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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
haben: wenn nicht am achten Tage der Belagerung der Pulverthurm durch
eine Bombe, oder durch einen Verrath, in die Luft geflogen, und durch seine
Zertrümmerung einen großen Theil des Walles darniedergerissen hätte. Die
Türken riefen darüber aus: dieses sey ein offenbarer Beweis des wunderbaren
Beystandes Gottes; und renneten in die Oeffnung, ehe die Deutschen es ihnen
verwehren konnten. Die Besatzung that in dieser äußersten Noth tapfern Wi-
derstand, und hielte fast eine ganze Stunde lang das heftige Stürmen der Tür-
ken ab; endlich aber wurde sie durch die Menge übermannet, und gezwungen,
sich zurück zu ziehen. Eine große Anzahl derselben fiel, wiewol nicht ohne sich
zu rächen, durch den Säbel der Türken, und nur etliche wenige, unter denen
auch ihr Feldhauptmann de la Croy war, entronnen in Böten an die andere
Seite der Donau.

Bringet Te-
mischwar, das
an Lebensmit-
teln äußerste
Noth leidet,Hülfe zu.
51.

Als Kjüprili Mustäfa Pascha solchergestalt eine Stadt, die die
Vormauer von ganz Ungarn war, eher als er es selbst vermuthen können, un-
ter seine Gewalt gebracht hatte: so schickte er Temischwar fünf hundert Sipahi
zu Hülfe, deren iedwedem er zwey Pferde und zweene Scheffel Meel mitgab, sie
dahin zu überbringen. Denn die Deutschen hatten diese Stadt schon drey Jahre
lang eingeschlossen gehalten, und anfangs versuchet, sie mit Sturm zu erobern;
hernach aber, da sie dieses wegen der beschwerlichen Lage des Ortes für unmög-
lich befunden, demselben alle Zufuhre abgeschnitten. Sie hatten bisher von der
Tapferkeit Kodscha Dschäfer 23 Paschas Widerstand gehabt, der bey den Sol-
daten in solchem Ansehen stunde, daß, ungeachtet viele von ihnen vor Hunger
umkamen, dennoch die übrigen sich nicht entschließen wollten, sich mit Katzen
und Hunden zu sättigen, als welche Thiere bey den Türken für unrein gehalten
werden. Sie waren bereits in solche Noth gebracht worden, daß die Jeng-
[Spaltenumbruch]

23 Kodscha Dschäfer] Er bekam den
Beynamen Kodscha oder der Alte, zum Un-
terschiede eines andern Dschäfer Paschas,
der insgemein Kjutschükj* genennet wurde,
von dem ich weiter unten Nachricht ertheilen
will. Der gegenwärtige war ein sehr be-
rühmter Mann unter den Türken, und dieses
wegen seiner Erfahrenheit in der Kriegskunst,
seiner Klugheit und Aufrichtigkeit, und wegen
der vielen Schlachten, die er mit den Deut-
schen gehalten hatte. Nachdem er Temisch-
[Spaltenumbruch]
war so tapfer vertheidiget hatte: so wurde
er zur Belohnung zum Kriegsbefehlhaber von
Belgrad gemacht, welchen Platz er mit großer
Standhaftigkeit behauptete, als er zum an-
dern male von den Deutschen belagert wurde.
Hierdurch erwarb sich derselbe ein so großes
Ansehen, daß der Sultan Mustäfa in seinem
letzten Feldzuge nichts vornehmen wollte,
ohne ihn vorher um Rath zu fragen: ja er
zog oft dessen Rath der Meinung des Weßirs,
Elmas Mehemmed Paschas, vor, den er doch

itscheri,
* der Kleine.

Osmaniſche Geſchichte
haben: wenn nicht am achten Tage der Belagerung der Pulverthurm durch
eine Bombe, oder durch einen Verrath, in die Luft geflogen, und durch ſeine
Zertruͤmmerung einen großen Theil des Walles darniedergeriſſen haͤtte. Die
Tuͤrken riefen daruͤber aus: dieſes ſey ein offenbarer Beweis des wunderbaren
Beyſtandes Gottes; und renneten in die Oeffnung, ehe die Deutſchen es ihnen
verwehren konnten. Die Beſatzung that in dieſer aͤußerſten Noth tapfern Wi-
derſtand, und hielte faſt eine ganze Stunde lang das heftige Stuͤrmen der Tuͤr-
ken ab; endlich aber wurde ſie durch die Menge uͤbermannet, und gezwungen,
ſich zuruͤck zu ziehen. Eine große Anzahl derſelben fiel, wiewol nicht ohne ſich
zu raͤchen, durch den Saͤbel der Tuͤrken, und nur etliche wenige, unter denen
auch ihr Feldhauptmann de la Croy war, entronnen in Boͤten an die andere
Seite der Donau.

Bringet Te-
miſchwar, das
an Lebensmit-
teln aͤußerſte
Noth leidet,Huͤlfe zu.
51.

Als Kjuͤprili Muſtaͤfa Paſcha ſolchergeſtalt eine Stadt, die die
Vormauer von ganz Ungarn war, eher als er es ſelbſt vermuthen koͤnnen, un-
ter ſeine Gewalt gebracht hatte: ſo ſchickte er Temiſchwar fuͤnf hundert Sipahi
zu Huͤlfe, deren iedwedem er zwey Pferde und zweene Scheffel Meel mitgab, ſie
dahin zu uͤberbringen. Denn die Deutſchen hatten dieſe Stadt ſchon drey Jahre
lang eingeſchloſſen gehalten, und anfangs verſuchet, ſie mit Sturm zu erobern;
hernach aber, da ſie dieſes wegen der beſchwerlichen Lage des Ortes fuͤr unmoͤg-
lich befunden, demſelben alle Zufuhre abgeſchnitten. Sie hatten bisher von der
Tapferkeit Kodſcha Dſchaͤfer 23 Paſchas Widerſtand gehabt, der bey den Sol-
daten in ſolchem Anſehen ſtunde, daß, ungeachtet viele von ihnen vor Hunger
umkamen, dennoch die uͤbrigen ſich nicht entſchließen wollten, ſich mit Katzen
und Hunden zu ſaͤttigen, als welche Thiere bey den Tuͤrken fuͤr unrein gehalten
werden. Sie waren bereits in ſolche Noth gebracht worden, daß die Jeng-
[Spaltenumbruch]

23 Kodſcha Dſchaͤfer] Er bekam den
Beynamen Kodſcha oder der Alte, zum Un-
terſchiede eines andern Dſchaͤfer Paſchas,
der insgemein Kjutſchuͤkj* genennet wurde,
von dem ich weiter unten Nachricht ertheilen
will. Der gegenwaͤrtige war ein ſehr be-
ruͤhmter Mann unter den Tuͤrken, und dieſes
wegen ſeiner Erfahrenheit in der Kriegskunſt,
ſeiner Klugheit und Aufrichtigkeit, und wegen
der vielen Schlachten, die er mit den Deut-
ſchen gehalten hatte. Nachdem er Temiſch-
[Spaltenumbruch]
war ſo tapfer vertheidiget hatte: ſo wurde
er zur Belohnung zum Kriegsbefehlhaber von
Belgrad gemacht, welchen Platz er mit großer
Standhaftigkeit behauptete, als er zum an-
dern male von den Deutſchen belagert wurde.
Hierdurch erwarb ſich derſelbe ein ſo großes
Anſehen, daß der Sultan Muſtaͤfa in ſeinem
letzten Feldzuge nichts vornehmen wollte,
ohne ihn vorher um Rath zu fragen: ja er
zog oft deſſen Rath der Meinung des Weßirs,
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itſcheri,
* der Kleine.
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[604/0714] Osmaniſche Geſchichte haben: wenn nicht am achten Tage der Belagerung der Pulverthurm durch eine Bombe, oder durch einen Verrath, in die Luft geflogen, und durch ſeine Zertruͤmmerung einen großen Theil des Walles darniedergeriſſen haͤtte. Die Tuͤrken riefen daruͤber aus: dieſes ſey ein offenbarer Beweis des wunderbaren Beyſtandes Gottes; und renneten in die Oeffnung, ehe die Deutſchen es ihnen verwehren konnten. Die Beſatzung that in dieſer aͤußerſten Noth tapfern Wi- derſtand, und hielte faſt eine ganze Stunde lang das heftige Stuͤrmen der Tuͤr- ken ab; endlich aber wurde ſie durch die Menge uͤbermannet, und gezwungen, ſich zuruͤck zu ziehen. Eine große Anzahl derſelben fiel, wiewol nicht ohne ſich zu raͤchen, durch den Saͤbel der Tuͤrken, und nur etliche wenige, unter denen auch ihr Feldhauptmann de la Croy war, entronnen in Boͤten an die andere Seite der Donau. 51. Als Kjuͤprili Muſtaͤfa Paſcha ſolchergeſtalt eine Stadt, die die Vormauer von ganz Ungarn war, eher als er es ſelbſt vermuthen koͤnnen, un- ter ſeine Gewalt gebracht hatte: ſo ſchickte er Temiſchwar fuͤnf hundert Sipahi zu Huͤlfe, deren iedwedem er zwey Pferde und zweene Scheffel Meel mitgab, ſie dahin zu uͤberbringen. Denn die Deutſchen hatten dieſe Stadt ſchon drey Jahre lang eingeſchloſſen gehalten, und anfangs verſuchet, ſie mit Sturm zu erobern; hernach aber, da ſie dieſes wegen der beſchwerlichen Lage des Ortes fuͤr unmoͤg- lich befunden, demſelben alle Zufuhre abgeſchnitten. Sie hatten bisher von der Tapferkeit Kodſcha Dſchaͤfer ²³ Paſchas Widerſtand gehabt, der bey den Sol- daten in ſolchem Anſehen ſtunde, daß, ungeachtet viele von ihnen vor Hunger umkamen, dennoch die uͤbrigen ſich nicht entſchließen wollten, ſich mit Katzen und Hunden zu ſaͤttigen, als welche Thiere bey den Tuͤrken fuͤr unrein gehalten werden. Sie waren bereits in ſolche Noth gebracht worden, daß die Jeng- itſcheri, ²³ Kodſcha Dſchaͤfer] Er bekam den Beynamen Kodſcha oder der Alte, zum Un- terſchiede eines andern Dſchaͤfer Paſchas, der insgemein Kjutſchuͤkj * genennet wurde, von dem ich weiter unten Nachricht ertheilen will. Der gegenwaͤrtige war ein ſehr be- ruͤhmter Mann unter den Tuͤrken, und dieſes wegen ſeiner Erfahrenheit in der Kriegskunſt, ſeiner Klugheit und Aufrichtigkeit, und wegen der vielen Schlachten, die er mit den Deut- ſchen gehalten hatte. Nachdem er Temiſch- war ſo tapfer vertheidiget hatte: ſo wurde er zur Belohnung zum Kriegsbefehlhaber von Belgrad gemacht, welchen Platz er mit großer Standhaftigkeit behauptete, als er zum an- dern male von den Deutſchen belagert wurde. Hierdurch erwarb ſich derſelbe ein ſo großes Anſehen, daß der Sultan Muſtaͤfa in ſeinem letzten Feldzuge nichts vornehmen wollte, ohne ihn vorher um Rath zu fragen: ja er zog oft deſſen Rath der Meinung des Weßirs, Elmas Mehemmed Paſchas, vor, den er doch ſonſt * der Kleine.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 604. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/714>, abgerufen am 22.11.2024.