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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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19. Muhämmed der IIII
Nach Einwilligung derselben stimmete auch der Müfti, der mit seiner Meinung
von dieser Sache lange Zeit zurück gehalten hatte, durch ein Fetwa den Absich-
ten des Kaisers bey. Die von der Gegenpartey aber ließen sich dennoch durch
sein Ansehen nicht bewegen; sondern vertheidigten ihre Meinung öffentlich, und
streueten allerhand Schriften ohne Namen gegen den Diwan aus, darinnen sie
[Spaltenumbruch]
sers, Aehmeds des III, erzählet wird, daß sie
während des Krieges mit den Russen gethan
habe. Von den Beyschläferinnen des Sul-
tans sind einige bloße Beyschläferinnen; an-
dere aber sind Chassäkji. Wann eine von
ihnen nur einmal die Ehre gehabt hat, bey
dem Sultane zu liegen: so wird sie gleich
von den übrigen jungen Frauenzimmern ab-
gesondert, und bekommt Slawinnen und
Verschnittene zu ihrer Bedienung; sie kann
aber nicht wieder zu dem Sultane kommen,
es sey dann, daß er sie zu sich holen lässet.
Wenn aber der Sultan eine von diesen Frau-
enzimmern mehr liebet, als die übrigen: so
kann er ihr die Krone auf das Haupt setzen;
und alsdann bekommt sie den Titel Chassäkji
Sultan. Nachdem ihr die Krone ist zuge-
theilet worden: so hat sie die Freyheit, zu
dem Sultane zu gehen, so oft es ihr beliebet,
wenn auch nicht nach ihr ist geschicket worden.
Es wird auch für sie ein Kjihaja bestellet, und
ihr eine Schar Baltadschi nebst einem Befehl-
haber über dieselben zugegeben, die ihre Be-
fehle zur Vollstreckung bringen, die sie ihnen
durch den Kjihaja ertheilen lässet. Derglei-
chen Chassäkji haben auch ihre eigenen ange-
wiesenen Einkünfte, so groß, als es dem
Sultan beliebig ist: iedoch müssen sie nicht
geringer, als fünf hundert Beutel, seyn.
Aus dieser Ursache geschiehet es, ungeachtet
ein Sultan fünf Chassäkji Sultanen krönen
kann, daß viele Kaiser, zum Beyspiele der
gegenwärtige, Aehmed der III, und dessen
Bruder, Mustäfa der II, um diese Unkosten
[Spaltenumbruch]
zu vermeiden, und weil dieselben beständig
im Kriege verwickelt gewesen sind, ganz und
gar keine Chassäkji gemacht; sondern sich bloß
mit Beyschläferinnen begnüget haben. Was
des Sultans Beyschläferinnen anbelanget:
so können dieselben, wenn sie nur Töchter ge-
boren haben, von seinem Nachfolger verhei-
ratet werden; sie erlangen aber dadurch keine
größere Ehre, als diejenigen haben, die un-
fruchtbar sind. Wenn sie aber einen Sohn
zur Welt gebracht haben; und sollte dieser
auch sogleich nach der Geburt wieder verster-
ben: so wird die Mutter desselben in das
Eskji Seraj oder den alten Palast gebracht,
daraus sie niemals wieder zum Vorscheine
kommt. Diejenigen aber, die einen Sohn
im Leben haben, genießen von iedermann,
sowol Hofbedienten als Fremden, große Ehr-
erbietigkeit; weil sie einmal dazu kommen
können, daß sie Walide Sultanen werden.
37 Paschmaklik] Dieses ist der Name
der ordentlichen Einkünfte, die der Walide
Sultane und den übrigen Chassäkji angewie-
sen sind. Er kommt her von dem Worte
Paschmak, ein Schuh; denn man pfleget zu
sagen, diese Einkünfte seyen ihnen verliehen,
sich Schuhe dafür zu kaufen. In allen Städ-
ten, die von den Türken erobert worden sind,
ist eine ganze Straße zum Paschmaklik ge-
widmet; wie zu Constantinopel Pera. Da-
her kommt es, daß die Walide Sultane ein
sehr großes Paschmaklik fast durch das ganze
türkische Reich zu genießen hat.

das

19. Muhaͤmmed der IIII
Nach Einwilligung derſelben ſtimmete auch der Muͤfti, der mit ſeiner Meinung
von dieſer Sache lange Zeit zuruͤck gehalten hatte, durch ein Fetwa den Abſich-
ten des Kaiſers bey. Die von der Gegenpartey aber ließen ſich dennoch durch
ſein Anſehen nicht bewegen; ſondern vertheidigten ihre Meinung oͤffentlich, und
ſtreueten allerhand Schriften ohne Namen gegen den Diwan aus, darinnen ſie
[Spaltenumbruch]
ſers, Aehmeds des III‚ erzaͤhlet wird, daß ſie
waͤhrend des Krieges mit den Ruſſen gethan
habe. Von den Beyſchlaͤferinnen des Sul-
tans ſind einige bloße Beyſchlaͤferinnen; an-
dere aber ſind Chaſſaͤkji. Wann eine von
ihnen nur einmal die Ehre gehabt hat, bey
dem Sultane zu liegen: ſo wird ſie gleich
von den uͤbrigen jungen Frauenzimmern ab-
geſondert, und bekommt Slawinnen und
Verſchnittene zu ihrer Bedienung; ſie kann
aber nicht wieder zu dem Sultane kommen,
es ſey dann, daß er ſie zu ſich holen laͤſſet.
Wenn aber der Sultan eine von dieſen Frau-
enzimmern mehr liebet, als die uͤbrigen: ſo
kann er ihr die Krone auf das Haupt ſetzen;
und alsdann bekommt ſie den Titel Chaſſaͤkji
Sultan. Nachdem ihr die Krone iſt zuge-
theilet worden: ſo hat ſie die Freyheit, zu
dem Sultane zu gehen, ſo oft es ihr beliebet,
wenn auch nicht nach ihr iſt geſchicket worden.
Es wird auch fuͤr ſie ein Kjihaja beſtellet, und
ihr eine Schar Baltadſchi nebſt einem Befehl-
haber uͤber dieſelben zugegeben, die ihre Be-
fehle zur Vollſtreckung bringen, die ſie ihnen
durch den Kjihaja ertheilen laͤſſet. Derglei-
chen Chaſſaͤkji haben auch ihre eigenen ange-
wieſenen Einkuͤnfte, ſo groß, als es dem
Sultan beliebig iſt: iedoch muͤſſen ſie nicht
geringer, als fuͤnf hundert Beutel, ſeyn.
Aus dieſer Urſache geſchiehet es, ungeachtet
ein Sultan fuͤnf Chaſſaͤkji Sultanen kroͤnen
kann, daß viele Kaiſer, zum Beyſpiele der
gegenwaͤrtige, Aehmed der III, und deſſen
Bruder, Muſtaͤfa der II, um dieſe Unkoſten
[Spaltenumbruch]
zu vermeiden, und weil dieſelben beſtaͤndig
im Kriege verwickelt geweſen ſind, ganz und
gar keine Chaſſaͤkji gemacht; ſondern ſich bloß
mit Beyſchlaͤferinnen begnuͤget haben. Was
des Sultans Beyſchlaͤferinnen anbelanget:
ſo koͤnnen dieſelben, wenn ſie nur Toͤchter ge-
boren haben, von ſeinem Nachfolger verhei-
ratet werden; ſie erlangen aber dadurch keine
groͤßere Ehre, als diejenigen haben, die un-
fruchtbar ſind. Wenn ſie aber einen Sohn
zur Welt gebracht haben; und ſollte dieſer
auch ſogleich nach der Geburt wieder verſter-
ben: ſo wird die Mutter deſſelben in das
Eskji Seraj oder den alten Palaſt gebracht,
daraus ſie niemals wieder zum Vorſcheine
kommt. Diejenigen aber, die einen Sohn
im Leben haben, genießen von iedermann,
ſowol Hofbedienten als Fremden, große Ehr-
erbietigkeit; weil ſie einmal dazu kommen
koͤnnen, daß ſie Walide Sultanen werden.
37 Paſchmaklik] Dieſes iſt der Name
der ordentlichen Einkuͤnfte, die der Walide
Sultane und den uͤbrigen Chaſſaͤkji angewie-
ſen ſind. Er kommt her von dem Worte
Paſchmak, ein Schuh; denn man pfleget zu
ſagen, dieſe Einkuͤnfte ſeyen ihnen verliehen,
ſich Schuhe dafuͤr zu kaufen. In allen Staͤd-
ten, die von den Tuͤrken erobert worden ſind,
iſt eine ganze Straße zum Paſchmaklik ge-
widmet; wie zu Conſtantinopel Pera. Da-
her kommt es, daß die Walide Sultane ein
ſehr großes Paſchmaklik faſt durch das ganze
tuͤrkiſche Reich zu genießen hat.

das
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[455/0563] 19. Muhaͤmmed der IIII Nach Einwilligung derſelben ſtimmete auch der Muͤfti, der mit ſeiner Meinung von dieſer Sache lange Zeit zuruͤck gehalten hatte, durch ein Fetwa den Abſich- ten des Kaiſers bey. Die von der Gegenpartey aber ließen ſich dennoch durch ſein Anſehen nicht bewegen; ſondern vertheidigten ihre Meinung oͤffentlich, und ſtreueten allerhand Schriften ohne Namen gegen den Diwan aus, darinnen ſie das ſers, Aehmeds des III‚ erzaͤhlet wird, daß ſie waͤhrend des Krieges mit den Ruſſen gethan habe. Von den Beyſchlaͤferinnen des Sul- tans ſind einige bloße Beyſchlaͤferinnen; an- dere aber ſind Chaſſaͤkji. Wann eine von ihnen nur einmal die Ehre gehabt hat, bey dem Sultane zu liegen: ſo wird ſie gleich von den uͤbrigen jungen Frauenzimmern ab- geſondert, und bekommt Slawinnen und Verſchnittene zu ihrer Bedienung; ſie kann aber nicht wieder zu dem Sultane kommen, es ſey dann, daß er ſie zu ſich holen laͤſſet. Wenn aber der Sultan eine von dieſen Frau- enzimmern mehr liebet, als die uͤbrigen: ſo kann er ihr die Krone auf das Haupt ſetzen; und alsdann bekommt ſie den Titel Chaſſaͤkji Sultan. Nachdem ihr die Krone iſt zuge- theilet worden: ſo hat ſie die Freyheit, zu dem Sultane zu gehen, ſo oft es ihr beliebet, wenn auch nicht nach ihr iſt geſchicket worden. Es wird auch fuͤr ſie ein Kjihaja beſtellet, und ihr eine Schar Baltadſchi nebſt einem Befehl- haber uͤber dieſelben zugegeben, die ihre Be- fehle zur Vollſtreckung bringen, die ſie ihnen durch den Kjihaja ertheilen laͤſſet. Derglei- chen Chaſſaͤkji haben auch ihre eigenen ange- wieſenen Einkuͤnfte, ſo groß, als es dem Sultan beliebig iſt: iedoch muͤſſen ſie nicht geringer, als fuͤnf hundert Beutel, ſeyn. Aus dieſer Urſache geſchiehet es, ungeachtet ein Sultan fuͤnf Chaſſaͤkji Sultanen kroͤnen kann, daß viele Kaiſer, zum Beyſpiele der gegenwaͤrtige, Aehmed der III, und deſſen Bruder, Muſtaͤfa der II, um dieſe Unkoſten zu vermeiden, und weil dieſelben beſtaͤndig im Kriege verwickelt geweſen ſind, ganz und gar keine Chaſſaͤkji gemacht; ſondern ſich bloß mit Beyſchlaͤferinnen begnuͤget haben. Was des Sultans Beyſchlaͤferinnen anbelanget: ſo koͤnnen dieſelben, wenn ſie nur Toͤchter ge- boren haben, von ſeinem Nachfolger verhei- ratet werden; ſie erlangen aber dadurch keine groͤßere Ehre, als diejenigen haben, die un- fruchtbar ſind. Wenn ſie aber einen Sohn zur Welt gebracht haben; und ſollte dieſer auch ſogleich nach der Geburt wieder verſter- ben: ſo wird die Mutter deſſelben in das Eskji Seraj oder den alten Palaſt gebracht, daraus ſie niemals wieder zum Vorſcheine kommt. Diejenigen aber, die einen Sohn im Leben haben, genießen von iedermann, ſowol Hofbedienten als Fremden, große Ehr- erbietigkeit; weil ſie einmal dazu kommen koͤnnen, daß ſie Walide Sultanen werden. ³⁷ Paſchmaklik] Dieſes iſt der Name der ordentlichen Einkuͤnfte, die der Walide Sultane und den uͤbrigen Chaſſaͤkji angewie- ſen ſind. Er kommt her von dem Worte Paſchmak, ein Schuh; denn man pfleget zu ſagen, dieſe Einkuͤnfte ſeyen ihnen verliehen, ſich Schuhe dafuͤr zu kaufen. In allen Staͤd- ten, die von den Tuͤrken erobert worden ſind, iſt eine ganze Straße zum Paſchmaklik ge- widmet; wie zu Conſtantinopel Pera. Da- her kommt es, daß die Walide Sultane ein ſehr großes Paſchmaklik faſt durch das ganze tuͤrkiſche Reich zu genießen hat.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 455. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/563>, abgerufen am 22.11.2024.