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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
"theidigen, als dasselbe aufs neue einzunehmen. Die Begierde sich zu rächen
"wird zwar die Jeng-itscheri antreiben, wieder zur Belagerung zurück zu keh-
"ren; aber nehmet euch in Acht, daß nicht ihre Wut, wenn die Besatzung
"einen tapfern Widerstand thun sollte, sich gegen eure Köpfe zurück wendet.
"Wir sind itzo in solchen Umständen, daß wir entweder leben oder sterben müs-
"sen: allein zu überwinden, nachdem wir eine Stadt verlassen haben, die von
"uns schon so viele Monate lang ist belagert worden, hat mehr das Ansehen
"einer Niederlage, als eines Sieges. Der Sultan erwartet täglich von uns
"die Nachricht von dem Fortgange unserer Bemühungen, und hat schon Zu-
"bereitungen zu einem Triumphe gemacht. Wenn nun der Ausgang das
"Gegentheil weisen sollte: so können wir uns leicht vorstellen, was für eine
"Gefahr alsdann sowol über euren Häuptern, als über dem meinigen, schwe-
"ben würde. Wenn ihr diese Dinge gehörig überleget und in der Wagschale
"der Klugheit erwäget: so werdet ihr befinden, daß es vergebens ist, das
"Heer in das Feld zu führen, und vergebens, um den Sieg zu fechten; wenn
"nicht der größte Theil der Jeng-itscheri zurückgelassen wird, die Schanzen zu
"vertheidigen und die Belagerung fortzusetzen. Dieses wird die Feinde in
"Furcht und Schrecken bringen, wenn sie sehen, daß wir in unserm Lager
"zum Treffen bereit sind, und zu gleicher Zeit auch die Belagerung mit eben
"so großem Eifer, als vorher, fortführen: es wird dieses unsere Schwäche
"bedecken; es wird verhüten, daß uns die Besatzung nicht in den Rücken
"fället; es wird unsern Soldaten einen Muth einflößen; mit einem Worte,
"es ist der einzige Weg, auf dem wir nicht nur einen leichten, sondern auch
"einen völligen Sieg erlangen können."

Die Paschen be-
stehen auf ihrerMeinung.
74.

Nachdem der Weßir aufgehöret hatte zu reden: so antworteten die
Paschen. "Man hat nichts zu befürchten von einer Besatzung, die eben so
"stark, wo nicht noch mehr, als die osmanischen Soldaten, von Krankheiten
"und Arbeit abgemattet ist, und daher mehr bekümmert seyn wird, die Fe-
"stungswerke, die ihr noch übrig geblieben sind, zu vertheidigen, als dasje-
"nige, was sie verloren hat, wieder zu erobern. Ueberdem sind die Linien
"und übrigen Werke weit stärker, als die Stadt selbst; und wenn nur eines
"oder zwey Regimenter zur Vertheidigung derselben zurück gelassen werden:
"so wird es der Besatzung von Wien schwerer fallen, sich ihrer zu bemächtigen,
"als den Jeng-itscheri, die Stadt einzunehmen. Die übrigen Jeng-itscheri,
[Spaltenumbruch]

54 Kara Mehemmed] Ein Mann,
der nicht sonderlich berühmt war; aber bey
[Spaltenumbruch]
Kara Mustäfa Pascha in besonderer Gnade
stund: und dieses aus keiner andern Ursache,

die

Osmaniſche Geſchichte
“theidigen, als daſſelbe aufs neue einzunehmen. Die Begierde ſich zu raͤchen
“wird zwar die Jeng-itſcheri antreiben, wieder zur Belagerung zuruͤck zu keh-
“ren; aber nehmet euch in Acht, daß nicht ihre Wut, wenn die Beſatzung
“einen tapfern Widerſtand thun ſollte, ſich gegen eure Koͤpfe zuruͤck wendet.
“Wir ſind itzo in ſolchen Umſtaͤnden, daß wir entweder leben oder ſterben muͤſ-
“ſen: allein zu uͤberwinden, nachdem wir eine Stadt verlaſſen haben, die von
“uns ſchon ſo viele Monate lang iſt belagert worden, hat mehr das Anſehen
“einer Niederlage, als eines Sieges. Der Sultan erwartet taͤglich von uns
“die Nachricht von dem Fortgange unſerer Bemuͤhungen, und hat ſchon Zu-
“bereitungen zu einem Triumphe gemacht. Wenn nun der Ausgang das
“Gegentheil weiſen ſollte: ſo koͤnnen wir uns leicht vorſtellen, was fuͤr eine
“Gefahr alsdann ſowol uͤber euren Haͤuptern, als uͤber dem meinigen, ſchwe-
“ben wuͤrde. Wenn ihr dieſe Dinge gehoͤrig uͤberleget und in der Wagſchale
“der Klugheit erwaͤget: ſo werdet ihr befinden, daß es vergebens iſt, das
“Heer in das Feld zu fuͤhren, und vergebens, um den Sieg zu fechten; wenn
“nicht der groͤßte Theil der Jeng-itſcheri zuruͤckgelaſſen wird, die Schanzen zu
“vertheidigen und die Belagerung fortzuſetzen. Dieſes wird die Feinde in
“Furcht und Schrecken bringen, wenn ſie ſehen, daß wir in unſerm Lager
“zum Treffen bereit ſind, und zu gleicher Zeit auch die Belagerung mit eben
“ſo großem Eifer, als vorher, fortfuͤhren: es wird dieſes unſere Schwaͤche
“bedecken; es wird verhuͤten, daß uns die Beſatzung nicht in den Ruͤcken
“faͤllet; es wird unſern Soldaten einen Muth einfloͤßen; mit einem Worte,
“es iſt der einzige Weg, auf dem wir nicht nur einen leichten, ſondern auch
“einen voͤlligen Sieg erlangen koͤnnen.„

Die Paſchen be-
ſtehen auf ihrerMeinung.
74.

Nachdem der Weßir aufgehoͤret hatte zu reden: ſo antworteten die
Paſchen. “Man hat nichts zu befuͤrchten von einer Beſatzung, die eben ſo
“ſtark, wo nicht noch mehr, als die osmaniſchen Soldaten, von Krankheiten
“und Arbeit abgemattet iſt, und daher mehr bekuͤmmert ſeyn wird, die Fe-
“ſtungswerke, die ihr noch uͤbrig geblieben ſind, zu vertheidigen, als dasje-
“nige, was ſie verloren hat, wieder zu erobern. Ueberdem ſind die Linien
“und uͤbrigen Werke weit ſtaͤrker, als die Stadt ſelbſt; und wenn nur eines
“oder zwey Regimenter zur Vertheidigung derſelben zuruͤck gelaſſen werden:
“ſo wird es der Beſatzung von Wien ſchwerer fallen, ſich ihrer zu bemaͤchtigen,
“als den Jeng-itſcheri, die Stadt einzunehmen. Die uͤbrigen Jeng-itſcheri,
[Spaltenumbruch]

54 Kara Mehemmed] Ein Mann,
der nicht ſonderlich beruͤhmt war; aber bey
[Spaltenumbruch]
Kara Muſtaͤfa Paſcha in beſonderer Gnade
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[480/0588] Osmaniſche Geſchichte “theidigen, als daſſelbe aufs neue einzunehmen. Die Begierde ſich zu raͤchen “wird zwar die Jeng-itſcheri antreiben, wieder zur Belagerung zuruͤck zu keh- “ren; aber nehmet euch in Acht, daß nicht ihre Wut, wenn die Beſatzung “einen tapfern Widerſtand thun ſollte, ſich gegen eure Koͤpfe zuruͤck wendet. “Wir ſind itzo in ſolchen Umſtaͤnden, daß wir entweder leben oder ſterben muͤſ- “ſen: allein zu uͤberwinden, nachdem wir eine Stadt verlaſſen haben, die von “uns ſchon ſo viele Monate lang iſt belagert worden, hat mehr das Anſehen “einer Niederlage, als eines Sieges. Der Sultan erwartet taͤglich von uns “die Nachricht von dem Fortgange unſerer Bemuͤhungen, und hat ſchon Zu- “bereitungen zu einem Triumphe gemacht. Wenn nun der Ausgang das “Gegentheil weiſen ſollte: ſo koͤnnen wir uns leicht vorſtellen, was fuͤr eine “Gefahr alsdann ſowol uͤber euren Haͤuptern, als uͤber dem meinigen, ſchwe- “ben wuͤrde. Wenn ihr dieſe Dinge gehoͤrig uͤberleget und in der Wagſchale “der Klugheit erwaͤget: ſo werdet ihr befinden, daß es vergebens iſt, das “Heer in das Feld zu fuͤhren, und vergebens, um den Sieg zu fechten; wenn “nicht der groͤßte Theil der Jeng-itſcheri zuruͤckgelaſſen wird, die Schanzen zu “vertheidigen und die Belagerung fortzuſetzen. Dieſes wird die Feinde in “Furcht und Schrecken bringen, wenn ſie ſehen, daß wir in unſerm Lager “zum Treffen bereit ſind, und zu gleicher Zeit auch die Belagerung mit eben “ſo großem Eifer, als vorher, fortfuͤhren: es wird dieſes unſere Schwaͤche “bedecken; es wird verhuͤten, daß uns die Beſatzung nicht in den Ruͤcken “faͤllet; es wird unſern Soldaten einen Muth einfloͤßen; mit einem Worte, “es iſt der einzige Weg, auf dem wir nicht nur einen leichten, ſondern auch “einen voͤlligen Sieg erlangen koͤnnen.„ 74. Nachdem der Weßir aufgehoͤret hatte zu reden: ſo antworteten die Paſchen. “Man hat nichts zu befuͤrchten von einer Beſatzung, die eben ſo “ſtark, wo nicht noch mehr, als die osmaniſchen Soldaten, von Krankheiten “und Arbeit abgemattet iſt, und daher mehr bekuͤmmert ſeyn wird, die Fe- “ſtungswerke, die ihr noch uͤbrig geblieben ſind, zu vertheidigen, als dasje- “nige, was ſie verloren hat, wieder zu erobern. Ueberdem ſind die Linien “und uͤbrigen Werke weit ſtaͤrker, als die Stadt ſelbſt; und wenn nur eines “oder zwey Regimenter zur Vertheidigung derſelben zuruͤck gelaſſen werden: “ſo wird es der Beſatzung von Wien ſchwerer fallen, ſich ihrer zu bemaͤchtigen, “als den Jeng-itſcheri, die Stadt einzunehmen. Die uͤbrigen Jeng-itſcheri, die ⁵⁴ Kara Mehemmed] Ein Mann, der nicht ſonderlich beruͤhmt war; aber bey Kara Muſtaͤfa Paſcha in beſonderer Gnade ſtund: und dieſes aus keiner andern Urſache, als

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 480. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/588>, abgerufen am 22.11.2024.