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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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20. Sülejman der II
tianer zu verlassen, und sich wieder unter die osmanische Herrschaft zu be-
geben.

30.

Nachdem nun diese Sachen solchergestalt eingerichtet waren: soDer Sultan
erkläret, daß er
das Heer selbst
anführen wolle.

erklärete Sülejman (sowol dem Feinde eine Furcht einzujagen, als seinen eige-
nen Leuten einen Muth zu machen), er wolle sein Heer in eigener Person gegen
die Deutschen anführen. Es wurden so viel Truppen zusammengebracht, als
es möglich war, und mit diesen trat derselbe den Zug nach Servien an, als wenn
er Vorhabens wäre, Belgrad zu belagern.

31.

Er war aber kaum bis nach Sophia gekommen: so erhielte er dieAls er die An-
näherung der
Deutschen ver-
nimmt: so blei-
bet er zu So-
phia zurück.

Nachricht, daß Schegetwar (eine Stadt, die wegen des Märterthums Sülejmans
des I berühmt ist) durch Hunger gezwungen worden sey, sich den Kaiserlichen zu er-
geben; imgleichen, daß das Heer der Deutschen, davon er sich eingebildet hatte,
es werde völlig gegen die Franzosen gebrauchet, von Belgrad mit großer Ge-
schwindigkeit gegen ihn herangezogen komme. Auf diese Nachricht blieb derselbe
vor Schrecken zu Sophia zurück, und überließ das Heer der Anführung des
Seräskjers, Redscheb Paschas, mit dem Befehle, nicht unbedachtsamer Weise
eine Schlacht zu wagen; sondern nur bloß die weiteren Unternehmungen des
Feindes zu verhindern.

[Spaltenumbruch]
reits ingeheim mit ihr versprochen hatte: so
hielte er bey Anastasia öffentlich um die Ehe
an. Diese aber schläget es ihm ab, und sa-
get: es schicke sich nicht für eine fürstliche
Witwe, einen Paißen (dieses ist der Name,
den man auf die Galeen verdammten Perso-
nen zu geben pfleget*) zu heiraten. Libe-
rius überreichet dem Weßire ein Aerßuhal, und
bittet darinnen, daß dem Patriarchen durch
ein Ferman aufgeleget werden möchte, die
Trauung zu vollziehen. Sie hingegen stellet
sich noch immer, als wenn ihr dieses zuwi-
der wäre, und flehet den Patriarchen mit
Threnen an, er möchte, nebst den vornehm-
sten Griechen von Adel, bey dem Weßire eine
Fürbitte einlegen, daß derselbe die Heirat
verhinderte. Der Patriarch lässet sich dazu
willig finden; als er aber in Gesellschaft fast
[Spaltenumbruch]
des ganzen griechischen Adels in ihr Haus
kommt: so entdecket sie ihr Vorhaben öffent-
lich, und saget; sie habe nach reifer Ueberle-
gung der Sache erwäget, daß es ihre Ehr-
barkeit nicht erlauben würde, vor den Weßir
zu kommen, und daher sich lieber entschlossen,
einen Mann, er sey wer er wolle, zu heiraten,
als sich einer so großen Schande bloß zu stel-
len. Hierauf ging die Gesellschaft weg, und
sie ließ sich so gleich durch einen Priester trauen,
den sie bereits zu diesem Ende in ihr Haus
hatte kommen lassen. Allein, sie mußte
bald darauf den Schimpf büßen, den sie ihrem
Stande und ihren Anverwandten angethan
hatte. Denn als ihr neuer Ehemann zu
den Venetianern überging: so legte sie Trauer-
kleider an, und starb einige Jahre hernach.
32. Als
* Es ist ein Schimpfwort, und heißet sonst einen Hurenwirth.
4 E

20. Suͤlejman der II
tianer zu verlaſſen, und ſich wieder unter die osmaniſche Herrſchaft zu be-
geben.

30.

Nachdem nun dieſe Sachen ſolchergeſtalt eingerichtet waren: ſoDer Sultan
erklaͤret, daß er
das Heer ſelbſt
anfuͤhren wolle.

erklaͤrete Suͤlejman (ſowol dem Feinde eine Furcht einzujagen, als ſeinen eige-
nen Leuten einen Muth zu machen), er wolle ſein Heer in eigener Perſon gegen
die Deutſchen anfuͤhren. Es wurden ſo viel Truppen zuſammengebracht, als
es moͤglich war, und mit dieſen trat derſelbe den Zug nach Servien an, als wenn
er Vorhabens waͤre, Belgrad zu belagern.

31.

Er war aber kaum bis nach Sophia gekommen: ſo erhielte er dieAls er die An-
naͤherung der
Deutſchen ver-
nimmt: ſo blei-
bet er zu So-
phia zuruͤck.

Nachricht, daß Schegetwar (eine Stadt, die wegen des Maͤrterthums Suͤlejmans
des I beruͤhmt iſt) durch Hunger gezwungen worden ſey, ſich den Kaiſerlichen zu er-
geben; imgleichen, daß das Heer der Deutſchen, davon er ſich eingebildet hatte,
es werde voͤllig gegen die Franzoſen gebrauchet, von Belgrad mit großer Ge-
ſchwindigkeit gegen ihn herangezogen komme. Auf dieſe Nachricht blieb derſelbe
vor Schrecken zu Sophia zuruͤck, und uͤberließ das Heer der Anfuͤhrung des
Seraͤskjers, Redſcheb Paſchas, mit dem Befehle, nicht unbedachtſamer Weiſe
eine Schlacht zu wagen; ſondern nur bloß die weiteren Unternehmungen des
Feindes zu verhindern.

[Spaltenumbruch]
reits ingeheim mit ihr verſprochen hatte: ſo
hielte er bey Anaſtaſia oͤffentlich um die Ehe
an. Dieſe aber ſchlaͤget es ihm ab, und ſa-
get: es ſchicke ſich nicht fuͤr eine fuͤrſtliche
Witwe, einen Paißen (dieſes iſt der Name,
den man auf die Galeen verdammten Perſo-
nen zu geben pfleget*) zu heiraten. Libe-
rius uͤberreichet dem Weßire ein Aerßuhal, und
bittet darinnen, daß dem Patriarchen durch
ein Ferman aufgeleget werden moͤchte, die
Trauung zu vollziehen. Sie hingegen ſtellet
ſich noch immer, als wenn ihr dieſes zuwi-
der waͤre, und flehet den Patriarchen mit
Threnen an, er moͤchte, nebſt den vornehm-
ſten Griechen von Adel, bey dem Weßire eine
Fuͤrbitte einlegen, daß derſelbe die Heirat
verhinderte. Der Patriarch laͤſſet ſich dazu
willig finden; als er aber in Geſellſchaft faſt
[Spaltenumbruch]
des ganzen griechiſchen Adels in ihr Haus
kommt: ſo entdecket ſie ihr Vorhaben oͤffent-
lich, und ſaget; ſie habe nach reifer Ueberle-
gung der Sache erwaͤget, daß es ihre Ehr-
barkeit nicht erlauben wuͤrde, vor den Weßir
zu kommen, und daher ſich lieber entſchloſſen,
einen Mann, er ſey wer er wolle, zu heiraten,
als ſich einer ſo großen Schande bloß zu ſtel-
len. Hierauf ging die Geſellſchaft weg, und
ſie ließ ſich ſo gleich durch einen Prieſter trauen,
den ſie bereits zu dieſem Ende in ihr Haus
hatte kommen laſſen. Allein, ſie mußte
bald darauf den Schimpf buͤßen, den ſie ihrem
Stande und ihren Anverwandten angethan
hatte. Denn als ihr neuer Ehemann zu
den Venetianern uͤberging: ſo legte ſie Trauer-
kleider an, und ſtarb einige Jahre hernach.
32. Als
* Es iſt ein Schimpfwort, und heißet ſonſt einen Hurenwirth.
4 E
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[585/0695] 20. Suͤlejman der II tianer zu verlaſſen, und ſich wieder unter die osmaniſche Herrſchaft zu be- geben. 30. Nachdem nun dieſe Sachen ſolchergeſtalt eingerichtet waren: ſo erklaͤrete Suͤlejman (ſowol dem Feinde eine Furcht einzujagen, als ſeinen eige- nen Leuten einen Muth zu machen), er wolle ſein Heer in eigener Perſon gegen die Deutſchen anfuͤhren. Es wurden ſo viel Truppen zuſammengebracht, als es moͤglich war, und mit dieſen trat derſelbe den Zug nach Servien an, als wenn er Vorhabens waͤre, Belgrad zu belagern. Der Sultan erklaͤret, daß er das Heer ſelbſt anfuͤhren wolle. 31. Er war aber kaum bis nach Sophia gekommen: ſo erhielte er die Nachricht, daß Schegetwar (eine Stadt, die wegen des Maͤrterthums Suͤlejmans des I beruͤhmt iſt) durch Hunger gezwungen worden ſey, ſich den Kaiſerlichen zu er- geben; imgleichen, daß das Heer der Deutſchen, davon er ſich eingebildet hatte, es werde voͤllig gegen die Franzoſen gebrauchet, von Belgrad mit großer Ge- ſchwindigkeit gegen ihn herangezogen komme. Auf dieſe Nachricht blieb derſelbe vor Schrecken zu Sophia zuruͤck, und uͤberließ das Heer der Anfuͤhrung des Seraͤskjers, Redſcheb Paſchas, mit dem Befehle, nicht unbedachtſamer Weiſe eine Schlacht zu wagen; ſondern nur bloß die weiteren Unternehmungen des Feindes zu verhindern. Als er die An- naͤherung der Deutſchen ver- nimmt: ſo blei- bet er zu So- phia zuruͤck. 32. Als reits ingeheim mit ihr verſprochen hatte: ſo hielte er bey Anaſtaſia oͤffentlich um die Ehe an. Dieſe aber ſchlaͤget es ihm ab, und ſa- get: es ſchicke ſich nicht fuͤr eine fuͤrſtliche Witwe, einen Paißen (dieſes iſt der Name, den man auf die Galeen verdammten Perſo- nen zu geben pfleget *) zu heiraten. Libe- rius uͤberreichet dem Weßire ein Aerßuhal, und bittet darinnen, daß dem Patriarchen durch ein Ferman aufgeleget werden moͤchte, die Trauung zu vollziehen. Sie hingegen ſtellet ſich noch immer, als wenn ihr dieſes zuwi- der waͤre, und flehet den Patriarchen mit Threnen an, er moͤchte, nebſt den vornehm- ſten Griechen von Adel, bey dem Weßire eine Fuͤrbitte einlegen, daß derſelbe die Heirat verhinderte. Der Patriarch laͤſſet ſich dazu willig finden; als er aber in Geſellſchaft faſt des ganzen griechiſchen Adels in ihr Haus kommt: ſo entdecket ſie ihr Vorhaben oͤffent- lich, und ſaget; ſie habe nach reifer Ueberle- gung der Sache erwaͤget, daß es ihre Ehr- barkeit nicht erlauben wuͤrde, vor den Weßir zu kommen, und daher ſich lieber entſchloſſen, einen Mann, er ſey wer er wolle, zu heiraten, als ſich einer ſo großen Schande bloß zu ſtel- len. Hierauf ging die Geſellſchaft weg, und ſie ließ ſich ſo gleich durch einen Prieſter trauen, den ſie bereits zu dieſem Ende in ihr Haus hatte kommen laſſen. Allein, ſie mußte bald darauf den Schimpf buͤßen, den ſie ihrem Stande und ihren Anverwandten angethan hatte. Denn als ihr neuer Ehemann zu den Venetianern uͤberging: ſo legte ſie Trauer- kleider an, und ſtarb einige Jahre hernach. * Es iſt ein Schimpfwort, und heißet ſonſt einen Hurenwirth. 4 E

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 585. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/695>, abgerufen am 22.11.2024.