Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.20. Sülejman der II anfänget: so ergreifen die Jeng-itscheri wiederum die Waffen, berufen eineVersammlung in Orta Dschami zusammen, und drohen sowol dem Sultane, als dem Weßire, den Untergang. Weil nun der erstere merket, daß das Un- gewitter über seinem Kopfe ausbrechen werde: so schiebet er, auf Anrathen Kjü- prili Mustäfa Paschas, alle Schuld auf den Weßir 8, und lässet aussprengen; der Weßir habe dieses aus eigener Gewalt, ohne des Sultans Wissenschaft oder Befehl, unternommen. 9. Um nun seinen Worten Glauben zu erwerben, setzte er denselbenTekkjurdagi 10. Als Egen Osman Pascha 9 in Rumilien vernahm, daß Muhäm-Egen Pascha den Weßir schieben und denselben dem er- grimmten Volke aufopfern. Dieses Hülfs- mittel ist selten ohne gute Wirkung befunden worden; ja es würde gar niemals fehl schla- gen: wenn nicht die Sultane aus allzu großer Liebe gegen die Weßire unterließen, dieselben zu bestrafen und das misvergnügte Volk durch andere dienliche Linderungsmittel zu besänfti- gen. Denn viele Personen von Einsicht glau- ben, die Türken würden nimmermehr so weit gegangen seyn, daß sie den Sultan Muhäm- med den IIII, einen Fürsten, der wegen sei- ner langen Regierung und vielen Siege zu großem Ansehen gelanget war, abgesetzet hät- ten: wenn dieser nicht allzu sehr darauf ver- sessen gewesen wäre, Ajnadschi Sülejman Pascha zu beschützen (da doch derselbe nach der Gewohnheit der Türken seinen Kopf ver- wirket hatte, weil er im Jahre 1686 die Kai- serlichen in seinem Angesichte Belgrad einneh- men ließe, und diese ihn hernach bey Siklosch [Spaltenumbruch] schlugen), und nicht so lange gewartet hätte, ihn umbringen zu lassen, bis die Sachen schon zu weit gekommen gewesen. So würde auch Mustäfa nicht ausgestoßen worden seyn: wenn derselbe nur Rami Mehemmed Pascha und den Müfti, nebst ihren Söhnen, in der Aufrührer Hände gegeben hätte. 9 Egen Osman Pascha] Ein Mann, der wegen seiner Räubereyen in Asien berüch- tiget ist. Er wurde anfangs in der Nach- barschaft von Kaßdagi zum Pascha von zwee- nen Roßschweifen bestellet. Als aber das osmanische Reich sowol von innen, als von außen, erbärmlich zerrüttet wurde: so plün- derte er mit seinen unterhabenden Truppen, die für die tapfersten in ganz Asien gehalten wurden, alle die angrenzenden Länder aus; ja, er drohete so gar, Ueskjüdar und den kai- serlichen Hauptsitz selbst zu verwüsten. End- lich aber wurde er mit dem Sultane Sülej- gemein- 4 C 2
20. Suͤlejman der II anfaͤnget: ſo ergreifen die Jeng-itſcheri wiederum die Waffen, berufen eineVerſammlung in Orta Dſchami zuſammen, und drohen ſowol dem Sultane, als dem Weßire, den Untergang. Weil nun der erſtere merket, daß das Un- gewitter uͤber ſeinem Kopfe ausbrechen werde: ſo ſchiebet er, auf Anrathen Kjuͤ- prili Muſtaͤfa Paſchas, alle Schuld auf den Weßir 8, und laͤſſet ausſprengen; der Weßir habe dieſes aus eigener Gewalt, ohne des Sultans Wiſſenſchaft oder Befehl, unternommen. 9. Um nun ſeinen Worten Glauben zu erwerben, ſetzte er denſelbenTekkjurdagi 10. Als Egen Osman Paſcha 9 in Rumilien vernahm, daß Muhaͤm-Egen Paſcha den Weßir ſchieben und denſelben dem er- grimmten Volke aufopfern. Dieſes Huͤlfs- mittel iſt ſelten ohne gute Wirkung befunden worden; ja es wuͤrde gar niemals fehl ſchla- gen: wenn nicht die Sultane aus allzu großer Liebe gegen die Weßire unterließen, dieſelben zu beſtrafen und das misvergnuͤgte Volk durch andere dienliche Linderungsmittel zu beſaͤnfti- gen. Denn viele Perſonen von Einſicht glau- ben, die Tuͤrken wuͤrden nimmermehr ſo weit gegangen ſeyn, daß ſie den Sultan Muhaͤm- med den IIII‚ einen Fuͤrſten, der wegen ſei- ner langen Regierung und vielen Siege zu großem Anſehen gelanget war, abgeſetzet haͤt- ten: wenn dieſer nicht allzu ſehr darauf ver- ſeſſen geweſen waͤre, Ajnadſchi Suͤlejman Paſcha zu beſchuͤtzen (da doch derſelbe nach der Gewohnheit der Tuͤrken ſeinen Kopf ver- wirket hatte, weil er im Jahre 1686 die Kai- ſerlichen in ſeinem Angeſichte Belgrad einneh- men ließe, und dieſe ihn hernach bey Sikloſch [Spaltenumbruch] ſchlugen), und nicht ſo lange gewartet haͤtte, ihn umbringen zu laſſen, bis die Sachen ſchon zu weit gekommen geweſen. So wuͤrde auch Muſtaͤfa nicht ausgeſtoßen worden ſeyn: wenn derſelbe nur Rami Mehemmed Paſcha und den Muͤfti, nebſt ihren Soͤhnen, in der Aufruͤhrer Haͤnde gegeben haͤtte. 9 Egen Osman Paſcha] Ein Mann, der wegen ſeiner Raͤubereyen in Aſien beruͤch- tiget iſt. Er wurde anfangs in der Nach- barſchaft von Kaßdagi zum Paſcha von zwee- nen Roßſchweifen beſtellet. Als aber das osmaniſche Reich ſowol von innen, als von außen, erbaͤrmlich zerruͤttet wurde: ſo pluͤn- derte er mit ſeinen unterhabenden Truppen, die fuͤr die tapferſten in ganz Aſien gehalten wurden, alle die angrenzenden Laͤnder aus; ja, er drohete ſo gar, Ueskjuͤdar und den kai- ſerlichen Hauptſitz ſelbſt zu verwuͤſten. End- lich aber wurde er mit dem Sultane Suͤlej- gemein- 4 C 2
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20. Suͤlejman der II
anfaͤnget: ſo ergreifen die Jeng-itſcheri wiederum die Waffen, berufen eine
Verſammlung in Orta Dſchami zuſammen, und drohen ſowol dem Sultane,
als dem Weßire, den Untergang. Weil nun der erſtere merket, daß das Un-
gewitter uͤber ſeinem Kopfe ausbrechen werde: ſo ſchiebet er, auf Anrathen Kjuͤ-
prili Muſtaͤfa Paſchas, alle Schuld auf den Weßir
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, und laͤſſet ausſprengen;
der Weßir habe dieſes aus eigener Gewalt, ohne des Sultans Wiſſenſchaft oder
Befehl, unternommen.
9. Um nun ſeinen Worten Glauben zu erwerben, ſetzte er denſelben
von ſeinem Amte ab und verwies ihn nach Rhodes: hingegen machte er Tekkjur-
dagi Muſtaͤfa Paſcha an ſeine Stelle zum Weßire. Die traurigen Wirkungen
dieſer Flammen breiteten ſich von dem kaiſerlichen Sitze auch in die uͤbrigen
Landſchaften aus.
Tekkjurdagi
Muſtaͤfa Paſcha
wird an deſſen
Stelle Weßir.
10. Als Egen Osman Paſcha
⁹
in Rumilien vernahm, daß Muhaͤm-
med abgeſetzet und Suͤlejman ihm in der Regierung gefolget ſey: ſo brachte er
einen anſehnlichen Haufen Sipahi zuſammen, und verhetzte dieſelben, daß ſie mit
gemein-
den Weßir ſchieben und denſelben dem er-
grimmten Volke aufopfern. Dieſes Huͤlfs-
mittel iſt ſelten ohne gute Wirkung befunden
worden; ja es wuͤrde gar niemals fehl ſchla-
gen: wenn nicht die Sultane aus allzu großer
Liebe gegen die Weßire unterließen, dieſelben
zu beſtrafen und das misvergnuͤgte Volk durch
andere dienliche Linderungsmittel zu beſaͤnfti-
gen. Denn viele Perſonen von Einſicht glau-
ben, die Tuͤrken wuͤrden nimmermehr ſo weit
gegangen ſeyn, daß ſie den Sultan Muhaͤm-
med den IIII‚ einen Fuͤrſten, der wegen ſei-
ner langen Regierung und vielen Siege zu
großem Anſehen gelanget war, abgeſetzet haͤt-
ten: wenn dieſer nicht allzu ſehr darauf ver-
ſeſſen geweſen waͤre, Ajnadſchi Suͤlejman
Paſcha zu beſchuͤtzen (da doch derſelbe nach
der Gewohnheit der Tuͤrken ſeinen Kopf ver-
wirket hatte, weil er im Jahre 1686 die Kai-
ſerlichen in ſeinem Angeſichte Belgrad einneh-
men ließe, und dieſe ihn hernach bey Sikloſch
ſchlugen), und nicht ſo lange gewartet haͤtte,
ihn umbringen zu laſſen, bis die Sachen ſchon
zu weit gekommen geweſen. So wuͤrde auch
Muſtaͤfa nicht ausgeſtoßen worden ſeyn:
wenn derſelbe nur Rami Mehemmed Paſcha
und den Muͤfti, nebſt ihren Soͤhnen, in der
Aufruͤhrer Haͤnde gegeben haͤtte.
⁹ Egen Osman Paſcha] Ein Mann,
der wegen ſeiner Raͤubereyen in Aſien beruͤch-
tiget iſt. Er wurde anfangs in der Nach-
barſchaft von Kaßdagi zum Paſcha von zwee-
nen Roßſchweifen beſtellet. Als aber das
osmaniſche Reich ſowol von innen, als von
außen, erbaͤrmlich zerruͤttet wurde: ſo pluͤn-
derte er mit ſeinen unterhabenden Truppen,
die fuͤr die tapferſten in ganz Aſien gehalten
wurden, alle die angrenzenden Laͤnder aus;
ja, er drohete ſo gar, Ueskjuͤdar und den kai-
ſerlichen Hauptſitz ſelbſt zu verwuͤſten. End-
lich aber wurde er mit dem Sultane Suͤlej-
man
Egen Paſcha
wird in Rumi-
lien, und Gjeduͤkj
Paſcha in Aſien
aufruͤhriſch.
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