechte Zeit ſey, den Feind zu ſchlagen. Wenn man aber dieſe Hitze daͤmpfen, und dem Heere, das zu fechten begierig ſey, widerſtreben werde: ſo ſey zu befuͤrchten, daß dieſe unmaͤßige Vorſichtigkeit das ganze Kriegesheer in eine ſchaͤdliche Schlaͤfrigkeit verſetzen; oder, weil man ihm nichts zu thun gebe, Gedanken einer Empoͤrung bey ihm erregen moͤchte. 40. Dieſer Meinung des Weßirs ſetzte ſich Kodſcha Dſchaͤfer Paſcha ſehr freymuͤthig entgegen. Er war ein alter Soldat, der faſt bey allen Schlach- ten der Tuͤrken mit den Deutſchen gegenwaͤrtig geweſen war, und daher große Erfahrung in Kriegesſachen erlanget hatte. Dieſer behauptete mit vieler Hef- tigkeit, daß man das Heer nicht in das freye Feld gegen die Deutſchen fuͤhren muͤſſe; und brachte zum Beweiſe vor: er habe angemerket, daß die Deutſchen allezeit, ſo oft als dieſelben in offenem Felde gefochten, da ſie ihre vorderſten Glie- der nach Gefallen ausbreiten, anruͤcken, oder ſich zuruͤckziehen gekonnt, den Sieg davon getragen haͤtten. Sie haͤtten zuvor niemals ein ſo großes Kriegesheer ins Feld gebracht, als itzo; und dennoch haͤtten ſie vor dieſem die osmaniſchen Truppen geſchlagen, ungeachtet dieſe ihnen an Menge weit uͤberlegen geweſen ſeyen, wann ſie ſich ihnen auf die Weiſe, wie es der Weßir haben wolle, wider- ſetzet haͤtten. Gegenwaͤrtig haͤtten dieſelben einen klugen Feldherrn von bewaͤhr- ter Tapferkeit und Kriegserfahrenheit zu ihrem Anfuͤhrer; und dieſer, wie er ſich vorſtelle, wuͤrde die Tuͤrken nicht zu einem Treffen herausfordern, wenn er ſich mit ſeinen Voͤlkern nicht an einen ſo vortheilhaften Ort geſetzet haͤtte, daß er auf gewiſſe Weiſe des Sieges verſichert waͤre. Weil nun faſt alle Paſchen dieſer Meinung geneigt waren: ſo wendete der Weßir, damit Dſchaͤfers Anſe- hen nicht uͤber das ſeinige ſiegen moͤchte, alle ſeine Bemuͤhungen an, den Sultan zu ſeinem Sinne zu bewegen. Er ſchalt Dſchaͤfer Paſcha einen Unglaubigen und Verraͤther, der ſolche Anſchlaͤge in den osmaniſchen Sachen gebe, als wenn er von dem Feinde beſtochen waͤre, ſich allen heilſamen Rathſchlaͤgen zu wider- ſetzen, ¹⁸ Vorhang] Wann die Tuͤrken in dem Felde eine Rathsverſammlung halten, der ſie den Namen Gaͤlebe beylegen: ſo ſitzet der Sultan zwar darinnen; aber an einer be- ſondern

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 676. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/790>, abgerufen am 25.11.2024.