Die übrigen von dem kaiserlichen Heere blieben, weil sie nicht öf-Beyde Krie- gesheere ziehen in das Winter- lager. fentlich gestehen wollten, daß sie überwunden wären, den ganzen Tag über in Schlachtordnung stehen, und erwarteten die Ankunft der Türken mit unbeweg- licher Standhaftigkeit. Allein, der Sultan, der besonders sorgfältig war, seine Soldaten durch den Namen des Sieges anzufrischen, hielte es nicht für rath- sam, es noch einmal auf das Glück einer Schlacht ankommen zu lassen; und gab daher dem Müfti Befehl, durch sein Fetwa ein weiteres Gefechte zu ver- bieten: darauf derselbe wenige Tage hernach mit seinem Heere die Reise gegen Osten antrat, und solchergestalt dem Feldzuge ein Ende machte. Die Deutschen, ungeachtet sie sehr nahe dabey waren, wollten es doch nicht wagen, den Abzug der Türken zu unterbrechen; sondern glaubten genug gethan zu haben, daß sie ihre eigenen Grenzen vertheidiget hatten: denn der Krieg mit Frankreich, dar- innen sie verwickelt waren, wollte ihnen nicht gestatten, ihre Eroberungen zu vermehren.
23.
Die Polen hatten, außer ihrer gewöhnlichen Langsamkeit, in die-Tod des Köni- ges in Polen, Johann Sobje- skis. sem Jahre einen neuen Vorwand der Verzögerung ihres Feldzuges, und dieses wegen des Todes ihres Königes, Johann Sobjeskis, dessen Kräfte durch eine langwierige Krankheit so sehr erschöpfet wurden, daß er am siebenzehenten des Monats Ssülkäde* im Jahre 1107 starb. Denn weil dieselben mit geheimenH. 1107. J. C. 1696. Berathschlagungen, die bey diesem Volke allezeit vor der Wahl eines neuen Königes hergehen, beschäfftiget waren: so hatten sie keine Muße, ein Krieges- heer aufzurichten, und noch viel weniger, einen Feldzug vorzunehmen.
24.
Indessen, da die Polen ohne Unternehmung stille saßen, that derDer Zar von Rußland erobert Aßak. Zar Peter von Rußland, der inzwischen in der Kriegskunst und Stückgießerey [Spaltenumbruch] dieser Schar. Heutiges Tages aber, da sie die Schar der Jeng-itscheri leicht von ihren eigenen Söhnen und denen, die sich freywillig angeben, errichten können, wird die alte Art, dieselben von den Bostandschi zu wählen, nicht mehr geachtet, und man brauchet diese itzo weiter zu keinem Geschäffte, als des Sultans Palast zu bewachen, seine Gärten zu bauen, und bey seiner Galee zu rudern. Sie haben [Spaltenumbruch] einen Befehlhaber, Bostandschi Baschi, über sich, dessen Würde und Amt ich bereits oben* erkläret habe. Es ist sonst niemals gesche- hen, daß sie als Soldaten sind gebraucht worden, als dieses einzigemal unter Sultan Mustäfa dem II, da sie die Deutschen, als diese das türkische Lager stürmeten, zurück treiben mußten.
erfahrne
* am sechsten Junius.
* 563 S. 1 Anm.
4 P 2
22. Muſtaͤfa der II
22.
Die uͤbrigen von dem kaiſerlichen Heere blieben, weil ſie nicht oͤf-Beyde Krie- gesheere ziehen in das Winter- lager. fentlich geſtehen wollten, daß ſie uͤberwunden waͤren, den ganzen Tag uͤber in Schlachtordnung ſtehen, und erwarteten die Ankunft der Tuͤrken mit unbeweg- licher Standhaftigkeit. Allein, der Sultan, der beſonders ſorgfaͤltig war, ſeine Soldaten durch den Namen des Sieges anzufriſchen, hielte es nicht fuͤr rath- ſam, es noch einmal auf das Gluͤck einer Schlacht ankommen zu laſſen; und gab daher dem Muͤfti Befehl, durch ſein Fetwa ein weiteres Gefechte zu ver- bieten: darauf derſelbe wenige Tage hernach mit ſeinem Heere die Reiſe gegen Oſten antrat, und ſolchergeſtalt dem Feldzuge ein Ende machte. Die Deutſchen, ungeachtet ſie ſehr nahe dabey waren, wollten es doch nicht wagen, den Abzug der Tuͤrken zu unterbrechen; ſondern glaubten genug gethan zu haben, daß ſie ihre eigenen Grenzen vertheidiget hatten: denn der Krieg mit Frankreich, dar- innen ſie verwickelt waren, wollte ihnen nicht geſtatten, ihre Eroberungen zu vermehren.
23.
Die Polen hatten, außer ihrer gewoͤhnlichen Langſamkeit, in die-Tod des Koͤni- ges in Polen, Johann Sobje- ſkis. ſem Jahre einen neuen Vorwand der Verzoͤgerung ihres Feldzuges, und dieſes wegen des Todes ihres Koͤniges, Johann Sobjeſkis, deſſen Kraͤfte durch eine langwierige Krankheit ſo ſehr erſchoͤpfet wurden, daß er am ſiebenzehenten des Monats Sſuͤlkaͤde* im Jahre 1107 ſtarb. Denn weil dieſelben mit geheimenH. 1107. J. C. 1696. Berathſchlagungen, die bey dieſem Volke allezeit vor der Wahl eines neuen Koͤniges hergehen, beſchaͤfftiget waren: ſo hatten ſie keine Muße, ein Krieges- heer aufzurichten, und noch viel weniger, einen Feldzug vorzunehmen.
24.
Indeſſen, da die Polen ohne Unternehmung ſtille ſaßen, that derDer Zar von Rußland erobert Aßak. Zar Peter von Rußland, der inzwiſchen in der Kriegskunſt und Stuͤckgießerey [Spaltenumbruch] dieſer Schar. Heutiges Tages aber, da ſie die Schar der Jeng-itſcheri leicht von ihren eigenen Soͤhnen und denen, die ſich freywillig angeben, errichten koͤnnen, wird die alte Art, dieſelben von den Boſtandſchi zu waͤhlen, nicht mehr geachtet, und man brauchet dieſe itzo weiter zu keinem Geſchaͤffte, als des Sultans Palaſt zu bewachen, ſeine Gaͤrten zu bauen, und bey ſeiner Galee zu rudern. Sie haben [Spaltenumbruch] einen Befehlhaber, Boſtandſchi Baſchi, uͤber ſich, deſſen Wuͤrde und Amt ich bereits oben* erklaͤret habe. Es iſt ſonſt niemals geſche- hen, daß ſie als Soldaten ſind gebraucht worden, als dieſes einzigemal unter Sultan Muſtaͤfa dem II‚ da ſie die Deutſchen, als dieſe das tuͤrkiſche Lager ſtuͤrmeten, zuruͤck treiben mußten.
erfahrne
* am ſechsten Junius.
* 563 S. 1 Anm.
4 P 2
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22. Muſtaͤfa der II
22. Die uͤbrigen von dem kaiſerlichen Heere blieben, weil ſie nicht oͤf-
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Schlachtordnung ſtehen, und erwarteten die Ankunft der Tuͤrken mit unbeweg-
licher Standhaftigkeit. Allein, der Sultan, der beſonders ſorgfaͤltig war, ſeine
Soldaten durch den Namen des Sieges anzufriſchen, hielte es nicht fuͤr rath-
ſam, es noch einmal auf das Gluͤck einer Schlacht ankommen zu laſſen; und
gab daher dem Muͤfti Befehl, durch ſein Fetwa ein weiteres Gefechte zu ver-
bieten: darauf derſelbe wenige Tage hernach mit ſeinem Heere die Reiſe gegen
Oſten antrat, und ſolchergeſtalt dem Feldzuge ein Ende machte. Die Deutſchen,
ungeachtet ſie ſehr nahe dabey waren, wollten es doch nicht wagen, den Abzug
der Tuͤrken zu unterbrechen; ſondern glaubten genug gethan zu haben, daß ſie
ihre eigenen Grenzen vertheidiget hatten: denn der Krieg mit Frankreich, dar-
innen ſie verwickelt waren, wollte ihnen nicht geſtatten, ihre Eroberungen
zu vermehren.
Beyde Krie-
gesheere ziehen
in das Winter-
lager.
23. Die Polen hatten, außer ihrer gewoͤhnlichen Langſamkeit, in die-
ſem Jahre einen neuen Vorwand der Verzoͤgerung ihres Feldzuges, und dieſes
wegen des Todes ihres Koͤniges, Johann Sobjeſkis, deſſen Kraͤfte durch eine
langwierige Krankheit ſo ſehr erſchoͤpfet wurden, daß er am ſiebenzehenten des
Monats Sſuͤlkaͤde * im Jahre 1107 ſtarb. Denn weil dieſelben mit geheimen
Berathſchlagungen, die bey dieſem Volke allezeit vor der Wahl eines neuen
Koͤniges hergehen, beſchaͤfftiget waren: ſo hatten ſie keine Muße, ein Krieges-
heer aufzurichten, und noch viel weniger, einen Feldzug vorzunehmen.
Tod des Koͤni-
ges in Polen,
Johann Sobje-
ſkis.
H. 1107.
J. C. 1696.
24. Indeſſen, da die Polen ohne Unternehmung ſtille ſaßen, that der
Zar Peter von Rußland, der inzwiſchen in der Kriegskunſt und Stuͤckgießerey
erfahrne
dieſer Schar. Heutiges Tages aber, da ſie
die Schar der Jeng-itſcheri leicht von ihren
eigenen Soͤhnen und denen, die ſich freywillig
angeben, errichten koͤnnen, wird die alte Art,
dieſelben von den Boſtandſchi zu waͤhlen, nicht
mehr geachtet, und man brauchet dieſe itzo
weiter zu keinem Geſchaͤffte, als des Sultans
Palaſt zu bewachen, ſeine Gaͤrten zu bauen,
und bey ſeiner Galee zu rudern. Sie haben
einen Befehlhaber, Boſtandſchi Baſchi, uͤber
ſich, deſſen Wuͤrde und Amt ich bereits oben *
erklaͤret habe. Es iſt ſonſt niemals geſche-
hen, daß ſie als Soldaten ſind gebraucht
worden, als dieſes einzigemal unter Sultan
Muſtaͤfa dem II‚ da ſie die Deutſchen, als
dieſe das tuͤrkiſche Lager ſtuͤrmeten, zuruͤck
treiben mußten.
Der Zar von
Rußland erobert
Aßak.
* am ſechsten Junius.
* 563 S. 1 Anm.
4 P 2
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 667. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/781>, abgerufen am 22.11.2024.
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