Türken tapfer zurück. Der Weßir selbst ist also wegen Mangels der Lebens- mittel genöthiget, zurück zu kehren; und büßet auf seinem Rückzuge, außer fast allen seinen Rüstwägen und grobem Geschütze, noch eine größere Anzahl Soldaten ein, als bey Tschehrin durch das feindliche Schwert und Feuer umge- kommen war: so daß bey seiner Rückkunft zu Adrianopel, im Anfange des Monats Remäßan, das Kriegesheer mehr das Ansehen hatte, als wenn es ge- schlagen wäre, als daß es gesieget hätte.
38.
In der That war es auch weit gefehlet, daß der Sieg zu TschehrinBeschwerden der Soldaten über diesen fruchtlosen Feld- zug. den Soldaten einen Muth gemacht hätte; vielmehr sahen sie diejenigen, die davon sprachen, den Krieg in der Ukraina mit frischen Kräften fortzusetzen, nicht nur als Feinde, sondern so gar als Verräther, an. Das Andenken von dem Tode dreyßig tausend ihrer Mitbrüder, und die Mühseligkeiten, die sie auf ihrer Reise ausgestanden hatten, waren in ihren Gemüthern viel zu tief eingedrücket, als daß ihnen dieses einige Genugthuung dafür seyn sollte, daß sie das verfallene Tschehrin erobert, und etliche Hunderte von den Köpfen ihrer Feinde, rings um des Weßirs Zelt herum gepflanzet, gesehen hatten. Der Weßir befand auch selbst durch die Erfahrung, wie schwer es sey, an unbekannten un- fruchtbaren Oertern Krieg zu führen, die allenthalben mit Morästen und Flüs- sen durchschnitten sind, da wenig Beute zu machen und viel Gefahr auszuste- hen ist. Er bereuete es daher allzuspät, daß er sich den Friedensanschlägen entgegen gesetzet, und den Verlust so vieler tausend Mann, ohne den mindesten Vortheil zu erlangen, veranlasset hatte.
39.
Es würde auch derselbe von dem Kriege abgelassen haben; wenn nichtUnternehmen des Weßirs, eine neue Festung zu bauen. die beständigen Streifereyen der Kosaken, die das ganze Land am schwarzen Meere ungestraft verwüsteten, seine friedfertigen Absichten ersticket hätten. Er fassete daher den Entschluß, an dem Ausflusse des Dnjepers, nicht weit von Otschakow, eine Stadt und Festung anzulegen: in Hoffnung, daß man auf diese Weise die Schiffe der Kosaken leicht würde abhalten können, in das schwarze Meer zu kommen; und daß die saporowischen Kosaken durch den Mangel des Salzes würden genöthiget werden, sich dem osmanischen Reiche zu unterwerfen. Dieses Geschäffte trug derselbe Mimar Aga 32 auf, und schickte zur Bedeckung des Werks, bis es zu Stande gebracht wäre, Kaplan Pascha mit sechs Regimentern Jeng-itscheri dahin.
[Spaltenumbruch]
32 Mimar Aga] der oberste Baumei- ster. Sein vornehmstes Geschäffte ist, alle [Spaltenumbruch] neuen Gebäude zu Constantinopel und in dessen Vorstädten zu besichtigen, und Acht zu geben,
40. Allein,
3 L
19. Muhaͤmmed der IIII
Tuͤrken tapfer zuruͤck. Der Weßir ſelbſt iſt alſo wegen Mangels der Lebens- mittel genoͤthiget, zuruͤck zu kehren; und buͤßet auf ſeinem Ruͤckzuge, außer faſt allen ſeinen Ruͤſtwaͤgen und grobem Geſchuͤtze, noch eine groͤßere Anzahl Soldaten ein, als bey Tſchehrin durch das feindliche Schwert und Feuer umge- kommen war: ſo daß bey ſeiner Ruͤckkunft zu Adrianopel, im Anfange des Monats Remaͤßan, das Kriegesheer mehr das Anſehen hatte, als wenn es ge- ſchlagen waͤre, als daß es geſieget haͤtte.
38.
In der That war es auch weit gefehlet, daß der Sieg zu TſchehrinBeſchwerden der Soldaten uͤber dieſen fruchtloſen Feld- zug. den Soldaten einen Muth gemacht haͤtte; vielmehr ſahen ſie diejenigen, die davon ſprachen, den Krieg in der Ukraina mit friſchen Kraͤften fortzuſetzen, nicht nur als Feinde, ſondern ſo gar als Verraͤther, an. Das Andenken von dem Tode dreyßig tauſend ihrer Mitbruͤder, und die Muͤhſeligkeiten, die ſie auf ihrer Reiſe ausgeſtanden hatten, waren in ihren Gemuͤthern viel zu tief eingedruͤcket, als daß ihnen dieſes einige Genugthuung dafuͤr ſeyn ſollte, daß ſie das verfallene Tſchehrin erobert, und etliche Hunderte von den Koͤpfen ihrer Feinde, rings um des Weßirs Zelt herum gepflanzet, geſehen hatten. Der Weßir befand auch ſelbſt durch die Erfahrung, wie ſchwer es ſey, an unbekannten un- fruchtbaren Oertern Krieg zu fuͤhren, die allenthalben mit Moraͤſten und Fluͤſ- ſen durchſchnitten ſind, da wenig Beute zu machen und viel Gefahr auszuſte- hen iſt. Er bereuete es daher allzuſpaͤt, daß er ſich den Friedensanſchlaͤgen entgegen geſetzet, und den Verluſt ſo vieler tauſend Mann, ohne den mindeſten Vortheil zu erlangen, veranlaſſet hatte.
39.
Es wuͤrde auch derſelbe von dem Kriege abgelaſſen haben; wenn nichtUnternehmen des Weßirs, eine neue Feſtung zu bauen. die beſtaͤndigen Streifereyen der Koſaken, die das ganze Land am ſchwarzen Meere ungeſtraft verwuͤſteten, ſeine friedfertigen Abſichten erſticket haͤtten. Er faſſete daher den Entſchluß, an dem Ausfluſſe des Dnjepers, nicht weit von Otſchakow, eine Stadt und Feſtung anzulegen: in Hoffnung, daß man auf dieſe Weiſe die Schiffe der Koſaken leicht wuͤrde abhalten koͤnnen, in das ſchwarze Meer zu kommen; und daß die ſaporowiſchen Koſaken durch den Mangel des Salzes wuͤrden genoͤthiget werden, ſich dem osmaniſchen Reiche zu unterwerfen. Dieſes Geſchaͤffte trug derſelbe Mimar Aga 32 auf, und ſchickte zur Bedeckung des Werks, bis es zu Stande gebracht waͤre, Kaplan Paſcha mit ſechs Regimentern Jeng-itſcheri dahin.
[Spaltenumbruch]
32 Mimar Aga] der oberſte Baumei- ſter. Sein vornehmſtes Geſchaͤffte iſt, alle [Spaltenumbruch] neuen Gebaͤude zu Conſtantinopel und in deſſen Vorſtaͤdten zu beſichtigen, und Acht zu geben,
40. Allein,
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19. Muhaͤmmed der IIII
Tuͤrken tapfer zuruͤck. Der Weßir ſelbſt iſt alſo wegen Mangels der Lebens-
mittel genoͤthiget, zuruͤck zu kehren; und buͤßet auf ſeinem Ruͤckzuge, außer
faſt allen ſeinen Ruͤſtwaͤgen und grobem Geſchuͤtze, noch eine groͤßere Anzahl
Soldaten ein, als bey Tſchehrin durch das feindliche Schwert und Feuer umge-
kommen war: ſo daß bey ſeiner Ruͤckkunft zu Adrianopel, im Anfange des
Monats Remaͤßan, das Kriegesheer mehr das Anſehen hatte, als wenn es ge-
ſchlagen waͤre, als daß es geſieget haͤtte.
38. In der That war es auch weit gefehlet, daß der Sieg zu Tſchehrin
den Soldaten einen Muth gemacht haͤtte; vielmehr ſahen ſie diejenigen, die
davon ſprachen, den Krieg in der Ukraina mit friſchen Kraͤften fortzuſetzen,
nicht nur als Feinde, ſondern ſo gar als Verraͤther, an. Das Andenken
von dem Tode dreyßig tauſend ihrer Mitbruͤder, und die Muͤhſeligkeiten, die ſie
auf ihrer Reiſe ausgeſtanden hatten, waren in ihren Gemuͤthern viel zu tief
eingedruͤcket, als daß ihnen dieſes einige Genugthuung dafuͤr ſeyn ſollte, daß ſie
das verfallene Tſchehrin erobert, und etliche Hunderte von den Koͤpfen ihrer
Feinde, rings um des Weßirs Zelt herum gepflanzet, geſehen hatten. Der Weßir
befand auch ſelbſt durch die Erfahrung, wie ſchwer es ſey, an unbekannten un-
fruchtbaren Oertern Krieg zu fuͤhren, die allenthalben mit Moraͤſten und Fluͤſ-
ſen durchſchnitten ſind, da wenig Beute zu machen und viel Gefahr auszuſte-
hen iſt. Er bereuete es daher allzuſpaͤt, daß er ſich den Friedensanſchlaͤgen
entgegen geſetzet, und den Verluſt ſo vieler tauſend Mann, ohne den mindeſten
Vortheil zu erlangen, veranlaſſet hatte.
Beſchwerden
der Soldaten
uͤber dieſen
fruchtloſen Feld-
zug.
39. Es wuͤrde auch derſelbe von dem Kriege abgelaſſen haben; wenn nicht
die beſtaͤndigen Streifereyen der Koſaken, die das ganze Land am ſchwarzen
Meere ungeſtraft verwuͤſteten, ſeine friedfertigen Abſichten erſticket haͤtten.
Er faſſete daher den Entſchluß, an dem Ausfluſſe des Dnjepers, nicht weit von
Otſchakow, eine Stadt und Feſtung anzulegen: in Hoffnung, daß man auf
dieſe Weiſe die Schiffe der Koſaken leicht wuͤrde abhalten koͤnnen, in das
ſchwarze Meer zu kommen; und daß die ſaporowiſchen Koſaken durch den
Mangel des Salzes wuͤrden genoͤthiget werden, ſich dem osmaniſchen Reiche
zu unterwerfen. Dieſes Geſchaͤffte trug derſelbe Mimar Aga
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auf, und ſchickte
zur Bedeckung des Werks, bis es zu Stande gebracht waͤre, Kaplan Paſcha
mit ſechs Regimentern Jeng-itſcheri dahin.
Unternehmen
des Weßirs, eine
neue Feſtung
zu bauen.
40. Allein,
³² Mimar Aga] der oberſte Baumei-
ſter. Sein vornehmſtes Geſchaͤffte iſt, alle
neuen Gebaͤude zu Conſtantinopel und in deſſen
Vorſtaͤdten zu beſichtigen, und Acht zu geben,
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/557>, abgerufen am 22.11.2024.
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