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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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22. Mustäfa der II
und sie zur Schlagung der Brücken gebrauchen) über den Fluß setzen; um auch
seine Leute anzufrischen, verspricht derselbe, ihnen für ieden Deutschen, den sie
lebendig fangen würden, funfzig güldene Kronen, und für ieden Kopf eines Chri-
sten fünf und zwanzig dergleichen Kronen. Sie vollziehen auch diesen Befehl
mit der größten Munterkeit, unwissend, daß das Ufer von den Deutschen befe-
stiget sey, und fahren ohne Ordnung hinüber. Die Deutschen halten sich anfangs
dabey ruhig; da sie aber sehen, daß bereits etliche tausend Türken übergesetzet
sind und die Anzahl der Feinde anwächset: so brennen sie ihre Stücke auf den
dicksten Haufen derselben los, steigen auf ihre Brustwehre, und greifen sie
mit dem Säbel in der Faust an. Der unvermuthete Knall des Geschützes
setzte die Jeng-itscheri auf einmal in solches Schrecken, daß sie nicht mehr
wußten, daß sie Soldaten seyen; sondern, wie die Weiber, nur allein auf die
Flucht bedacht waren: dadurch sie doch nicht verhüten konnten, daß nicht drey
tausend von ihren Gesellen auf dem Platze geblieben wären. Es würde auch
kein einziger Mann davon gekommen seyn, wenn nicht zu allem Glücke gerade
zu rechter Zeit die Flote angelanget wäre, und sich des Eylandes mitten in der
Theiße bemächtiget hätte. Durch Hülfe derselben kommen die Jeng-itscheri
zuerst von dem untern Theile des Flusses herüber, und rücken gesammter Hand
gegen die Schanzen der Deutschen an. Da erfolget nun das andere Gefechte;
das aber leichter war, als das erstere. Denn als die Deutschen sehen, daß die
Jeng-itscheri sich beständig vermehren, und daß zu besorgen war, wenn sie fort-
führen das Schlachtfeld zu vertheidigen, sie möchten endlich durch die Menge
übermannet werden: so verlassen sie ihre Schanzen, und ziehen sich erstlich in die
Stadt zurück; hernach aber, nachdem sie sich auf ihre Pferde gesetzet, begeben
sie sich weiter nach Kobila 15. Einige hundert Hajduken halten sich zwar in dem
Schlosse noch etwas länger auf; am Abend aber stecken sie dasselbe in Brand,
und folgen ihren Mitbrüdern nach. Als die Deutschen abgezogen waren: so
gehet der Sultan mit seinen übrigen Völkern vollends über die Theiße; da dann
der Weßir, um das Andenken ihrer Niederlage auszutilgen, die todten Körper
von ungefähr drey hundert Deutschen demselben an den Weg zur Schau hinleget,
nachdem er vorher die Körper der erschlagenen Türken hatte begraben lassen.

35.

Er hielte sich aber hier nicht lange auf; sondern ging eben denselbenDer dritte Krie-
gesrath, darin-
nen der Sultan
den Entschluß
fasset, Waradin
zu belagern.

Weg, darauf die Deutschen sich mit einander vereiniget hatten. Weil er nun
[Spaltenumbruch]

15 Kobila] Also nennen die Türken
das große flache Land, das sich von der Stadt
Titul, zwischen der Donau und der Theiße,
[Spaltenumbruch]
bis nach Schegedin und Peterwaradin er-
strecket.

in
4 Q

22. Muſtaͤfa der II
und ſie zur Schlagung der Bruͤcken gebrauchen) uͤber den Fluß ſetzen; um auch
ſeine Leute anzufriſchen, verſpricht derſelbe, ihnen fuͤr ieden Deutſchen, den ſie
lebendig fangen wuͤrden, funfzig guͤldene Kronen, und fuͤr ieden Kopf eines Chri-
ſten fuͤnf und zwanzig dergleichen Kronen. Sie vollziehen auch dieſen Befehl
mit der groͤßten Munterkeit, unwiſſend, daß das Ufer von den Deutſchen befe-
ſtiget ſey, und fahren ohne Ordnung hinuͤber. Die Deutſchen halten ſich anfangs
dabey ruhig; da ſie aber ſehen, daß bereits etliche tauſend Tuͤrken uͤbergeſetzet
ſind und die Anzahl der Feinde anwaͤchſet: ſo brennen ſie ihre Stuͤcke auf den
dickſten Haufen derſelben los, ſteigen auf ihre Bruſtwehre, und greifen ſie
mit dem Saͤbel in der Fauſt an. Der unvermuthete Knall des Geſchuͤtzes
ſetzte die Jeng-itſcheri auf einmal in ſolches Schrecken, daß ſie nicht mehr
wußten, daß ſie Soldaten ſeyen; ſondern, wie die Weiber, nur allein auf die
Flucht bedacht waren: dadurch ſie doch nicht verhuͤten konnten, daß nicht drey
tauſend von ihren Geſellen auf dem Platze geblieben waͤren. Es wuͤrde auch
kein einziger Mann davon gekommen ſeyn, wenn nicht zu allem Gluͤcke gerade
zu rechter Zeit die Flote angelanget waͤre, und ſich des Eylandes mitten in der
Theiße bemaͤchtiget haͤtte. Durch Huͤlfe derſelben kommen die Jeng-itſcheri
zuerſt von dem untern Theile des Fluſſes heruͤber, und ruͤcken geſammter Hand
gegen die Schanzen der Deutſchen an. Da erfolget nun das andere Gefechte;
das aber leichter war, als das erſtere. Denn als die Deutſchen ſehen, daß die
Jeng-itſcheri ſich beſtaͤndig vermehren, und daß zu beſorgen war, wenn ſie fort-
fuͤhren das Schlachtfeld zu vertheidigen, ſie moͤchten endlich durch die Menge
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Stadt zuruͤck; hernach aber, nachdem ſie ſich auf ihre Pferde geſetzet, begeben
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Schloſſe noch etwas laͤnger auf; am Abend aber ſtecken ſie daſſelbe in Brand,
und folgen ihren Mitbruͤdern nach. Als die Deutſchen abgezogen waren: ſo
gehet der Sultan mit ſeinen uͤbrigen Voͤlkern vollends uͤber die Theiße; da dann
der Weßir, um das Andenken ihrer Niederlage auszutilgen, die todten Koͤrper
von ungefaͤhr drey hundert Deutſchen demſelben an den Weg zur Schau hinleget,
nachdem er vorher die Koͤrper der erſchlagenen Tuͤrken hatte begraben laſſen.

35.

Er hielte ſich aber hier nicht lange auf; ſondern ging eben denſelbenDer dritte Krie-
gesrath, darin-
nen der Sultan
den Entſchluß
faſſet, Waradin
zu belagern.

Weg, darauf die Deutſchen ſich mit einander vereiniget hatten. Weil er nun
[Spaltenumbruch]

15 Kobila] Alſo nennen die Tuͤrken
das große flache Land, das ſich von der Stadt
Titul, zwiſchen der Donau und der Theiße,
[Spaltenumbruch]
bis nach Schegedin und Peterwaradin er-
ſtrecket.

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4 Q
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[673/0787] 22. Muſtaͤfa der II und ſie zur Schlagung der Bruͤcken gebrauchen) uͤber den Fluß ſetzen; um auch ſeine Leute anzufriſchen, verſpricht derſelbe, ihnen fuͤr ieden Deutſchen, den ſie lebendig fangen wuͤrden, funfzig guͤldene Kronen, und fuͤr ieden Kopf eines Chri- ſten fuͤnf und zwanzig dergleichen Kronen. Sie vollziehen auch dieſen Befehl mit der groͤßten Munterkeit, unwiſſend, daß das Ufer von den Deutſchen befe- ſtiget ſey, und fahren ohne Ordnung hinuͤber. Die Deutſchen halten ſich anfangs dabey ruhig; da ſie aber ſehen, daß bereits etliche tauſend Tuͤrken uͤbergeſetzet ſind und die Anzahl der Feinde anwaͤchſet: ſo brennen ſie ihre Stuͤcke auf den dickſten Haufen derſelben los, ſteigen auf ihre Bruſtwehre, und greifen ſie mit dem Saͤbel in der Fauſt an. Der unvermuthete Knall des Geſchuͤtzes ſetzte die Jeng-itſcheri auf einmal in ſolches Schrecken, daß ſie nicht mehr wußten, daß ſie Soldaten ſeyen; ſondern, wie die Weiber, nur allein auf die Flucht bedacht waren: dadurch ſie doch nicht verhuͤten konnten, daß nicht drey tauſend von ihren Geſellen auf dem Platze geblieben waͤren. Es wuͤrde auch kein einziger Mann davon gekommen ſeyn, wenn nicht zu allem Gluͤcke gerade zu rechter Zeit die Flote angelanget waͤre, und ſich des Eylandes mitten in der Theiße bemaͤchtiget haͤtte. Durch Huͤlfe derſelben kommen die Jeng-itſcheri zuerſt von dem untern Theile des Fluſſes heruͤber, und ruͤcken geſammter Hand gegen die Schanzen der Deutſchen an. Da erfolget nun das andere Gefechte; das aber leichter war, als das erſtere. Denn als die Deutſchen ſehen, daß die Jeng-itſcheri ſich beſtaͤndig vermehren, und daß zu beſorgen war, wenn ſie fort- fuͤhren das Schlachtfeld zu vertheidigen, ſie moͤchten endlich durch die Menge uͤbermannet werden: ſo verlaſſen ſie ihre Schanzen, und ziehen ſich erſtlich in die Stadt zuruͤck; hernach aber, nachdem ſie ſich auf ihre Pferde geſetzet, begeben ſie ſich weiter nach Kobila ¹⁵ . Einige hundert Hajduken halten ſich zwar in dem Schloſſe noch etwas laͤnger auf; am Abend aber ſtecken ſie daſſelbe in Brand, und folgen ihren Mitbruͤdern nach. Als die Deutſchen abgezogen waren: ſo gehet der Sultan mit ſeinen uͤbrigen Voͤlkern vollends uͤber die Theiße; da dann der Weßir, um das Andenken ihrer Niederlage auszutilgen, die todten Koͤrper von ungefaͤhr drey hundert Deutſchen demſelben an den Weg zur Schau hinleget, nachdem er vorher die Koͤrper der erſchlagenen Tuͤrken hatte begraben laſſen. 35. Er hielte ſich aber hier nicht lange auf; ſondern ging eben denſelben Weg, darauf die Deutſchen ſich mit einander vereiniget hatten. Weil er nun in ¹⁵ Kobila] Alſo nennen die Tuͤrken das große flache Land, das ſich von der Stadt Titul, zwiſchen der Donau und der Theiße, bis nach Schegedin und Peterwaradin er- ſtrecket. Der dritte Krie- gesrath, darin- nen der Sultan den Entſchluß faſſet, Waradin zu belagern. 4 Q

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 673. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/787>, abgerufen am 22.11.2024.