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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
setzen. Der Weßir tritt auch denselben ohne Verzug an, kommt mit langen
Tagereisen bald durch die Moldau, und erreichet im folgenden Monate den Bug.
Hier hält er sich einige Tage mit Musterung seines Heeres auf, und erwartet
die Vereinigung mit den Tatarn und denjenigen Kosaken, die Georg Kjemjel-
niski auf seine Seite gezogen hatte.

belagert Tscheh-rin.
34.

Nach Ankunft derselben ziehet er mit achtzig tausend Mann seiner
eigenen Truppen, dreyßig tausend Tatarn und vier tausend Kosaken, auf Tscheh-
rin zu, und langet am 8 des Monats Dschemaßiül ewwel im Gesichte der
Stadt an. Die Russen und Kosaken, die zur selbigen Zeit darinnen in Besat-
zung lagen, waren beschäfftiget, eine neue Festung außerhalb der Stadt zu
bauen. Als sie nun die unvermuthete Annäherung des türkischen Kriegesheeres
gewahr werden: so ziehen sie sich in Unordnung in die Stadt zurück, und brin-
gen ihren Mitbrüdern die Nachricht von der vorseyenden Gefahr. Der We-
ßir, der ihre Unordnung bemerket, sendet unverzüglich einen Theil der Mann-
schaft ab, unter Anführung seines Kjihaja 30, die Stadt anzugreifen; in Hoff-
nung, die Besatzung würde solchergestalt in Furcht und Schrecken gesetzet wer-
den, und sich genöthiget sehen, sich zu ergeben. Allein, ungeachtet dieselben
ganzer vier Stunden lang mit der größten Herzhaftigkeit fochten: so wurden
sie dennoch gezwungen, mit Schimpfe und Verluste ihres Befehlhabers und
zwey tausend Jeng-itscheri, von den Mauren abzuziehen. Kara Mustäfa Pa-
[Spaltenumbruch]

lich große Stadt in Thracien, die am Fuße
des Berges Tschenge, an der Norderseite des-
selben, gelegen ist. Sie wurde von denen
neuen Pflanzbürgern asiatischer Türken er-
bauet, die heutiges Tages Tschitak genennet
werden, und auf Befehl des osmanischen
Hofes rings um den Berg Hömus herum ge-
pflanzet worden sind.
30 Kjihaja] oder, nach der zierlichern
Art zu reden, Kjetchudabegj, ist des Weßirs
Verweser. Sein Amt ist das wichtigste in
dem osmanischen Reiche, und er stehet in
demselben in sehr großem Ansehen. Denn
es kann nichts geschehen, noch ein Befehl
ausgefertiget werden, ohne daß es durch seine
Hände gehet und durch seinen Brief bestätiget
[Spaltenumbruch]
wird. Wenn ein Ferman an einen Pascha
gesendet wird, ohne sein beygelegtes Schrei-
ben: so wird es gleich bey dem ersten Anblicke
für untergeschoben angesehen. Ungeachtet
er nun nicht einmal einen Tug hat; und nebst
Tschawsch Baschi solche Paschen, die drey
Tuge empfangen sollen, unter den Armen
bey dem Weßire zum Gehöre führen muß:
so pfleget man doch aus erstgedachter Ursache
von ihm zu sagen; Der Kjihaja ist für mich
wie der Weßir, der Weßir wie der Sultan,
und der Sultan wie ein gemeiner Müsülman.
Der Weßir kann keinen Kjihaja machen, ohne
des Sultans Einwilligung; und wenn man
ihn wegschaffen will: so muß man ihn irgend-
wo zum Pascha von dreyen Tugen machen.
Wenn er aber nur mit zweenen entlassen wird:

scha

Osmaniſche Geſchichte
ſetzen. Der Weßir tritt auch denſelben ohne Verzug an, kommt mit langen
Tagereiſen bald durch die Moldau, und erreichet im folgenden Monate den Bug.
Hier haͤlt er ſich einige Tage mit Muſterung ſeines Heeres auf, und erwartet
die Vereinigung mit den Tatarn und denjenigen Koſaken, die Georg Kjemjel-
niſki auf ſeine Seite gezogen hatte.

belagert Tſcheh-rin.
34.

Nach Ankunft derſelben ziehet er mit achtzig tauſend Mann ſeiner
eigenen Truppen, dreyßig tauſend Tatarn und vier tauſend Koſaken, auf Tſcheh-
rin zu, und langet am 8 des Monats Dſchemaßiuͤl ewwel im Geſichte der
Stadt an. Die Ruſſen und Koſaken, die zur ſelbigen Zeit darinnen in Beſat-
zung lagen, waren beſchaͤfftiget, eine neue Feſtung außerhalb der Stadt zu
bauen. Als ſie nun die unvermuthete Annaͤherung des tuͤrkiſchen Kriegesheeres
gewahr werden: ſo ziehen ſie ſich in Unordnung in die Stadt zuruͤck, und brin-
gen ihren Mitbruͤdern die Nachricht von der vorſeyenden Gefahr. Der We-
ßir, der ihre Unordnung bemerket, ſendet unverzuͤglich einen Theil der Mann-
ſchaft ab, unter Anfuͤhrung ſeines Kjihaja 30, die Stadt anzugreifen; in Hoff-
nung, die Beſatzung wuͤrde ſolchergeſtalt in Furcht und Schrecken geſetzet wer-
den, und ſich genoͤthiget ſehen, ſich zu ergeben. Allein, ungeachtet dieſelben
ganzer vier Stunden lang mit der groͤßten Herzhaftigkeit fochten: ſo wurden
ſie dennoch gezwungen, mit Schimpfe und Verluſte ihres Befehlhabers und
zwey tauſend Jeng-itſcheri, von den Mauren abzuziehen. Kara Muſtaͤfa Pa-
[Spaltenumbruch]

lich große Stadt in Thracien, die am Fuße
des Berges Tſchenge, an der Norderſeite deſ-
ſelben, gelegen iſt. Sie wurde von denen
neuen Pflanzbuͤrgern aſiatiſcher Tuͤrken er-
bauet, die heutiges Tages Tſchitak genennet
werden, und auf Befehl des osmaniſchen
Hofes rings um den Berg Hoͤmus herum ge-
pflanzet worden ſind.
30 Kjihaja] oder, nach der zierlichern
Art zu reden, Kjetchudabegj, iſt des Weßirs
Verweſer. Sein Amt iſt das wichtigſte in
dem osmaniſchen Reiche, und er ſtehet in
demſelben in ſehr großem Anſehen. Denn
es kann nichts geſchehen, noch ein Befehl
ausgefertiget werden, ohne daß es durch ſeine
Haͤnde gehet und durch ſeinen Brief beſtaͤtiget
[Spaltenumbruch]
wird. Wenn ein Ferman an einen Paſcha
geſendet wird, ohne ſein beygelegtes Schrei-
ben: ſo wird es gleich bey dem erſten Anblicke
fuͤr untergeſchoben angeſehen. Ungeachtet
er nun nicht einmal einen Tug hat; und nebſt
Tſchawſch Baſchi ſolche Paſchen, die drey
Tuge empfangen ſollen, unter den Armen
bey dem Weßire zum Gehoͤre fuͤhren muß:
ſo pfleget man doch aus erſtgedachter Urſache
von ihm zu ſagen; Der Kjihaja iſt fuͤr mich
wie der Weßir, der Weßir wie der Sultan,
und der Sultan wie ein gemeiner Muͤſuͤlman.
Der Weßir kann keinen Kjihaja machen, ohne
des Sultans Einwilligung; und wenn man
ihn wegſchaffen will: ſo muß man ihn irgend-
wo zum Paſcha von dreyen Tugen machen.
Wenn er aber nur mit zweenen entlaſſen wird:

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[446/0554] Osmaniſche Geſchichte ſetzen. Der Weßir tritt auch denſelben ohne Verzug an, kommt mit langen Tagereiſen bald durch die Moldau, und erreichet im folgenden Monate den Bug. Hier haͤlt er ſich einige Tage mit Muſterung ſeines Heeres auf, und erwartet die Vereinigung mit den Tatarn und denjenigen Koſaken, die Georg Kjemjel- niſki auf ſeine Seite gezogen hatte. 34. Nach Ankunft derſelben ziehet er mit achtzig tauſend Mann ſeiner eigenen Truppen, dreyßig tauſend Tatarn und vier tauſend Koſaken, auf Tſcheh- rin zu, und langet am 8 des Monats Dſchemaßiuͤl ewwel im Geſichte der Stadt an. Die Ruſſen und Koſaken, die zur ſelbigen Zeit darinnen in Beſat- zung lagen, waren beſchaͤfftiget, eine neue Feſtung außerhalb der Stadt zu bauen. Als ſie nun die unvermuthete Annaͤherung des tuͤrkiſchen Kriegesheeres gewahr werden: ſo ziehen ſie ſich in Unordnung in die Stadt zuruͤck, und brin- gen ihren Mitbruͤdern die Nachricht von der vorſeyenden Gefahr. Der We- ßir, der ihre Unordnung bemerket, ſendet unverzuͤglich einen Theil der Mann- ſchaft ab, unter Anfuͤhrung ſeines Kjihaja ³⁰ , die Stadt anzugreifen; in Hoff- nung, die Beſatzung wuͤrde ſolchergeſtalt in Furcht und Schrecken geſetzet wer- den, und ſich genoͤthiget ſehen, ſich zu ergeben. Allein, ungeachtet dieſelben ganzer vier Stunden lang mit der groͤßten Herzhaftigkeit fochten: ſo wurden ſie dennoch gezwungen, mit Schimpfe und Verluſte ihres Befehlhabers und zwey tauſend Jeng-itſcheri, von den Mauren abzuziehen. Kara Muſtaͤfa Pa- ſcha lich große Stadt in Thracien, die am Fuße des Berges Tſchenge, an der Norderſeite deſ- ſelben, gelegen iſt. Sie wurde von denen neuen Pflanzbuͤrgern aſiatiſcher Tuͤrken er- bauet, die heutiges Tages Tſchitak genennet werden, und auf Befehl des osmaniſchen Hofes rings um den Berg Hoͤmus herum ge- pflanzet worden ſind. ³⁰ Kjihaja] oder, nach der zierlichern Art zu reden, Kjetchudabegj, iſt des Weßirs Verweſer. Sein Amt iſt das wichtigſte in dem osmaniſchen Reiche, und er ſtehet in demſelben in ſehr großem Anſehen. Denn es kann nichts geſchehen, noch ein Befehl ausgefertiget werden, ohne daß es durch ſeine Haͤnde gehet und durch ſeinen Brief beſtaͤtiget wird. Wenn ein Ferman an einen Paſcha geſendet wird, ohne ſein beygelegtes Schrei- ben: ſo wird es gleich bey dem erſten Anblicke fuͤr untergeſchoben angeſehen. Ungeachtet er nun nicht einmal einen Tug hat; und nebſt Tſchawſch Baſchi ſolche Paſchen, die drey Tuge empfangen ſollen, unter den Armen bey dem Weßire zum Gehoͤre fuͤhren muß: ſo pfleget man doch aus erſtgedachter Urſache von ihm zu ſagen; Der Kjihaja iſt fuͤr mich wie der Weßir, der Weßir wie der Sultan, und der Sultan wie ein gemeiner Muͤſuͤlman. Der Weßir kann keinen Kjihaja machen, ohne des Sultans Einwilligung; und wenn man ihn wegſchaffen will: ſo muß man ihn irgend- wo zum Paſcha von dreyen Tugen machen. Wenn er aber nur mit zweenen entlaſſen wird: ſo

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 446. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/554>, abgerufen am 22.11.2024.