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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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19. Muhämmed der IIII
heit und das Glück seines Weßirs, und ergetzte sich inzwischen in der Gegend
Despot Tajlasi mit Jagen: er wußte also von nichts, was bey dem Heere oder
im State vorging, außer was ihm die Boten, die der Weßir an ihn abschickte,
für Nachrichten mitbrachten. Weil nun dieser ihn versicherte, daß Wien be-
reits auf das Aeußerste gebracht sey, und sich kaum noch wenige Tage würde
halten können; daß von den Feinden nichts zu befürchten sey, denn diese wären
durch die osmanischen Waffen dergestalt in Schrecken gesetzet worden, daß sie
nicht allein die Belagerung von Wiwar, ehe noch einmal das müsülmanische
Heer angerücket, aufgehoben; sondern auch ihre Truppen in einer gewissen
Weite von der Stadt hinter Verschanzungen verstecket hätten: so begab sich der
Sultan näher nach Constantinopel zu, und war willens, in den Gegenden um
diese Stadt zu jagen, mit dem Vorsatze: wann er die angenehme Zeitung von
Eroberung der Hauptstadt in Deutschland erhielte; damit er alsdann in der
Nähe seines Hauptsitzes seyn und diesen Sieg mit desto größerer Pracht und
Herrlichkeit feiern möchte. Da er aber die Niederlage seines Heeres und die
Menge der Erschlagenen in demselben vernahm: so kehrete er mit Widerwillen
nach Constantinopel, nicht den Triumph zu begehen, damit er sich bisher ge-
schmeichelt hatte; sondern dem State in dieser Noth mit seiner Gegenwart bey-
zustehen und die Aufrührischen im Zaume zu halten, von denen, wie er wohl
wußte, das gemeine Volk bey gegenwärtiger Gelegenheit sich leicht zu einem
Aufstande möchte bewegen lassen.

91.

Nicht lange hernach erhielt derselbe Briefe von dem Weßire, derEntschuldigung
des Weßirs ge-
gen den Sultan.

sich nach Ofen gerettet hatte, darinnen ein umständlicher Bericht von den Ver-
richtungen des ganzen Feldzuges enthalten war. Der Weßir stellete daselbst
die Beschwerlichkeiten vor, die er erduldet habe, um das Reich zu vertheidigen
und zu erweitern, und mit was für Eifer er bemühet gewesen sey, eine so feste
und hartnäckige Stadt zu bezwingen. Der glückliche Anfang der Belagerung
[Spaltenumbruch]

von einem silbernen Sadirwan oder Spring-
brunnen gemacht hatte, der vier und zwanzig
Stunden lang in einem fort sprang: so wur-
de er zu dem Fürstenthume Moldau erhoben.
Bald darauf nahm man ihm dasselbe wieder;
er wurde aber nach Dukas Gefangennehmung
zum andernmale in diese Würde eingesetzet.
Zuletzt, als ihn der Seräskjer von Silistria,
Ajnadschi Sülejman Pascha, wegen seiner
[Spaltenumbruch]
Unerfahrenheit in Kriegssachen, absetzte und
nach Constantinopel sendete: so wurde er bey
seiner Ankunft daselbst von dem Kaimmäkam
mit solchen harten Worten empfangen, daß
er vor Schrecken ein Adergewächse (Poly-
pus
) im Nacken bekam, daran er drey Tage
hernach im Gefängnisse starb. Die Mol-
dauer rechnen ihn unter ihre grausamen
Fürsten.

habe
3 Q

19. Muhaͤmmed der IIII
heit und das Gluͤck ſeines Weßirs, und ergetzte ſich inzwiſchen in der Gegend
Deſpot Tajlaſi mit Jagen: er wußte alſo von nichts, was bey dem Heere oder
im State vorging, außer was ihm die Boten, die der Weßir an ihn abſchickte,
fuͤr Nachrichten mitbrachten. Weil nun dieſer ihn verſicherte, daß Wien be-
reits auf das Aeußerſte gebracht ſey, und ſich kaum noch wenige Tage wuͤrde
halten koͤnnen; daß von den Feinden nichts zu befuͤrchten ſey, denn dieſe waͤren
durch die osmaniſchen Waffen dergeſtalt in Schrecken geſetzet worden, daß ſie
nicht allein die Belagerung von Wiwar, ehe noch einmal das muͤſuͤlmaniſche
Heer angeruͤcket, aufgehoben; ſondern auch ihre Truppen in einer gewiſſen
Weite von der Stadt hinter Verſchanzungen verſtecket haͤtten: ſo begab ſich der
Sultan naͤher nach Conſtantinopel zu, und war willens, in den Gegenden um
dieſe Stadt zu jagen, mit dem Vorſatze: wann er die angenehme Zeitung von
Eroberung der Hauptſtadt in Deutſchland erhielte; damit er alsdann in der
Naͤhe ſeines Hauptſitzes ſeyn und dieſen Sieg mit deſto groͤßerer Pracht und
Herrlichkeit feiern moͤchte. Da er aber die Niederlage ſeines Heeres und die
Menge der Erſchlagenen in demſelben vernahm: ſo kehrete er mit Widerwillen
nach Conſtantinopel, nicht den Triumph zu begehen, damit er ſich bisher ge-
ſchmeichelt hatte; ſondern dem State in dieſer Noth mit ſeiner Gegenwart bey-
zuſtehen und die Aufruͤhriſchen im Zaume zu halten, von denen, wie er wohl
wußte, das gemeine Volk bey gegenwaͤrtiger Gelegenheit ſich leicht zu einem
Aufſtande moͤchte bewegen laſſen.

91.

Nicht lange hernach erhielt derſelbe Briefe von dem Weßire, derEntſchuldigung
des Weßirs ge-
gen den Sultan.

ſich nach Ofen gerettet hatte, darinnen ein umſtaͤndlicher Bericht von den Ver-
richtungen des ganzen Feldzuges enthalten war. Der Weßir ſtellete daſelbſt
die Beſchwerlichkeiten vor, die er erduldet habe, um das Reich zu vertheidigen
und zu erweitern, und mit was fuͤr Eifer er bemuͤhet geweſen ſey, eine ſo feſte
und hartnaͤckige Stadt zu bezwingen. Der gluͤckliche Anfang der Belagerung
[Spaltenumbruch]

von einem ſilbernen Sadirwan oder Spring-
brunnen gemacht hatte, der vier und zwanzig
Stunden lang in einem fort ſprang: ſo wur-
de er zu dem Fuͤrſtenthume Moldau erhoben.
Bald darauf nahm man ihm daſſelbe wieder;
er wurde aber nach Dukas Gefangennehmung
zum andernmale in dieſe Wuͤrde eingeſetzet.
Zuletzt, als ihn der Seraͤskjer von Siliſtria,
Ajnadſchi Suͤlejman Paſcha, wegen ſeiner
[Spaltenumbruch]
Unerfahrenheit in Kriegsſachen, abſetzte und
nach Conſtantinopel ſendete: ſo wurde er bey
ſeiner Ankunft daſelbſt von dem Kaimmaͤkam
mit ſolchen harten Worten empfangen, daß
er vor Schrecken ein Adergewaͤchſe (Poly-
pus
) im Nacken bekam, daran er drey Tage
hernach im Gefaͤngniſſe ſtarb. Die Mol-
dauer rechnen ihn unter ihre grauſamen
Fuͤrſten.

habe
3 Q
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[489/0597] 19. Muhaͤmmed der IIII heit und das Gluͤck ſeines Weßirs, und ergetzte ſich inzwiſchen in der Gegend Deſpot Tajlaſi mit Jagen: er wußte alſo von nichts, was bey dem Heere oder im State vorging, außer was ihm die Boten, die der Weßir an ihn abſchickte, fuͤr Nachrichten mitbrachten. Weil nun dieſer ihn verſicherte, daß Wien be- reits auf das Aeußerſte gebracht ſey, und ſich kaum noch wenige Tage wuͤrde halten koͤnnen; daß von den Feinden nichts zu befuͤrchten ſey, denn dieſe waͤren durch die osmaniſchen Waffen dergeſtalt in Schrecken geſetzet worden, daß ſie nicht allein die Belagerung von Wiwar, ehe noch einmal das muͤſuͤlmaniſche Heer angeruͤcket, aufgehoben; ſondern auch ihre Truppen in einer gewiſſen Weite von der Stadt hinter Verſchanzungen verſtecket haͤtten: ſo begab ſich der Sultan naͤher nach Conſtantinopel zu, und war willens, in den Gegenden um dieſe Stadt zu jagen, mit dem Vorſatze: wann er die angenehme Zeitung von Eroberung der Hauptſtadt in Deutſchland erhielte; damit er alsdann in der Naͤhe ſeines Hauptſitzes ſeyn und dieſen Sieg mit deſto groͤßerer Pracht und Herrlichkeit feiern moͤchte. Da er aber die Niederlage ſeines Heeres und die Menge der Erſchlagenen in demſelben vernahm: ſo kehrete er mit Widerwillen nach Conſtantinopel, nicht den Triumph zu begehen, damit er ſich bisher ge- ſchmeichelt hatte; ſondern dem State in dieſer Noth mit ſeiner Gegenwart bey- zuſtehen und die Aufruͤhriſchen im Zaume zu halten, von denen, wie er wohl wußte, das gemeine Volk bey gegenwaͤrtiger Gelegenheit ſich leicht zu einem Aufſtande moͤchte bewegen laſſen. 91. Nicht lange hernach erhielt derſelbe Briefe von dem Weßire, der ſich nach Ofen gerettet hatte, darinnen ein umſtaͤndlicher Bericht von den Ver- richtungen des ganzen Feldzuges enthalten war. Der Weßir ſtellete daſelbſt die Beſchwerlichkeiten vor, die er erduldet habe, um das Reich zu vertheidigen und zu erweitern, und mit was fuͤr Eifer er bemuͤhet geweſen ſey, eine ſo feſte und hartnaͤckige Stadt zu bezwingen. Der gluͤckliche Anfang der Belagerung habe von einem ſilbernen Sadirwan oder Spring- brunnen gemacht hatte, der vier und zwanzig Stunden lang in einem fort ſprang: ſo wur- de er zu dem Fuͤrſtenthume Moldau erhoben. Bald darauf nahm man ihm daſſelbe wieder; er wurde aber nach Dukas Gefangennehmung zum andernmale in dieſe Wuͤrde eingeſetzet. Zuletzt, als ihn der Seraͤskjer von Siliſtria, Ajnadſchi Suͤlejman Paſcha, wegen ſeiner Unerfahrenheit in Kriegsſachen, abſetzte und nach Conſtantinopel ſendete: ſo wurde er bey ſeiner Ankunft daſelbſt von dem Kaimmaͤkam mit ſolchen harten Worten empfangen, daß er vor Schrecken ein Adergewaͤchſe (Poly- pus) im Nacken bekam, daran er drey Tage hernach im Gefaͤngniſſe ſtarb. Die Mol- dauer rechnen ihn unter ihre grauſamen Fuͤrſten. Entſchuldigung des Weßirs ge- gen den Sultan. 3 Q

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 489. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/597>, abgerufen am 22.11.2024.