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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
Seeräubern, welche die türkischen Schiffe plünderten, einen sichern Hafen ver-
stattete. Die öftern Klagen, die seine Unterthanen gegen die Venetianer ein-
brachten, hatten ihm schon vorher Luft gemacht, dieses Eyland zu erobern;
[Spaltenumbruch]
den türkischen Schriftstellern antrifft; und
sollte es auch nur geschehen, um ihre Sorg-
falt zu zeigen, die sie anwenden, die Thaten
ihrer Landesleute auf die Nachkommen zu brin-
gen. Kritos, das durch Veränderung eini-
ger Buchstaben von andern verderbter Weise
Gjirid genennet wird, ist das vornehmste Ey-
land in dem mittelländischen Meere, und er-
strecket sich von Osten nach Westen in die Länge
auf zwey hundert*, und in die Breite auf
sechszig2* Meilen. Es scheinet von der Na-
tur selbst eigentlich zum Vergnügen der Men-
schen hervorgebracht zu seyn. Der Boden ist
allenthalben fruchtbar, und träget alle Gat-
tungen von Korne im Ueberflusse. Die duf-
tenden Felder stehen voll von Kräutern, die
sowol zum Futter für Thiere und Vögel, als
auch zur Arzney, dienlich sind: unter diese letz-
tern ist sonderlich das Kraut Iftimüm3*
zu rechnen, dessen wundersame Tugenden
schon die alten Aerzte gerühmet haben.
Keine wilden Thiere, die Menschen oder Thie-
ren schaden, als Wölfe, Füchse, Schlangen,
kommen iemals daselbst zur Welt; und wenn
sie auch von andern Orten dahin gebracht
werden: so können sie allda nicht leben.
Die ersten Einwohner dieses Eylandes haben
den übrigen Theil der Welt in der feinen Art
zu leben unterrichtet. Die Verehrer gehaue-
ner Bilder sind beständig der Meinung gewe-
sen, daß der Fürst der heidnischen Götzen
in Krete geboren sey. Aus eben diesem Va-
terlande sind die Musik und andere Künste
entsprungen, die den Menschen zum Vergnü-
[Spaltenumbruch]
gen und zur Anleitung zu anständigen Sitten
dienen. Es hatte vor diesem viele und sehr
berühmte Städte, und eine unzählige Menge
Dörfer und Einwohner; weil die Mildigkeit
der Luft und die gemäßigte Lage die neuen
Anbauer von allen Gegenden hieher lockte.
Es stund lange Zeit unter der Griechen Bot-
mäßigkeit; nachgehends wurde es durch die
Waffen der Müsülmanen den Spaniern abge-
nommen und erobert. Denn im Jahre
der Hidschret 204, als Hakjim, Hessams
Sohn, aus dem Geschlechte Uemmije, zu Cor-
duba in Spanien regierete: so entspann sich
eine Empörung wider ihn, die so schnell zu-
nahm, daß eine Rotte der Verschwornen
Hakjims Palast umringete, und ihn umzu-
bringen trachtete. Der König wehrete sich
tapfer, und trieb nach einem blutigen Gefechte
die Aufrührer aus einander, erlegte viele
von ihnen, und schenkte den übrigen das Le-
ben; unter der Bedingung, daß sie wegziehen
und sich neue Wohnungen suchen sollten.
Als die Müsülmanen solchergestalt aus ihrem
alten Sitze vertrieben waren: so segelten
dieselben mit dreyßig Schiffen nach Aegypten
zu, und langeten daselbst nicht weit von Alexan-
drien an. Aebdüllah, Tahirs Sohn, der da-
zumal Aegypten im Namen des Königes in
Persien regierete, kam darüber von Kahire
mit einem großen Kriegesheere herbey, über-
fiel sie unversehens, und umringete dieselben.
Er trug aber doch mit ihrem Zustande Mitlei-
den, und ließ sie wieder gehen; mit dem Be-
fehle, sich aus Aegypten wegzumachen, und

eine
* 50 deutsche Meilen.
2* 15 deutsche Meilen.
3* Dieses ist ohne Zweifel
Dictamnus cretica oder der kretische Diptam, sonst Gjirid Oti oder das kretische Kraut bey den Tür-
ken genennet.

Osmaniſche Geſchichte
Seeraͤubern, welche die tuͤrkiſchen Schiffe pluͤnderten, einen ſichern Hafen ver-
ſtattete. Die oͤftern Klagen, die ſeine Unterthanen gegen die Venetianer ein-
brachten, hatten ihm ſchon vorher Luft gemacht, dieſes Eyland zu erobern;
[Spaltenumbruch]
den tuͤrkiſchen Schriftſtellern antrifft; und
ſollte es auch nur geſchehen, um ihre Sorg-
falt zu zeigen, die ſie anwenden, die Thaten
ihrer Landesleute auf die Nachkommen zu brin-
gen. Kritos, das durch Veraͤnderung eini-
ger Buchſtaben von andern verderbter Weiſe
Gjirid genennet wird, iſt das vornehmſte Ey-
land in dem mittellaͤndiſchen Meere, und er-
ſtrecket ſich von Oſten nach Weſten in die Laͤnge
auf zwey hundert*, und in die Breite auf
ſechszig2* Meilen. Es ſcheinet von der Na-
tur ſelbſt eigentlich zum Vergnuͤgen der Men-
ſchen hervorgebracht zu ſeyn. Der Boden iſt
allenthalben fruchtbar, und traͤget alle Gat-
tungen von Korne im Ueberfluſſe. Die duf-
tenden Felder ſtehen voll von Kraͤutern, die
ſowol zum Futter fuͤr Thiere und Voͤgel, als
auch zur Arzney, dienlich ſind: unter dieſe letz-
tern iſt ſonderlich das Kraut Iftimuͤm3*
zu rechnen, deſſen wunderſame Tugenden
ſchon die alten Aerzte geruͤhmet haben.
Keine wilden Thiere, die Menſchen oder Thie-
ren ſchaden, als Woͤlfe, Fuͤchſe, Schlangen,
kommen iemals daſelbſt zur Welt; und wenn
ſie auch von andern Orten dahin gebracht
werden: ſo koͤnnen ſie allda nicht leben.
Die erſten Einwohner dieſes Eylandes haben
den uͤbrigen Theil der Welt in der feinen Art
zu leben unterrichtet. Die Verehrer gehaue-
ner Bilder ſind beſtaͤndig der Meinung gewe-
ſen, daß der Fuͤrſt der heidniſchen Goͤtzen
in Krete geboren ſey. Aus eben dieſem Va-
terlande ſind die Muſik und andere Kuͤnſte
entſprungen, die den Menſchen zum Vergnuͤ-
[Spaltenumbruch]
gen und zur Anleitung zu anſtaͤndigen Sitten
dienen. Es hatte vor dieſem viele und ſehr
beruͤhmte Staͤdte, und eine unzaͤhlige Menge
Doͤrfer und Einwohner; weil die Mildigkeit
der Luft und die gemaͤßigte Lage die neuen
Anbauer von allen Gegenden hieher lockte.
Es ſtund lange Zeit unter der Griechen Bot-
maͤßigkeit; nachgehends wurde es durch die
Waffen der Muͤſuͤlmanen den Spaniern abge-
nommen und erobert. Denn im Jahre
der Hidſchret 204, als Hakjim, Heſſams
Sohn, aus dem Geſchlechte Uemmije, zu Cor-
duba in Spanien regierete: ſo entſpann ſich
eine Empoͤrung wider ihn, die ſo ſchnell zu-
nahm, daß eine Rotte der Verſchwornen
Hakjims Palaſt umringete, und ihn umzu-
bringen trachtete. Der Koͤnig wehrete ſich
tapfer, und trieb nach einem blutigen Gefechte
die Aufruͤhrer aus einander, erlegte viele
von ihnen, und ſchenkte den uͤbrigen das Le-
ben; unter der Bedingung, daß ſie wegziehen
und ſich neue Wohnungen ſuchen ſollten.
Als die Muͤſuͤlmanen ſolchergeſtalt aus ihrem
alten Sitze vertrieben waren: ſo ſegelten
dieſelben mit dreyßig Schiffen nach Aegypten
zu, und langeten daſelbſt nicht weit von Alexan-
drien an. Aebduͤllah, Tahirs Sohn, der da-
zumal Aegypten im Namen des Koͤniges in
Perſien regierete, kam daruͤber von Kahire
mit einem großen Kriegesheere herbey, uͤber-
fiel ſie unverſehens, und umringete dieſelben.
Er trug aber doch mit ihrem Zuſtande Mitlei-
den, und ließ ſie wieder gehen; mit dem Be-
fehle, ſich aus Aegypten wegzumachen, und

eine
* 50 deutſche Meilen.
2* 15 deutſche Meilen.
3* Dieſes iſt ohne Zweifel
Dictamnus cretica oder der kretiſche Diptam, ſonſt Gjirid Oti oder das kretiſche Kraut bey den Tuͤr-
ken genennet.
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[382/0488] Osmaniſche Geſchichte Seeraͤubern, welche die tuͤrkiſchen Schiffe pluͤnderten, einen ſichern Hafen ver- ſtattete. Die oͤftern Klagen, die ſeine Unterthanen gegen die Venetianer ein- brachten, hatten ihm ſchon vorher Luft gemacht, dieſes Eyland zu erobern; eine den tuͤrkiſchen Schriftſtellern antrifft; und ſollte es auch nur geſchehen, um ihre Sorg- falt zu zeigen, die ſie anwenden, die Thaten ihrer Landesleute auf die Nachkommen zu brin- gen. Kritos, das durch Veraͤnderung eini- ger Buchſtaben von andern verderbter Weiſe Gjirid genennet wird, iſt das vornehmſte Ey- land in dem mittellaͤndiſchen Meere, und er- ſtrecket ſich von Oſten nach Weſten in die Laͤnge auf zwey hundert *, und in die Breite auf ſechszig 2* Meilen. Es ſcheinet von der Na- tur ſelbſt eigentlich zum Vergnuͤgen der Men- ſchen hervorgebracht zu ſeyn. Der Boden iſt allenthalben fruchtbar, und traͤget alle Gat- tungen von Korne im Ueberfluſſe. Die duf- tenden Felder ſtehen voll von Kraͤutern, die ſowol zum Futter fuͤr Thiere und Voͤgel, als auch zur Arzney, dienlich ſind: unter dieſe letz- tern iſt ſonderlich das Kraut Iftimuͤm 3* zu rechnen, deſſen wunderſame Tugenden ſchon die alten Aerzte geruͤhmet haben. Keine wilden Thiere, die Menſchen oder Thie- ren ſchaden, als Woͤlfe, Fuͤchſe, Schlangen, kommen iemals daſelbſt zur Welt; und wenn ſie auch von andern Orten dahin gebracht werden: ſo koͤnnen ſie allda nicht leben. Die erſten Einwohner dieſes Eylandes haben den uͤbrigen Theil der Welt in der feinen Art zu leben unterrichtet. Die Verehrer gehaue- ner Bilder ſind beſtaͤndig der Meinung gewe- ſen, daß der Fuͤrſt der heidniſchen Goͤtzen in Krete geboren ſey. Aus eben dieſem Va- terlande ſind die Muſik und andere Kuͤnſte entſprungen, die den Menſchen zum Vergnuͤ- gen und zur Anleitung zu anſtaͤndigen Sitten dienen. Es hatte vor dieſem viele und ſehr beruͤhmte Staͤdte, und eine unzaͤhlige Menge Doͤrfer und Einwohner; weil die Mildigkeit der Luft und die gemaͤßigte Lage die neuen Anbauer von allen Gegenden hieher lockte. Es ſtund lange Zeit unter der Griechen Bot- maͤßigkeit; nachgehends wurde es durch die Waffen der Muͤſuͤlmanen den Spaniern abge- nommen und erobert. Denn im Jahre der Hidſchret 204, als Hakjim, Heſſams Sohn, aus dem Geſchlechte Uemmije, zu Cor- duba in Spanien regierete: ſo entſpann ſich eine Empoͤrung wider ihn, die ſo ſchnell zu- nahm, daß eine Rotte der Verſchwornen Hakjims Palaſt umringete, und ihn umzu- bringen trachtete. Der Koͤnig wehrete ſich tapfer, und trieb nach einem blutigen Gefechte die Aufruͤhrer aus einander, erlegte viele von ihnen, und ſchenkte den uͤbrigen das Le- ben; unter der Bedingung, daß ſie wegziehen und ſich neue Wohnungen ſuchen ſollten. Als die Muͤſuͤlmanen ſolchergeſtalt aus ihrem alten Sitze vertrieben waren: ſo ſegelten dieſelben mit dreyßig Schiffen nach Aegypten zu, und langeten daſelbſt nicht weit von Alexan- drien an. Aebduͤllah, Tahirs Sohn, der da- zumal Aegypten im Namen des Koͤniges in Perſien regierete, kam daruͤber von Kahire mit einem großen Kriegesheere herbey, uͤber- fiel ſie unverſehens, und umringete dieſelben. Er trug aber doch mit ihrem Zuſtande Mitlei- den, und ließ ſie wieder gehen; mit dem Be- fehle, ſich aus Aegypten wegzumachen, und niemals * 50 deutſche Meilen. 2* 15 deutſche Meilen. 3* Dieſes iſt ohne Zweifel Dictamnus cretica oder der kretiſche Diptam, ſonſt Gjirid Oti oder das kretiſche Kraut bey den Tuͤr- ken genennet.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/488>, abgerufen am 22.11.2024.