dieses seine That aus eigenem Vorsatze; der Venetianer aber ihre bey Gele- genheit ist ausgeübet worden.
Die Türken fal- len in Dalma- tien ein, iedoch ohne etwas dar- innen auszurich-ten.
173.
In Dalmatien begonnen die Türken den Feldzug zuerst, und be- lagerten unter Anführung des Statthalters von Bosnien, Atlaglik Paschas, am ersten des Monats Dschemaßiül ewwel, die Festung Ssing, die Cornaro im vorigen Jahre eingenommen hatte, und bestürmeten dieselbe vierzig Tage lang mit großer Tapferkeit und Eifer. Endlich aber wurden sie, nachdem sie eine große Anzahl ihrer Leute eingebüßet hatten, bey Annäherung des venetianischen Heeres am zehenten des folgenden Monats genöthiget, wieder abzuziehen.
Cornaro schlä- get die Türken, und erobert dieneue Festung.
174.
Auf der andern Seite hingegen belagerte Cornaro, mit Hülfe der maltesischen und päbstlichen Flote, die neue Festung in Dalmatien, am fünf und zwanzigsten des Monats Schewwal. Der Pascha von Bosnien eilete herbey, diese Stadt zu entsetzen; drang durch die engen Pässe, die mit Morlaken besetzt waren, und griff am achten des Monats Ssülhidschdsche die Venetianer in ihren Linien mit solcher Hitze an, daß er die Truppen, die dieselben vertheidigten, unfehlbar würde geschlagen haben: wenn nicht Cornaro mit dem übrigen Heere und den maltesischen Hülfsvölkern sie noch zu rechter Zeit unterstützet hätte, als sie schon anfingen zu weichen. Allein, bey dessen Annäherung veränderte sich der Schauplatz dergestalt, daß die Türken, die eben zuvor die Oberhand gehabt hatten, nach einem kurzen und blutigen Gefechte genöthiget wurden, die Flucht zu ergreifen. Ungeachtet nun die Besatzung sahe, daß ihre Partey geschlagen war: so vertheidigte sie sich doch mit großer Tapferkeit. Endlich aber, nach- dem die Venetianer die Stadt am ein und zwanzigsten des Monats Ssülhidsch- dsche mit Sturm erobert hatten, überlegten diejenigen, die in das Schloß ent- ronnen waren, daß zu ihrer Errettung alle Hoffnung verloren seyn würde, wenn sie sich noch länger widersetzten; und übergaben also am dritten Tage darauf auch das Schloß.
Das türkische Heer geräth in einen Aufruhrgegen den Weßir.
175.
Mittlerweile entstund in dem türkischen Heere von einer schlechten Ursache ein sehr großer Aufruhr, dadurch nicht allein der Sultan seiner kaiser- [Spaltenumbruch]
85 Sijawusch Pascha] Ein Mann, der weder von der Geburt noch einiger Art der Verdienste den mindesten Vorzug hatte, und vor dieser Begebenheit ein bloßer Ball [Spaltenumbruch] des Glücks gewesen war. Drey Jahre vor diesem Feldzuge war er bey Kara Kjihaja Tschokadar* gewesen. Als er nachher zu der Würde eines Paschas erhoben wurde: so
lichen
* Kleiderbewahrer.
Osmaniſche Geſchichte
dieſes ſeine That aus eigenem Vorſatze; der Venetianer aber ihre bey Gele- genheit iſt ausgeuͤbet worden.
Die Tuͤrken fal- len in Dalma- tien ein, iedoch ohne etwas dar- innen auszurich-ten.
173.
In Dalmatien begonnen die Tuͤrken den Feldzug zuerſt, und be- lagerten unter Anfuͤhrung des Statthalters von Bosnien, Atlaglik Paſchas, am erſten des Monats Dſchemaßiuͤl ewwel, die Feſtung Sſing, die Cornaro im vorigen Jahre eingenommen hatte, und beſtuͤrmeten dieſelbe vierzig Tage lang mit großer Tapferkeit und Eifer. Endlich aber wurden ſie, nachdem ſie eine große Anzahl ihrer Leute eingebuͤßet hatten, bey Annaͤherung des venetianiſchen Heeres am zehenten des folgenden Monats genoͤthiget, wieder abzuziehen.
Cornaro ſchlaͤ- get die Tuͤrken, und erobert dieneue Feſtung.
174.
Auf der andern Seite hingegen belagerte Cornaro, mit Huͤlfe der malteſiſchen und paͤbſtlichen Flote, die neue Feſtung in Dalmatien, am fuͤnf und zwanzigſten des Monats Schewwal. Der Paſcha von Bosnien eilete herbey, dieſe Stadt zu entſetzen; drang durch die engen Paͤſſe, die mit Morlaken beſetzt waren, und griff am achten des Monats Sſuͤlhidſchdſche die Venetianer in ihren Linien mit ſolcher Hitze an, daß er die Truppen, die dieſelben vertheidigten, unfehlbar wuͤrde geſchlagen haben: wenn nicht Cornaro mit dem uͤbrigen Heere und den malteſiſchen Huͤlfsvoͤlkern ſie noch zu rechter Zeit unterſtuͤtzet haͤtte, als ſie ſchon anfingen zu weichen. Allein, bey deſſen Annaͤherung veraͤnderte ſich der Schauplatz dergeſtalt, daß die Tuͤrken, die eben zuvor die Oberhand gehabt hatten, nach einem kurzen und blutigen Gefechte genoͤthiget wurden, die Flucht zu ergreifen. Ungeachtet nun die Beſatzung ſahe, daß ihre Partey geſchlagen war: ſo vertheidigte ſie ſich doch mit großer Tapferkeit. Endlich aber, nach- dem die Venetianer die Stadt am ein und zwanzigſten des Monats Sſuͤlhidſch- dſche mit Sturm erobert hatten, uͤberlegten diejenigen, die in das Schloß ent- ronnen waren, daß zu ihrer Errettung alle Hoffnung verloren ſeyn wuͤrde, wenn ſie ſich noch laͤnger widerſetzten; und uͤbergaben alſo am dritten Tage darauf auch das Schloß.
Das tuͤrkiſche Heer geraͤth in einen Aufruhrgegen den Weßir.
175.
Mittlerweile entſtund in dem tuͤrkiſchen Heere von einer ſchlechten Urſache ein ſehr großer Aufruhr, dadurch nicht allein der Sultan ſeiner kaiſer- [Spaltenumbruch]
85 Sijawuſch Paſcha] Ein Mann, der weder von der Geburt noch einiger Art der Verdienſte den mindeſten Vorzug hatte, und vor dieſer Begebenheit ein bloßer Ball [Spaltenumbruch] des Gluͤcks geweſen war. Drey Jahre vor dieſem Feldzuge war er bey Kara Kjihaja Tſchokadar* geweſen. Als er nachher zu der Wuͤrde eines Paſchas erhoben wurde: ſo
lichen
* Kleiderbewahrer.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0654"n="546"/><fwplace="top"type="header">Osmaniſche Geſchichte</fw><lb/>
dieſes ſeine That aus eigenem Vorſatze; der Venetianer aber ihre bey Gele-<lb/>
genheit iſt ausgeuͤbet worden.</p><lb/><noteplace="left">Die Tuͤrken fal-<lb/>
len in Dalma-<lb/>
tien ein, iedoch<lb/>
ohne etwas dar-<lb/>
innen auszurich-ten.</note></div><lb/><divn="3"><head>173.</head><p>In Dalmatien begonnen die Tuͤrken den Feldzug zuerſt, und be-<lb/>
lagerten unter Anfuͤhrung des Statthalters von Bosnien, Atlaglik Paſchas,<lb/>
am erſten des Monats Dſchemaßiuͤl ewwel, die Feſtung Sſing, die Cornaro<lb/>
im vorigen Jahre eingenommen hatte, und beſtuͤrmeten dieſelbe vierzig Tage lang<lb/>
mit großer Tapferkeit und Eifer. Endlich aber wurden ſie, nachdem ſie eine<lb/>
große Anzahl ihrer Leute eingebuͤßet hatten, bey Annaͤherung des venetianiſchen<lb/>
Heeres am zehenten des folgenden Monats genoͤthiget, wieder abzuziehen.</p><lb/><noteplace="left">Cornaro ſchlaͤ-<lb/>
get die Tuͤrken,<lb/>
und erobert dieneue Feſtung.</note></div><lb/><divn="3"><head>174.</head><p>Auf der andern Seite hingegen belagerte Cornaro, mit Huͤlfe der<lb/>
malteſiſchen und paͤbſtlichen Flote, die neue Feſtung in Dalmatien, am fuͤnf und<lb/>
zwanzigſten des Monats Schewwal. Der Paſcha von Bosnien eilete herbey,<lb/>
dieſe Stadt zu entſetzen; drang durch die engen Paͤſſe, die mit Morlaken beſetzt<lb/>
waren, und griff am achten des Monats Sſuͤlhidſchdſche die Venetianer in ihren<lb/>
Linien mit ſolcher Hitze an, daß er die Truppen, die dieſelben vertheidigten,<lb/>
unfehlbar wuͤrde geſchlagen haben: wenn nicht Cornaro mit dem uͤbrigen Heere<lb/>
und den malteſiſchen Huͤlfsvoͤlkern ſie noch zu rechter Zeit unterſtuͤtzet haͤtte, als<lb/>ſie ſchon anfingen zu weichen. Allein, bey deſſen Annaͤherung veraͤnderte ſich<lb/>
der Schauplatz dergeſtalt, daß die Tuͤrken, die eben zuvor die Oberhand gehabt<lb/>
hatten, nach einem kurzen und blutigen Gefechte genoͤthiget wurden, die Flucht<lb/>
zu ergreifen. Ungeachtet nun die Beſatzung ſahe, daß ihre Partey geſchlagen<lb/>
war: ſo vertheidigte ſie ſich doch mit großer Tapferkeit. Endlich aber, nach-<lb/>
dem die Venetianer die Stadt am ein und zwanzigſten des Monats Sſuͤlhidſch-<lb/>
dſche mit Sturm erobert hatten, uͤberlegten diejenigen, die in das Schloß ent-<lb/>
ronnen waren, daß zu ihrer Errettung alle Hoffnung verloren ſeyn wuͤrde, wenn<lb/>ſie ſich noch laͤnger widerſetzten; und uͤbergaben alſo am dritten Tage darauf<lb/>
auch das Schloß.</p><lb/><noteplace="left">Das tuͤrkiſche<lb/>
Heer geraͤth in<lb/>
einen Aufruhrgegen den Weßir.</note></div><lb/><divn="3"><head>175.</head><p>Mittlerweile entſtund in dem tuͤrkiſchen Heere von einer ſchlechten<lb/>
Urſache ein ſehr großer Aufruhr, dadurch nicht allein der Sultan ſeiner kaiſer-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">lichen</fw><lb/><cbn="1"/><lb/><notexml:id="M654"next="#M655"place="end"n="85">Sijawuſch Paſcha] Ein Mann,<lb/>
der weder von der Geburt noch einiger Art<lb/>
der Verdienſte den mindeſten Vorzug hatte,<lb/>
und vor dieſer Begebenheit ein bloßer Ball<lb/><cbn="2"/><lb/>
des Gluͤcks geweſen war. Drey Jahre vor<lb/>
dieſem Feldzuge war er bey Kara Kjihaja<lb/>
Tſchokadar<noteplace="foot"n="*">Kleiderbewahrer.</note> geweſen. Als er nachher zu der<lb/>
Wuͤrde eines Paſchas erhoben wurde: ſo<lb/><fwplace="bottom"type="catch">wuchs</fw></note><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[546/0654]
Osmaniſche Geſchichte
dieſes ſeine That aus eigenem Vorſatze; der Venetianer aber ihre bey Gele-
genheit iſt ausgeuͤbet worden.
173. In Dalmatien begonnen die Tuͤrken den Feldzug zuerſt, und be-
lagerten unter Anfuͤhrung des Statthalters von Bosnien, Atlaglik Paſchas,
am erſten des Monats Dſchemaßiuͤl ewwel, die Feſtung Sſing, die Cornaro
im vorigen Jahre eingenommen hatte, und beſtuͤrmeten dieſelbe vierzig Tage lang
mit großer Tapferkeit und Eifer. Endlich aber wurden ſie, nachdem ſie eine
große Anzahl ihrer Leute eingebuͤßet hatten, bey Annaͤherung des venetianiſchen
Heeres am zehenten des folgenden Monats genoͤthiget, wieder abzuziehen.
174. Auf der andern Seite hingegen belagerte Cornaro, mit Huͤlfe der
malteſiſchen und paͤbſtlichen Flote, die neue Feſtung in Dalmatien, am fuͤnf und
zwanzigſten des Monats Schewwal. Der Paſcha von Bosnien eilete herbey,
dieſe Stadt zu entſetzen; drang durch die engen Paͤſſe, die mit Morlaken beſetzt
waren, und griff am achten des Monats Sſuͤlhidſchdſche die Venetianer in ihren
Linien mit ſolcher Hitze an, daß er die Truppen, die dieſelben vertheidigten,
unfehlbar wuͤrde geſchlagen haben: wenn nicht Cornaro mit dem uͤbrigen Heere
und den malteſiſchen Huͤlfsvoͤlkern ſie noch zu rechter Zeit unterſtuͤtzet haͤtte, als
ſie ſchon anfingen zu weichen. Allein, bey deſſen Annaͤherung veraͤnderte ſich
der Schauplatz dergeſtalt, daß die Tuͤrken, die eben zuvor die Oberhand gehabt
hatten, nach einem kurzen und blutigen Gefechte genoͤthiget wurden, die Flucht
zu ergreifen. Ungeachtet nun die Beſatzung ſahe, daß ihre Partey geſchlagen
war: ſo vertheidigte ſie ſich doch mit großer Tapferkeit. Endlich aber, nach-
dem die Venetianer die Stadt am ein und zwanzigſten des Monats Sſuͤlhidſch-
dſche mit Sturm erobert hatten, uͤberlegten diejenigen, die in das Schloß ent-
ronnen waren, daß zu ihrer Errettung alle Hoffnung verloren ſeyn wuͤrde, wenn
ſie ſich noch laͤnger widerſetzten; und uͤbergaben alſo am dritten Tage darauf
auch das Schloß.
175. Mittlerweile entſtund in dem tuͤrkiſchen Heere von einer ſchlechten
Urſache ein ſehr großer Aufruhr, dadurch nicht allein der Sultan ſeiner kaiſer-
lichen
⁸⁵ Sijawuſch Paſcha] Ein Mann,
der weder von der Geburt noch einiger Art
der Verdienſte den mindeſten Vorzug hatte,
und vor dieſer Begebenheit ein bloßer Ball
des Gluͤcks geweſen war. Drey Jahre vor
dieſem Feldzuge war er bey Kara Kjihaja
Tſchokadar * geweſen. Als er nachher zu der
Wuͤrde eines Paſchas erhoben wurde: ſo
wuchs
* Kleiderbewahrer.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 546. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/654>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.