durch den Defterdar und den Gjümrükjtschi, Husejn Aga 90, auszahlen lassen.
Der Sultan beschützet den Weßir, und bah- net sich dadurch den Weg zu sei- nem eigenen Un-tergange.
180.
Als dieses Schreiben zu Constantinopel anlangte: so setzte dasselbe den Sultan in die äußerste Bestürzung. Verschiedene von seinen vertrautesten Räthen redeten ihm zu: er sollte dem Begehren der Soldaten Genüge leisten und den Weßir umbringen lassen, es möchte derselbe gleich schuldig oder unschul- dig seyn, um nur sein eigenes Ansehen in Sicherheit zu setzen. Sie machten da- bey die Anmerkung: es seyen verschiedene Feldhauptleute bey dem Heere, die Sülejman Pascha an Verdiensten wol noch überträfen; und man habe daher nicht Ursache zu fürchten, daß der Tod eines einzigen Mannes dem ganzen osma- nischen Reiche den Untergang bringen werde. Dessen ungeachtet vermochte die Gewogenheit des Sultans gegen den Weßir und die Meinung, die er von dessen Geschicklichkeit gefasset hatte, mehr bey demselben, als alle andere Betrachtun- gen. Er beschloß daher, denselben gegen alle Vorfälle zu beschützen, und ertheilte auf das Aerßmähßär des Heeres keine weitere Antwort, als: daß das Geld zu ihrer Bezahlung bereits abgesendet wäre, und in kurzem unter sie sollte ausge- theilet werden. Des Weßirs übele Aufführung aber überging derselbe mit Stilleschweigen, in Hoffnung, die Soldaten würden bey Erblickung des Gel- des sich besänftigen lassen, ihren Unwillen ablegen (weil die Ausbleibung des Soldes, allem Ansehen nach, sie hauptsächlich gegen den Weßir aufgebracht hatte), und sich wieder zum Gehorsam bequemen. Allein, die Soldaten waren mit dem Gelde nicht zufrieden, sondern riefen aus: der Sultan sey eben so schuldig, als der Weßir, daher es komme, daß man ihn beschütze und die gerechten For- derungen des Heeres nicht hören wolle; es sey also gegen den unglückseligen Zu- stand der osmanischen Sachen kein anderes Mittel übrig, als den Sultan abzu- setzen und dessen böse Rathgeber zu bestrafen.
[Spaltenumbruch]
90 Gjümrükjtschi, Husejn Aga] Was Gjümrükjtschi ist: das habe ich bereits oben* erkläret. Dieser Husejn Aga war einer der reichsten Personen unter den Türken, und stun- de bey dem Sultane Muhämmed in großem Ansehen und Gnaden. Es ging fast keine Woche vorbey, daß der Sultan nicht in sei- nem Hause speisete. Er hatte ein Haus in der [Spaltenumbruch] Vorstadt Pera, Funduklü2* genennet, fast gerade gegen des Kaisers Palaste über, und es waren verschiedene dazu gehörige Zimmer mit großen Kosten über das Meer von Mar- mora übergebauet. Von den Fenstern dieser Zimmer aus pflegte der Sultan manchmal zu fischen, und das, was er gefangen hatte, zum Zeichen seiner Gnade, durch seine Kämmer-
181. Da
* 219 S. 7 Anm. und 494 S. 64 Anm.
2* von Funduk, eine Herberge.
Osmaniſche Geſchichte
durch den Defterdar und den Gjuͤmruͤkjtſchi, Huſejn Aga 90, auszahlen laſſen.
Der Sultan beſchuͤtzet den Weßir, und bah- net ſich dadurch den Weg zu ſei- nem eigenen Un-tergange.
180.
Als dieſes Schreiben zu Conſtantinopel anlangte: ſo ſetzte daſſelbe den Sultan in die aͤußerſte Beſtuͤrzung. Verſchiedene von ſeinen vertrauteſten Raͤthen redeten ihm zu: er ſollte dem Begehren der Soldaten Genuͤge leiſten und den Weßir umbringen laſſen, es moͤchte derſelbe gleich ſchuldig oder unſchul- dig ſeyn, um nur ſein eigenes Anſehen in Sicherheit zu ſetzen. Sie machten da- bey die Anmerkung: es ſeyen verſchiedene Feldhauptleute bey dem Heere, die Suͤlejman Paſcha an Verdienſten wol noch uͤbertraͤfen; und man habe daher nicht Urſache zu fuͤrchten, daß der Tod eines einzigen Mannes dem ganzen osma- niſchen Reiche den Untergang bringen werde. Deſſen ungeachtet vermochte die Gewogenheit des Sultans gegen den Weßir und die Meinung, die er von deſſen Geſchicklichkeit gefaſſet hatte, mehr bey demſelben, als alle andere Betrachtun- gen. Er beſchloß daher, denſelben gegen alle Vorfaͤlle zu beſchuͤtzen, und ertheilte auf das Aerßmaͤhßaͤr des Heeres keine weitere Antwort, als: daß das Geld zu ihrer Bezahlung bereits abgeſendet waͤre, und in kurzem unter ſie ſollte ausge- theilet werden. Des Weßirs uͤbele Auffuͤhrung aber uͤberging derſelbe mit Stilleſchweigen, in Hoffnung, die Soldaten wuͤrden bey Erblickung des Gel- des ſich beſaͤnftigen laſſen, ihren Unwillen ablegen (weil die Ausbleibung des Soldes, allem Anſehen nach, ſie hauptſaͤchlich gegen den Weßir aufgebracht hatte), und ſich wieder zum Gehorſam bequemen. Allein, die Soldaten waren mit dem Gelde nicht zufrieden, ſondern riefen aus: der Sultan ſey eben ſo ſchuldig, als der Weßir, daher es komme, daß man ihn beſchuͤtze und die gerechten For- derungen des Heeres nicht hoͤren wolle; es ſey alſo gegen den ungluͤckſeligen Zu- ſtand der osmaniſchen Sachen kein anderes Mittel uͤbrig, als den Sultan abzu- ſetzen und deſſen boͤſe Rathgeber zu beſtrafen.
[Spaltenumbruch]
90 Gjuͤmruͤkjtſchi, Huſejn Aga] Was Gjuͤmruͤkjtſchi iſt: das habe ich bereits oben* erklaͤret. Dieſer Huſejn Aga war einer der reichſten Perſonen unter den Tuͤrken, und ſtun- de bey dem Sultane Muhaͤmmed in großem Anſehen und Gnaden. Es ging faſt keine Woche vorbey, daß der Sultan nicht in ſei- nem Hauſe ſpeiſete. Er hatte ein Haus in der [Spaltenumbruch] Vorſtadt Pera, Fundukluͤ2* genennet, faſt gerade gegen des Kaiſers Palaſte uͤber, und es waren verſchiedene dazu gehoͤrige Zimmer mit großen Koſten uͤber das Meer von Mar- mora uͤbergebauet. Von den Fenſtern dieſer Zimmer aus pflegte der Sultan manchmal zu fiſchen, und das, was er gefangen hatte, zum Zeichen ſeiner Gnade, durch ſeine Kaͤmmer-
181. Da
* 219 S. 7 Anm. und 494 S. 64 Anm.
2* von Funduk, eine Herberge.
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Osmaniſche Geſchichte
durch den Defterdar und den Gjuͤmruͤkjtſchi, Huſejn Aga
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den Sultan in die aͤußerſte Beſtuͤrzung. Verſchiedene von ſeinen vertrauteſten
Raͤthen redeten ihm zu: er ſollte dem Begehren der Soldaten Genuͤge leiſten
und den Weßir umbringen laſſen, es moͤchte derſelbe gleich ſchuldig oder unſchul-
dig ſeyn, um nur ſein eigenes Anſehen in Sicherheit zu ſetzen. Sie machten da-
bey die Anmerkung: es ſeyen verſchiedene Feldhauptleute bey dem Heere, die
Suͤlejman Paſcha an Verdienſten wol noch uͤbertraͤfen; und man habe daher
nicht Urſache zu fuͤrchten, daß der Tod eines einzigen Mannes dem ganzen osma-
niſchen Reiche den Untergang bringen werde. Deſſen ungeachtet vermochte die
Gewogenheit des Sultans gegen den Weßir und die Meinung, die er von deſſen
Geſchicklichkeit gefaſſet hatte, mehr bey demſelben, als alle andere Betrachtun-
gen. Er beſchloß daher, denſelben gegen alle Vorfaͤlle zu beſchuͤtzen, und ertheilte
auf das Aerßmaͤhßaͤr des Heeres keine weitere Antwort, als: daß das Geld zu
ihrer Bezahlung bereits abgeſendet waͤre, und in kurzem unter ſie ſollte ausge-
theilet werden. Des Weßirs uͤbele Auffuͤhrung aber uͤberging derſelbe mit
Stilleſchweigen, in Hoffnung, die Soldaten wuͤrden bey Erblickung des Gel-
des ſich beſaͤnftigen laſſen, ihren Unwillen ablegen (weil die Ausbleibung des
Soldes, allem Anſehen nach, ſie hauptſaͤchlich gegen den Weßir aufgebracht hatte),
und ſich wieder zum Gehorſam bequemen. Allein, die Soldaten waren mit
dem Gelde nicht zufrieden, ſondern riefen aus: der Sultan ſey eben ſo ſchuldig,
als der Weßir, daher es komme, daß man ihn beſchuͤtze und die gerechten For-
derungen des Heeres nicht hoͤren wolle; es ſey alſo gegen den ungluͤckſeligen Zu-
ſtand der osmaniſchen Sachen kein anderes Mittel uͤbrig, als den Sultan abzu-
ſetzen und deſſen boͤſe Rathgeber zu beſtrafen.
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⁹⁰ Gjuͤmruͤkjtſchi, Huſejn Aga] Was
Gjuͤmruͤkjtſchi iſt: das habe ich bereits oben *
erklaͤret. Dieſer Huſejn Aga war einer der
reichſten Perſonen unter den Tuͤrken, und ſtun-
de bey dem Sultane Muhaͤmmed in großem
Anſehen und Gnaden. Es ging faſt keine
Woche vorbey, daß der Sultan nicht in ſei-
nem Hauſe ſpeiſete. Er hatte ein Haus in der
Vorſtadt Pera, Fundukluͤ 2* genennet, faſt
gerade gegen des Kaiſers Palaſte uͤber, und
es waren verſchiedene dazu gehoͤrige Zimmer
mit großen Koſten uͤber das Meer von Mar-
mora uͤbergebauet. Von den Fenſtern dieſer
Zimmer aus pflegte der Sultan manchmal zu
fiſchen, und das, was er gefangen hatte, zum
Zeichen ſeiner Gnade, durch ſeine Kaͤmmer-
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* 219 S. 7 Anm. und 494 S. 64 Anm.
2* von Funduk, eine Herberge.
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 550. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/658>, abgerufen am 23.11.2024.
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