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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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19. Muhämmed der IIII
sey nicht hinlänglich, Leute zu ihrer Schuldigkeit anzuhalten, die eher zur Flucht
oder zum Aufruhre, als zum Fechten, geneigt zu seyn schienen. Der Sultan
wird durch diese Rede beweget, so daß er einige Zeit stille schweiget und sich
besinnet. Als dieses Kißlar Aga merket, der schon lange Zeit her des Weßirs
Feind und Sülejmans Freund gewesen war: so saget er; "Warum stehet
"ihr noch bey euch an, o Kaiser? Wenn ihr den Rath des Seräskjers für
"gerecht und klug erkennet: was hindert euch doch, daß ihr nicht unverzüglich
"das Heilungsmittel gegen dieses Uebel gebrauchet? Entsetzet Kara Ibra-
"him Pascha seiner Würde, unter dessen vorgegebener oder wirklicher Unbäß-
"lichkeit das Reich schmachtet, und machet diesen Helden zum Seräskjer und
"Weßir zugleich." Durch diese Vorstellungen des Kißlar Agas wird der
Verdacht, den der Sultan bereits gegen den Weßir geschöpfet hatte, vermehret;
und bald darauf so stark, daß er festiglich glaubte, Kara Ibrahim Pascha habe
sich nur aus Feigheit krank gestellet. Er setzte ihn daher von seinem Posten
herunter, und gab denselben Sülejman Pascha.

132.

Da Sülejman sich nunmehr in dem Stande sahe, daß er nicht alleinSülejman wird
zum Weßir erklä-
ret; verweiset
seinen Vorweser,
und setzet Teö-
keöli wieder in
den vorigen
Stand. Dieser
wird daher von
allen Verbrechen
losgesprochen,
und gelanget
wieder zu seiner
vorigen Würde.

dem Netze, das ihm sein Feind gestellet hatte, entgangen war; sondern auch
die Verwaltung des ganzen osmanischen Reiches erhalten hatte: so bemäch-
tiget er sich ungesäumt seines Vorwesers; und weil er befand, daß derselbe ver-
schiedener Verbrechen schuldig war: so verwiese er ihn nach Rhodes. Hierauf
stellete er Teökeöli auf freyen Fuß, den Kara Ibrahim Pascha, wie oben erwäh-
net worden, hatte gefangen setzen lassen, und sprach denselben auf das Zeugniß
Ibrahim Agas, eines gewesenen Kämmerlings Kara Mustäfa Paschas, von
dem ihm aufgebürdeten Verbrechen los. Anderer Seite legte er alle die leicht-
fertigen Thaten Kara Mustäfas, und dessen verderbliche Anschläge gegen das
osmanische Reich, iedermann öffentlich vor Augen: so daß Teökeöli nicht allein
in seine vorige Würde wieder eingesetzet; sondern auch alles sein Rüst- und
Reisezeug, das ihm war genommen worden, und alles, was die räuberischen
Soldaten von ihm geplündert hatten, ihm wieder zurück gegeben und erstattet
[Spaltenumbruch]

ihm fürchteten, als er sich vor den Weßiren
fürchtete. Er war also die vornehmste und
einzige Ursache, daß Kara Ibrahim Pascha
abgesetzet wurde. Kein Kißlar Aga, weder
vor noch nach ihm, hat einen so großen Schatz
zusammen gebracht, oder eine solche Gewalt
über den Sultan gehabt. Als er abgeschaffet
wurde: so fand man in seinen Marställen
[Spaltenumbruch]
sieben hundert arabische Pferde. Er hatte in
der Stadt noch einen Palast für sich: und
wann er sich dahin begab: so hatte er mehr
Bedienten zur Begleitung, als der Weßir
selbst. Bey dem allem aber war er ein Mann,
der große Klugheit besaß, und seinem Herrn
auf vielerley Weise sehr gute Dienste that.

wurde.

19. Muhaͤmmed der IIII
ſey nicht hinlaͤnglich, Leute zu ihrer Schuldigkeit anzuhalten, die eher zur Flucht
oder zum Aufruhre, als zum Fechten, geneigt zu ſeyn ſchienen. Der Sultan
wird durch dieſe Rede beweget, ſo daß er einige Zeit ſtille ſchweiget und ſich
beſinnet. Als dieſes Kißlar Aga merket, der ſchon lange Zeit her des Weßirs
Feind und Suͤlejmans Freund geweſen war: ſo ſaget er; “Warum ſtehet
“ihr noch bey euch an, o Kaiſer? Wenn ihr den Rath des Seraͤskjers fuͤr
“gerecht und klug erkennet: was hindert euch doch, daß ihr nicht unverzuͤglich
“das Heilungsmittel gegen dieſes Uebel gebrauchet? Entſetzet Kara Ibra-
“him Paſcha ſeiner Wuͤrde, unter deſſen vorgegebener oder wirklicher Unbaͤß-
“lichkeit das Reich ſchmachtet, und machet dieſen Helden zum Seraͤskjer und
“Weßir zugleich.„ Durch dieſe Vorſtellungen des Kißlar Agas wird der
Verdacht, den der Sultan bereits gegen den Weßir geſchoͤpfet hatte, vermehret;
und bald darauf ſo ſtark, daß er feſtiglich glaubte, Kara Ibrahim Paſcha habe
ſich nur aus Feigheit krank geſtellet. Er ſetzte ihn daher von ſeinem Poſten
herunter, und gab denſelben Suͤlejman Paſcha.

132.

Da Suͤlejman ſich nunmehr in dem Stande ſahe, daß er nicht alleinSuͤlejman wird
zum Weßir erklaͤ-
ret; verweiſet
ſeinen Vorweſer,
und ſetzet Teoͤ-
keoͤli wieder in
den vorigen
Stand. Dieſer
wird daher von
allen Verbrechen
losgeſprochen,
und gelanget
wieder zu ſeiner
vorigen Wuͤrde.

dem Netze, das ihm ſein Feind geſtellet hatte, entgangen war; ſondern auch
die Verwaltung des ganzen osmaniſchen Reiches erhalten hatte: ſo bemaͤch-
tiget er ſich ungeſaͤumt ſeines Vorweſers; und weil er befand, daß derſelbe ver-
ſchiedener Verbrechen ſchuldig war: ſo verwieſe er ihn nach Rhodes. Hierauf
ſtellete er Teoͤkeoͤli auf freyen Fuß, den Kara Ibrahim Paſcha, wie oben erwaͤh-
net worden, hatte gefangen ſetzen laſſen, und ſprach denſelben auf das Zeugniß
Ibrahim Agas, eines geweſenen Kaͤmmerlings Kara Muſtaͤfa Paſchas, von
dem ihm aufgebuͤrdeten Verbrechen los. Anderer Seite legte er alle die leicht-
fertigen Thaten Kara Muſtaͤfas, und deſſen verderbliche Anſchlaͤge gegen das
osmaniſche Reich, iedermann oͤffentlich vor Augen: ſo daß Teoͤkeoͤli nicht allein
in ſeine vorige Wuͤrde wieder eingeſetzet; ſondern auch alles ſein Ruͤſt- und
Reiſezeug, das ihm war genommen worden, und alles, was die raͤuberiſchen
Soldaten von ihm gepluͤndert hatten, ihm wieder zuruͤck gegeben und erſtattet
[Spaltenumbruch]

ihm fuͤrchteten, als er ſich vor den Weßiren
fuͤrchtete. Er war alſo die vornehmſte und
einzige Urſache, daß Kara Ibrahim Paſcha
abgeſetzet wurde. Kein Kißlar Aga, weder
vor noch nach ihm, hat einen ſo großen Schatz
zuſammen gebracht, oder eine ſolche Gewalt
uͤber den Sultan gehabt. Als er abgeſchaffet
wurde: ſo fand man in ſeinen Marſtaͤllen
[Spaltenumbruch]
ſieben hundert arabiſche Pferde. Er hatte in
der Stadt noch einen Palaſt fuͤr ſich: und
wann er ſich dahin begab: ſo hatte er mehr
Bedienten zur Begleitung, als der Weßir
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der große Klugheit beſaß, und ſeinem Herrn
auf vielerley Weiſe ſehr gute Dienſte that.

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[519/0627] 19. Muhaͤmmed der IIII ſey nicht hinlaͤnglich, Leute zu ihrer Schuldigkeit anzuhalten, die eher zur Flucht oder zum Aufruhre, als zum Fechten, geneigt zu ſeyn ſchienen. Der Sultan wird durch dieſe Rede beweget, ſo daß er einige Zeit ſtille ſchweiget und ſich beſinnet. Als dieſes Kißlar Aga merket, der ſchon lange Zeit her des Weßirs Feind und Suͤlejmans Freund geweſen war: ſo ſaget er; “Warum ſtehet “ihr noch bey euch an, o Kaiſer? Wenn ihr den Rath des Seraͤskjers fuͤr “gerecht und klug erkennet: was hindert euch doch, daß ihr nicht unverzuͤglich “das Heilungsmittel gegen dieſes Uebel gebrauchet? Entſetzet Kara Ibra- “him Paſcha ſeiner Wuͤrde, unter deſſen vorgegebener oder wirklicher Unbaͤß- “lichkeit das Reich ſchmachtet, und machet dieſen Helden zum Seraͤskjer und “Weßir zugleich.„ Durch dieſe Vorſtellungen des Kißlar Agas wird der Verdacht, den der Sultan bereits gegen den Weßir geſchoͤpfet hatte, vermehret; und bald darauf ſo ſtark, daß er feſtiglich glaubte, Kara Ibrahim Paſcha habe ſich nur aus Feigheit krank geſtellet. Er ſetzte ihn daher von ſeinem Poſten herunter, und gab denſelben Suͤlejman Paſcha. 132. Da Suͤlejman ſich nunmehr in dem Stande ſahe, daß er nicht allein dem Netze, das ihm ſein Feind geſtellet hatte, entgangen war; ſondern auch die Verwaltung des ganzen osmaniſchen Reiches erhalten hatte: ſo bemaͤch- tiget er ſich ungeſaͤumt ſeines Vorweſers; und weil er befand, daß derſelbe ver- ſchiedener Verbrechen ſchuldig war: ſo verwieſe er ihn nach Rhodes. Hierauf ſtellete er Teoͤkeoͤli auf freyen Fuß, den Kara Ibrahim Paſcha, wie oben erwaͤh- net worden, hatte gefangen ſetzen laſſen, und ſprach denſelben auf das Zeugniß Ibrahim Agas, eines geweſenen Kaͤmmerlings Kara Muſtaͤfa Paſchas, von dem ihm aufgebuͤrdeten Verbrechen los. Anderer Seite legte er alle die leicht- fertigen Thaten Kara Muſtaͤfas, und deſſen verderbliche Anſchlaͤge gegen das osmaniſche Reich, iedermann oͤffentlich vor Augen: ſo daß Teoͤkeoͤli nicht allein in ſeine vorige Wuͤrde wieder eingeſetzet; ſondern auch alles ſein Ruͤſt- und Reiſezeug, das ihm war genommen worden, und alles, was die raͤuberiſchen Soldaten von ihm gepluͤndert hatten, ihm wieder zuruͤck gegeben und erſtattet wurde. ihm fuͤrchteten, als er ſich vor den Weßiren fuͤrchtete. Er war alſo die vornehmſte und einzige Urſache, daß Kara Ibrahim Paſcha abgeſetzet wurde. Kein Kißlar Aga, weder vor noch nach ihm, hat einen ſo großen Schatz zuſammen gebracht, oder eine ſolche Gewalt uͤber den Sultan gehabt. Als er abgeſchaffet wurde: ſo fand man in ſeinen Marſtaͤllen ſieben hundert arabiſche Pferde. Er hatte in der Stadt noch einen Palaſt fuͤr ſich: und wann er ſich dahin begab: ſo hatte er mehr Bedienten zur Begleitung, als der Weßir ſelbſt. Bey dem allem aber war er ein Mann, der große Klugheit beſaß, und ſeinem Herrn auf vielerley Weiſe ſehr gute Dienſte that. Suͤlejman wird zum Weßir erklaͤ- ret; verweiſet ſeinen Vorweſer, und ſetzet Teoͤ- keoͤli wieder in den vorigen Stand. Dieſer wird daher von allen Verbrechen losgeſprochen, und gelanget wieder zu ſeiner vorigen Wuͤrde.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 519. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/627>, abgerufen am 22.11.2024.