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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
prili 2 Mehemmed Paschas wieder angefüllet, und die innerlichen Unruhen gestillet
waren: so ließ er seine Großmutter erdrosseln, weil dieselbe an dem Aufruhre
der Jeng-itscheri Theil gehabt hatte, und viele von ihren Mitschuldigen umbrin-
gen; eroberte die Eyländer Tenedos und Lemnos wieder von den Venetianern;
nahm den aufrührischen Pascha zu Aleppo mit seinen Verbundenen beym Kopfe,
und ließ sie enthaupten; und schickte den Weßir Kjüprili Mehemmed Pascha
vor Janowa, der diese Stadt nach einer Belagerung von wenigen Tagen ero-
[Spaltenumbruch]
2 Kjüprili] Dieses ist der Stifter des
gegenwärtigen hohen Hauses Kjüprili Ogli
bey den Türken. Im Anfange der Regie-
rung Muhämmeds führete er, seiner Armuth
wegen, ein eingezogenes und stoisches Leben
zu Constantinopel, und erwartete, daß man
ihm eine Paschaschaft geben würde, sollte es
auch nur die geringste seyn. Er genoß zwar
den Titel und die Ehre eines Pascha; weil er
aber keine Mittel hatte, die Seinigen seinem
Range gemäß zu unterhalten: so erschiene er
selten öffentlich. Um diese Zeit kam ein per-
sischer Gesandter nach Constantinopel, um
Muhämmed zu seiner Gelangung zum Throne
Glück zu wünschen. Der Sultan gab dem-
selben eine herrliche Malzeit, und befahl,
daß ein ieder Pascha desgleichen thun sollte.
Es wurde auch derselbe von dem Weßire und
den andern Paschen dergestalt prächtig bewir-
thet, daß es einen ieden von ihnen zum wenig-
sten hundert Beutel* kostete. Als die Reihe
an Kjüprili kommt: so verspricht ihm ein
Jude, der ihm schon öfters in seinen Nöthen
ausgeholfen hatte, Geld zu schaffen, und
veranstaltet an dem bestimmten Tage ein herr-
liches Fest, mit Schauspielen und andern
Ergetzlichkeiten, die bey den Türken üblich sind.
Des andern Tages kommen die Spieler, und
wollen ihren Lohn haben; weil sie aber nichts
[Spaltenumbruch]
vorher bedungen hatten: so empfangen sie
zwey hundert Thaler, da hingegen alle die an-
dern Paschen ihnen vier bis fünf hundert Tha-
ler gegeben hatten. Laskares, das Haupt
der Bande, ein Grieche, wirft daher das Geld
auf den Boden, und saget: er wolle lieber
nichts von einem solchen Oppordos2* Pascha
haben; das in der spanisch-ebräischen Mund-
art einen liederlichen armseligen Tropfen heißet.
Der Jude hebet das Geld auf, und berichtet
Mehemmed Pascha die Sache. Dieser saget
darauf: Weil ich so verächtlich geworden bin,
daß ich von einem Unglaubigen eine so harte
Beschimpfung erdulden muß, und nicht so viel
Macht habe, daß ich mich rächen kann: so
will ich in wenigen Tagen entweder mein Glück
machen, oder meinen Kopf verlieren. Der
Erfolg bestätigte diese Vorhersage. Kurz
darauf erregten die Sipahi einen Aufruhr
zu Constantinopel, und ermordeten den ober-
sten Weßir samt allen den Paschen; der ein-
zige Mehemmed Pascha entging diesem Un-
glücke durch seine Verborgenheit. Nachdem
die Wut der Aufrührer gestillet ist: so sehen
Kißlar Agasi und der Silahtar, nebst den
übrigen Hofbedienten, daß kein Pascha mehr
im Leben ist, dem sie die Würde des obersten
Weßirs auftragen könnten. Sie schicken
daher nach dem alten Kjüprili, und übergeben

berte
* fünf tausend Löwenthaler, oder 4615[] Reichsthaler.
2* Dieser Schimpfname ist, aller
Vermuthung nach, von o Pordiosero entstanden, das ein spanisches Wort mit dem portugiesischen
Artikel ist, und einen Bettler und Lumpenhund bedeutet.

Osmaniſche Geſchichte
prili 2 Mehemmed Paſchas wieder angefuͤllet, und die innerlichen Unruhen geſtillet
waren: ſo ließ er ſeine Großmutter erdroſſeln, weil dieſelbe an dem Aufruhre
der Jeng-itſcheri Theil gehabt hatte, und viele von ihren Mitſchuldigen umbrin-
gen; eroberte die Eylaͤnder Tenedos und Lemnos wieder von den Venetianern;
nahm den aufruͤhriſchen Paſcha zu Aleppo mit ſeinen Verbundenen beym Kopfe,
und ließ ſie enthaupten; und ſchickte den Weßir Kjuͤprili Mehemmed Paſcha
vor Janowa, der dieſe Stadt nach einer Belagerung von wenigen Tagen ero-
[Spaltenumbruch]
2 Kjuͤprili] Dieſes iſt der Stifter des
gegenwaͤrtigen hohen Hauſes Kjuͤprili Ogli
bey den Tuͤrken. Im Anfange der Regie-
rung Muhaͤmmeds fuͤhrete er, ſeiner Armuth
wegen, ein eingezogenes und ſtoiſches Leben
zu Conſtantinopel, und erwartete, daß man
ihm eine Paſchaſchaft geben wuͤrde, ſollte es
auch nur die geringſte ſeyn. Er genoß zwar
den Titel und die Ehre eines Paſcha; weil er
aber keine Mittel hatte, die Seinigen ſeinem
Range gemaͤß zu unterhalten: ſo erſchiene er
ſelten oͤffentlich. Um dieſe Zeit kam ein per-
ſiſcher Geſandter nach Conſtantinopel, um
Muhaͤmmed zu ſeiner Gelangung zum Throne
Gluͤck zu wuͤnſchen. Der Sultan gab dem-
ſelben eine herrliche Malzeit, und befahl,
daß ein ieder Paſcha desgleichen thun ſollte.
Es wurde auch derſelbe von dem Weßire und
den andern Paſchen dergeſtalt praͤchtig bewir-
thet, daß es einen ieden von ihnen zum wenig-
ſten hundert Beutel* koſtete. Als die Reihe
an Kjuͤprili kommt: ſo verſpricht ihm ein
Jude, der ihm ſchon oͤfters in ſeinen Noͤthen
ausgeholfen hatte, Geld zu ſchaffen, und
veranſtaltet an dem beſtimmten Tage ein herr-
liches Feſt, mit Schauſpielen und andern
Ergetzlichkeiten, die bey den Tuͤrken uͤblich ſind.
Des andern Tages kommen die Spieler, und
wollen ihren Lohn haben; weil ſie aber nichts
[Spaltenumbruch]
vorher bedungen hatten: ſo empfangen ſie
zwey hundert Thaler, da hingegen alle die an-
dern Paſchen ihnen vier bis fuͤnf hundert Tha-
ler gegeben hatten. Laskares, das Haupt
der Bande, ein Grieche, wirft daher das Geld
auf den Boden, und ſaget: er wolle lieber
nichts von einem ſolchen Oppordos2* Paſcha
haben; das in der ſpaniſch-ebraͤiſchen Mund-
art einen liederlichen armſeligen Tropfen heißet.
Der Jude hebet das Geld auf, und berichtet
Mehemmed Paſcha die Sache. Dieſer ſaget
darauf: Weil ich ſo veraͤchtlich geworden bin,
daß ich von einem Unglaubigen eine ſo harte
Beſchimpfung erdulden muß, und nicht ſo viel
Macht habe, daß ich mich raͤchen kann: ſo
will ich in wenigen Tagen entweder mein Gluͤck
machen, oder meinen Kopf verlieren. Der
Erfolg beſtaͤtigte dieſe Vorherſage. Kurz
darauf erregten die Sipahi einen Aufruhr
zu Conſtantinopel, und ermordeten den ober-
ſten Weßir ſamt allen den Paſchen; der ein-
zige Mehemmed Paſcha entging dieſem Un-
gluͤcke durch ſeine Verborgenheit. Nachdem
die Wut der Aufruͤhrer geſtillet iſt: ſo ſehen
Kißlar Agaſi und der Silahtar, nebſt den
uͤbrigen Hofbedienten, daß kein Paſcha mehr
im Leben iſt, dem ſie die Wuͤrde des oberſten
Weßirs auftragen koͤnnten. Sie ſchicken
daher nach dem alten Kjuͤprili, und uͤbergeben

berte
* fuͤnf tauſend Loͤwenthaler, oder 4615[] Reichsthaler.
2* Dieſer Schimpfname iſt, aller
Vermuthung nach, von o Pordioſero entſtanden, das ein ſpaniſches Wort mit dem portugieſiſchen
Artikel iſt, und einen Bettler und Lumpenhund bedeutet.
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[388/0496] Osmaniſche Geſchichte prili ² Mehemmed Paſchas wieder angefuͤllet, und die innerlichen Unruhen geſtillet waren: ſo ließ er ſeine Großmutter erdroſſeln, weil dieſelbe an dem Aufruhre der Jeng-itſcheri Theil gehabt hatte, und viele von ihren Mitſchuldigen umbrin- gen; eroberte die Eylaͤnder Tenedos und Lemnos wieder von den Venetianern; nahm den aufruͤhriſchen Paſcha zu Aleppo mit ſeinen Verbundenen beym Kopfe, und ließ ſie enthaupten; und ſchickte den Weßir Kjuͤprili Mehemmed Paſcha vor Janowa, der dieſe Stadt nach einer Belagerung von wenigen Tagen ero- berte ² Kjuͤprili] Dieſes iſt der Stifter des gegenwaͤrtigen hohen Hauſes Kjuͤprili Ogli bey den Tuͤrken. Im Anfange der Regie- rung Muhaͤmmeds fuͤhrete er, ſeiner Armuth wegen, ein eingezogenes und ſtoiſches Leben zu Conſtantinopel, und erwartete, daß man ihm eine Paſchaſchaft geben wuͤrde, ſollte es auch nur die geringſte ſeyn. Er genoß zwar den Titel und die Ehre eines Paſcha; weil er aber keine Mittel hatte, die Seinigen ſeinem Range gemaͤß zu unterhalten: ſo erſchiene er ſelten oͤffentlich. Um dieſe Zeit kam ein per- ſiſcher Geſandter nach Conſtantinopel, um Muhaͤmmed zu ſeiner Gelangung zum Throne Gluͤck zu wuͤnſchen. Der Sultan gab dem- ſelben eine herrliche Malzeit, und befahl, daß ein ieder Paſcha desgleichen thun ſollte. Es wurde auch derſelbe von dem Weßire und den andern Paſchen dergeſtalt praͤchtig bewir- thet, daß es einen ieden von ihnen zum wenig- ſten hundert Beutel * koſtete. Als die Reihe an Kjuͤprili kommt: ſo verſpricht ihm ein Jude, der ihm ſchon oͤfters in ſeinen Noͤthen ausgeholfen hatte, Geld zu ſchaffen, und veranſtaltet an dem beſtimmten Tage ein herr- liches Feſt, mit Schauſpielen und andern Ergetzlichkeiten, die bey den Tuͤrken uͤblich ſind. Des andern Tages kommen die Spieler, und wollen ihren Lohn haben; weil ſie aber nichts vorher bedungen hatten: ſo empfangen ſie zwey hundert Thaler, da hingegen alle die an- dern Paſchen ihnen vier bis fuͤnf hundert Tha- ler gegeben hatten. Laskares, das Haupt der Bande, ein Grieche, wirft daher das Geld auf den Boden, und ſaget: er wolle lieber nichts von einem ſolchen Oppordos 2* Paſcha haben; das in der ſpaniſch-ebraͤiſchen Mund- art einen liederlichen armſeligen Tropfen heißet. Der Jude hebet das Geld auf, und berichtet Mehemmed Paſcha die Sache. Dieſer ſaget darauf: Weil ich ſo veraͤchtlich geworden bin, daß ich von einem Unglaubigen eine ſo harte Beſchimpfung erdulden muß, und nicht ſo viel Macht habe, daß ich mich raͤchen kann: ſo will ich in wenigen Tagen entweder mein Gluͤck machen, oder meinen Kopf verlieren. Der Erfolg beſtaͤtigte dieſe Vorherſage. Kurz darauf erregten die Sipahi einen Aufruhr zu Conſtantinopel, und ermordeten den ober- ſten Weßir ſamt allen den Paſchen; der ein- zige Mehemmed Paſcha entging dieſem Un- gluͤcke durch ſeine Verborgenheit. Nachdem die Wut der Aufruͤhrer geſtillet iſt: ſo ſehen Kißlar Agaſi und der Silahtar, nebſt den uͤbrigen Hofbedienten, daß kein Paſcha mehr im Leben iſt, dem ſie die Wuͤrde des oberſten Weßirs auftragen koͤnnten. Sie ſchicken daher nach dem alten Kjuͤprili, und uͤbergeben dem- * fuͤnf tauſend Loͤwenthaler, oder 4615[FORMEL] Reichsthaler. 2* Dieſer Schimpfname iſt, aller Vermuthung nach, von o Pordioſero entſtanden, das ein ſpaniſches Wort mit dem portugieſiſchen Artikel iſt, und einen Bettler und Lumpenhund bedeutet.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/496>, abgerufen am 22.11.2024.