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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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20. Sülejman der II
33.

Nach diesem Siege überschwemmen die Deutschen ganz Servien,Die Kaiserli-
chen bringen fast
ganz Servien
unter sich.

erobern Widdin, Nissa, Schehirkjöj, und verheren Siopia, eine Stadt in Bul-
garien, mit Feuer.

34.

Auf eingelaufene Zeitung von diesen unglücklichen Vorfällen begabDer Sultan
fertiget an seine
Abgesandten ei-
ne Antwort ab.

sich Sülejman unverzüglich mit der größten Eilfertigkeit von Sophia wieder
nach Adrianopel zurück, und fertigte seinen Abgesandten an dem deutschen Hofe
eine Antwort zu, die bis hieher war aufgeschoben worden. Er befahl ihnen
aber darinnen, keine weiteren Anerbietungen zu thun, außer denjenigen, dazu sie
schon vorher Befehl gehabt hätten: und ermahnete sie zugleich, den Frieden
so einzurichten, wie es den Geboten des Kurons gemäß sey, die denen, die da
empfangen, günstiger sind, als denen, die da geben. Er trug ihnen daher auf,
dem Kaiser zuzureden (ohne der übrigen Landschaften von Ungarn, die derselbe
begehret hatte, Erwähnung zu thun), daß er Belgrad dem osmanischen Reiche
wieder abträte; hernach könnten sie die Friedensunterhandlungen anfangen.
[Spaltenumbruch]

den beförderte, befand sich ein berühmter
Weißager zu Constantinopel, an dem Hofe
des Rejs Efendi Mehemmeds, den man ins-
gemein Nefi Ogli oder des Verwiesenen Sohn
nennete; weil sein Vater von Kjüprili Aeh-
med Pascha war verbannet worden (denn
Nefi heißet eine verwiesene oder verbannete
Person). Ich war ganz genau mit ihm be-
kannt, sowol vor, als nach dem Tode Rami
Paschas, und muß bekennen, er war der ge-
lehrteste Mann unter den Türken, und nicht
allein in dem Arabischen und in andern Thei-
len der unter den Muhämmedischen üblichen
Gelehrtheit erfahren; sondern er verstunde
auch die lateinische Sprache, die derselbe
durch Hülfe Meninskis türkischer Sprachkunst
und Wörterbuchs, ohne Beystand eines Lehr-
meisters, erlernet hatte. So war auch kein
anderes Mittel, dadurch Rami Mehemmed
Pascha zu einem so großen Ruhme an dem
osmanischen Hofe gelangte, als daß er dem
Rathe desselben folgte. Denn, so oft eine
schwere Sache vorkam: so hatte Rami die
Gewohnheit, Nefi Ogli darinnen um Rath
[Spaltenumbruch]
zu fragen, und dessen Meinung dem Weßire
als wenn es seine eigene wäre, vorzustellen.
Ich weiß wohl, daß die meisten dieses Alexan-
der Maurocordatus zuschreiben, und zwar
wegen der vertrauten Freundschaft, die zwi-
schen ihm und dem Rejs Efendi waltete.
Allein, diejenigen, die die Gelegenheit gehabt,
Ramis Hof genau zu kennen, haben alle ge-
standen, daß Nefi Ogli einzig und allein der
Rathgeber desselben gewesen sey. Er war
es auch, der Rami Rejs Efendi zuredete, eine
Gesandtschaft zu übernehmen, die er von sich
abzulehnen gedachte; indem er ihm vorstellete:
er werde durch dieselbe große Ehre und Vor-
theile erlangen, und einem sehr gefährlichen
Kriege ein glückliches Ende machen. Er
fügete hinzu: Husejn Pascha werde nach die-
sem Frieden das Weßiramt nicht lange ge-
nießen; und nachdem noch einer darzwischen
gewesen: so werde Rami selbst zu dieser
Würde erhoben werden. Dabey aber gab
er ihm den Rath, dieselbe nicht anzunehmen,
wenn er dem Sultane Gutes wünsche: denn
der Sultan werde unter seiner Verwaltung

Als
4 E 2
20. Suͤlejman der II
33.

Nach dieſem Siege uͤberſchwemmen die Deutſchen ganz Servien,Die Kaiſerli-
chen bringen faſt
ganz Servien
unter ſich.

erobern Widdin, Niſſa, Schehirkjoͤj, und verheren Siopia, eine Stadt in Bul-
garien, mit Feuer.

34.

Auf eingelaufene Zeitung von dieſen ungluͤcklichen Vorfaͤllen begabDer Sultan
fertiget an ſeine
Abgeſandten ei-
ne Antwort ab.

ſich Suͤlejman unverzuͤglich mit der groͤßten Eilfertigkeit von Sophia wieder
nach Adrianopel zuruͤck, und fertigte ſeinen Abgeſandten an dem deutſchen Hofe
eine Antwort zu, die bis hieher war aufgeſchoben worden. Er befahl ihnen
aber darinnen, keine weiteren Anerbietungen zu thun, außer denjenigen, dazu ſie
ſchon vorher Befehl gehabt haͤtten: und ermahnete ſie zugleich, den Frieden
ſo einzurichten, wie es den Geboten des Kurons gemaͤß ſey, die denen, die da
empfangen, guͤnſtiger ſind, als denen, die da geben. Er trug ihnen daher auf,
dem Kaiſer zuzureden (ohne der uͤbrigen Landſchaften von Ungarn, die derſelbe
begehret hatte, Erwaͤhnung zu thun), daß er Belgrad dem osmaniſchen Reiche
wieder abtraͤte; hernach koͤnnten ſie die Friedensunterhandlungen anfangen.
[Spaltenumbruch]

den befoͤrderte, befand ſich ein beruͤhmter
Weißager zu Conſtantinopel, an dem Hofe
des Rejs Efendi Mehemmeds, den man ins-
gemein Nefi Ogli oder des Verwieſenen Sohn
nennete; weil ſein Vater von Kjuͤprili Aeh-
med Paſcha war verbannet worden (denn
Nefi heißet eine verwieſene oder verbannete
Perſon). Ich war ganz genau mit ihm be-
kannt, ſowol vor, als nach dem Tode Rami
Paſchas, und muß bekennen, er war der ge-
lehrteſte Mann unter den Tuͤrken, und nicht
allein in dem Arabiſchen und in andern Thei-
len der unter den Muhaͤmmediſchen uͤblichen
Gelehrtheit erfahren; ſondern er verſtunde
auch die lateiniſche Sprache, die derſelbe
durch Huͤlfe Meninſkis tuͤrkiſcher Sprachkunſt
und Woͤrterbuchs, ohne Beyſtand eines Lehr-
meiſters, erlernet hatte. So war auch kein
anderes Mittel, dadurch Rami Mehemmed
Paſcha zu einem ſo großen Ruhme an dem
osmaniſchen Hofe gelangte, als daß er dem
Rathe deſſelben folgte. Denn, ſo oft eine
ſchwere Sache vorkam: ſo hatte Rami die
Gewohnheit, Nefi Ogli darinnen um Rath
[Spaltenumbruch]
zu fragen, und deſſen Meinung dem Weßire
als wenn es ſeine eigene waͤre, vorzuſtellen.
Ich weiß wohl, daß die meiſten dieſes Alexan-
der Maurocordatus zuſchreiben, und zwar
wegen der vertrauten Freundſchaft, die zwi-
ſchen ihm und dem Rejs Efendi waltete.
Allein, diejenigen, die die Gelegenheit gehabt,
Ramis Hof genau zu kennen, haben alle ge-
ſtanden, daß Nefi Ogli einzig und allein der
Rathgeber deſſelben geweſen ſey. Er war
es auch, der Rami Rejs Efendi zuredete, eine
Geſandtſchaft zu uͤbernehmen, die er von ſich
abzulehnen gedachte; indem er ihm vorſtellete:
er werde durch dieſelbe große Ehre und Vor-
theile erlangen, und einem ſehr gefaͤhrlichen
Kriege ein gluͤckliches Ende machen. Er
fuͤgete hinzu: Huſejn Paſcha werde nach die-
ſem Frieden das Weßiramt nicht lange ge-
nießen; und nachdem noch einer darzwiſchen
geweſen: ſo werde Rami ſelbſt zu dieſer
Wuͤrde erhoben werden. Dabey aber gab
er ihm den Rath, dieſelbe nicht anzunehmen,
wenn er dem Sultane Gutes wuͤnſche: denn
der Sultan werde unter ſeiner Verwaltung

Als
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[587/0697] 20. Suͤlejman der II 33. Nach dieſem Siege uͤberſchwemmen die Deutſchen ganz Servien, erobern Widdin, Niſſa, Schehirkjoͤj, und verheren Siopia, eine Stadt in Bul- garien, mit Feuer. Die Kaiſerli- chen bringen faſt ganz Servien unter ſich. 34. Auf eingelaufene Zeitung von dieſen ungluͤcklichen Vorfaͤllen begab ſich Suͤlejman unverzuͤglich mit der groͤßten Eilfertigkeit von Sophia wieder nach Adrianopel zuruͤck, und fertigte ſeinen Abgeſandten an dem deutſchen Hofe eine Antwort zu, die bis hieher war aufgeſchoben worden. Er befahl ihnen aber darinnen, keine weiteren Anerbietungen zu thun, außer denjenigen, dazu ſie ſchon vorher Befehl gehabt haͤtten: und ermahnete ſie zugleich, den Frieden ſo einzurichten, wie es den Geboten des Kurons gemaͤß ſey, die denen, die da empfangen, guͤnſtiger ſind, als denen, die da geben. Er trug ihnen daher auf, dem Kaiſer zuzureden (ohne der uͤbrigen Landſchaften von Ungarn, die derſelbe begehret hatte, Erwaͤhnung zu thun), daß er Belgrad dem osmaniſchen Reiche wieder abtraͤte; hernach koͤnnten ſie die Friedensunterhandlungen anfangen. Als den befoͤrderte, befand ſich ein beruͤhmter Weißager zu Conſtantinopel, an dem Hofe des Rejs Efendi Mehemmeds, den man ins- gemein Nefi Ogli oder des Verwieſenen Sohn nennete; weil ſein Vater von Kjuͤprili Aeh- med Paſcha war verbannet worden (denn Nefi heißet eine verwieſene oder verbannete Perſon). Ich war ganz genau mit ihm be- kannt, ſowol vor, als nach dem Tode Rami Paſchas, und muß bekennen, er war der ge- lehrteſte Mann unter den Tuͤrken, und nicht allein in dem Arabiſchen und in andern Thei- len der unter den Muhaͤmmediſchen uͤblichen Gelehrtheit erfahren; ſondern er verſtunde auch die lateiniſche Sprache, die derſelbe durch Huͤlfe Meninſkis tuͤrkiſcher Sprachkunſt und Woͤrterbuchs, ohne Beyſtand eines Lehr- meiſters, erlernet hatte. So war auch kein anderes Mittel, dadurch Rami Mehemmed Paſcha zu einem ſo großen Ruhme an dem osmaniſchen Hofe gelangte, als daß er dem Rathe deſſelben folgte. Denn, ſo oft eine ſchwere Sache vorkam: ſo hatte Rami die Gewohnheit, Nefi Ogli darinnen um Rath zu fragen, und deſſen Meinung dem Weßire als wenn es ſeine eigene waͤre, vorzuſtellen. Ich weiß wohl, daß die meiſten dieſes Alexan- der Maurocordatus zuſchreiben, und zwar wegen der vertrauten Freundſchaft, die zwi- ſchen ihm und dem Rejs Efendi waltete. Allein, diejenigen, die die Gelegenheit gehabt, Ramis Hof genau zu kennen, haben alle ge- ſtanden, daß Nefi Ogli einzig und allein der Rathgeber deſſelben geweſen ſey. Er war es auch, der Rami Rejs Efendi zuredete, eine Geſandtſchaft zu uͤbernehmen, die er von ſich abzulehnen gedachte; indem er ihm vorſtellete: er werde durch dieſelbe große Ehre und Vor- theile erlangen, und einem ſehr gefaͤhrlichen Kriege ein gluͤckliches Ende machen. Er fuͤgete hinzu: Huſejn Paſcha werde nach die- ſem Frieden das Weßiramt nicht lange ge- nießen; und nachdem noch einer darzwiſchen geweſen: ſo werde Rami ſelbſt zu dieſer Wuͤrde erhoben werden. Dabey aber gab er ihm den Rath, dieſelbe nicht anzunehmen, wenn er dem Sultane Gutes wuͤnſche: denn der Sultan werde unter ſeiner Verwaltung in Der Sultan fertiget an ſeine Abgeſandten ei- ne Antwort ab. 4 E 2

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 587. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/697>, abgerufen am 22.11.2024.