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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
Tokmak 1 Chan mit einem ansehnlichen Kriegesheere im Anzuge sey, die Stadt
zu entsetzen, und schicket demselben die Paschen von Erßirum und Dijarbekjir
mit einem Theile seiner Völker entgegen. Diese Feldherren überfallen die
Feinde, überwinden dieselben und schlagen sie in die Flucht. Der Vortheil
von diesem Siege war Tiflis, eine bekannte Stadt in Armenien, die gleich nach
der Schlacht eingenommen und mit Feuer und Schwerte verheret wurde.
Mustäfa Pascha führete hierauf seine Truppen nach Schemachije zu. Weil
aber das anhaltende Regenwetter alle Unternehmungen verhinderte: so ließ er
Oeßdemir Ogli 2 Osman Pascha und den Begjlerbegj von Erßenürrumi 3 [Spaltenumbruch]
1 Tokmak] Dieses Wort heißet, sei-
nem Ursprunge nach, einen Hammer, Stäm-
pfel, oder eine Ramme, damit man Pfähle
in den Grund schläget: im verblümten Ver-
stande aber wird es einem Manne beygeleget,
der eine Sache mit allzugroßer Heftigkeit und
Ungestüme treibet. Daher kommt das
Sprichwort: Baschümüße Tokmak gjeldi,
der Hammer kommt uns über den Kopf; das
ist, der Mann plaget uns ohne Unterlaß.
Es scheinet auch nicht, daß es der Name ei-
nes Geschlechtes sey, weil kein persisches Haus
iemals denselben geführet hat; sondern, daß
er von den Türken aufgebracht worden.
Denn es ist bey ihnen gewöhnlich, daß sie
nicht allein den Feldhauptleuten ihrer Feinde;
sondern auch ganzen Völkern, Beynamen
geben, die zwar eben nicht rühmlich sind,
dennoch aber auf gewisse Weise eine Aehnlich-
keit mit sich führen. So gaben sie dem ge-
genwärtigen Könige in Polen, August, als
er noch allein Churfürst von Sachsen und
Feldherr der Kaiserlichen in Ungarn war, den
[Spaltenumbruch]
Namen Näl Kiran, Hufeisenbrecher. Die
Jüden pflegen sie zu nennen; Tschifud*,
Hunde: die Perser; Kißilbasch, Rothköpfe:
die Armenier; Pochtschi, Dreckfresser: die
Georgier; Bit Jejidschi, Läusefresser: die
Scythen2*; Lasch Jejidschi, Aasfresser: die
Indianer; Dilendschi, Bettler: die Araber;
Aekilsiß, Unsinnige: diejenigen, die ihnen
unterthan sind, sonderlich die Griechen; Boj-
nuß siß Kojun, Schafe ohne Hörner: dieje-
nigen, die auf dem festen Lande wohnen;
Aerebedschi3*, Fuhrleute: die Eyländer;
Gjemidschi, Botsknechte: die Albanier; Dschi-
gjerdschi, Lungenhändler: die Moldauer;
Bogdani nadan, unwissende Bogdaner: die
Walachen; Tschingjane4*: die Bulgarier
und Sirbier; Häjdud5*, Räuber: die Do-
brudscher; Tschitak6*: die Zigeuner; Fi-
räwni, Pharaoniter: die Raguser; Dschasus,
Spionen, Verräther: die Bosnier; Potur7*,
Verherer des Landes, Streifer: die Russen;
Rusi menkjus, Verruchte: die Polen; Fu-
ßul8* Gjawr; pralende, hochmüthige Un-

zurück,
* Ist ein verderbtes Wort von Jehud, und wird in verächtlichem Verstande gebrauchet.
2* Tatarn.
3* Arabadschi.
4* Tschenkj bedeutet eine Harpfe, und Tschengji
einen Spielmann.
5* Dieses ist eigentlich der Name des ungarischen leichten Fußvolks,
das wir Heiducken nennen: auf ungarisch lautet es Haydu.
6* Tschit heißet einen Zaun,
und also kann das Wort mit der Endung ak (wie Kosak, Kalmak), Gesindlein hinter dem Zaune be-
deuten.
7* So heißen eigentlich die an den Grenzen wohnenden Neubekehrten, oder die
sich zu dem muhämmedischen Glauben gewendet haben.
8* Fodol.

Osmaniſche Geſchichte
Tokmak 1 Chan mit einem anſehnlichen Kriegesheere im Anzuge ſey, die Stadt
zu entſetzen, und ſchicket demſelben die Paſchen von Erßirum und Dijarbekjir
mit einem Theile ſeiner Voͤlker entgegen. Dieſe Feldherren uͤberfallen die
Feinde, uͤberwinden dieſelben und ſchlagen ſie in die Flucht. Der Vortheil
von dieſem Siege war Tiflis, eine bekannte Stadt in Armenien, die gleich nach
der Schlacht eingenommen und mit Feuer und Schwerte verheret wurde.
Muſtaͤfa Paſcha fuͤhrete hierauf ſeine Truppen nach Schemachije zu. Weil
aber das anhaltende Regenwetter alle Unternehmungen verhinderte: ſo ließ er
Oeßdemir Ogli 2 Osman Paſcha und den Begjlerbegj von Erßenuͤrrumi 3 [Spaltenumbruch]
1 Tokmak] Dieſes Wort heißet, ſei-
nem Urſprunge nach, einen Hammer, Staͤm-
pfel, oder eine Ramme, damit man Pfaͤhle
in den Grund ſchlaͤget: im verbluͤmten Ver-
ſtande aber wird es einem Manne beygeleget,
der eine Sache mit allzugroßer Heftigkeit und
Ungeſtuͤme treibet. Daher kommt das
Sprichwort: Baſchuͤmuͤße Tokmak gjeldi,
der Hammer kommt uns uͤber den Kopf; das
iſt, der Mann plaget uns ohne Unterlaß.
Es ſcheinet auch nicht, daß es der Name ei-
nes Geſchlechtes ſey, weil kein perſiſches Haus
iemals denſelben gefuͤhret hat; ſondern, daß
er von den Tuͤrken aufgebracht worden.
Denn es iſt bey ihnen gewoͤhnlich, daß ſie
nicht allein den Feldhauptleuten ihrer Feinde;
ſondern auch ganzen Voͤlkern, Beynamen
geben, die zwar eben nicht ruͤhmlich ſind,
dennoch aber auf gewiſſe Weiſe eine Aehnlich-
keit mit ſich fuͤhren. So gaben ſie dem ge-
genwaͤrtigen Koͤnige in Polen, Auguſt, als
er noch allein Churfuͤrſt von Sachſen und
Feldherr der Kaiſerlichen in Ungarn war, den
[Spaltenumbruch]
Namen Naͤl Kiran, Hufeiſenbrecher. Die
Juͤden pflegen ſie zu nennen; Tſchifud*,
Hunde: die Perſer; Kißilbaſch, Rothkoͤpfe:
die Armenier; Pochtſchi, Dreckfreſſer: die
Georgier; Bit Jejidſchi, Laͤuſefreſſer: die
Scythen2*; Laſch Jejidſchi, Aasfreſſer: die
Indianer; Dilendſchi, Bettler: die Araber;
Aekilſiß, Unſinnige: diejenigen, die ihnen
unterthan ſind, ſonderlich die Griechen; Boj-
nuß ſiß Kojun, Schafe ohne Hoͤrner: dieje-
nigen, die auf dem feſten Lande wohnen;
Aerebedſchi3*, Fuhrleute: die Eylaͤnder;
Gjemidſchi, Botsknechte: die Albanier; Dſchi-
gjerdſchi, Lungenhaͤndler: die Moldauer;
Bogdani nadan, unwiſſende Bogdaner: die
Walachen; Tſchingjane4*: die Bulgarier
und Sirbier; Haͤjdud5*, Raͤuber: die Do-
brudſcher; Tſchitak6*: die Zigeuner; Fi-
raͤwni, Pharaoniter: die Raguſer; Dſchaſus,
Spionen, Verraͤther: die Bosnier; Potur7*,
Verherer des Landes, Streifer: die Ruſſen;
Ruſi menkjus, Verruchte: die Polen; Fu-
ßul8* Gjawr; pralende, hochmuͤthige Un-

zuruͤck,
* Iſt ein verderbtes Wort von Jehud, und wird in veraͤchtlichem Verſtande gebrauchet.
2* Tatarn.
3* Arabadſchi.
4* Tſchenkj bedeutet eine Harpfe, und Tſchengji
einen Spielmann.
5* Dieſes iſt eigentlich der Name des ungariſchen leichten Fußvolks,
das wir Heiducken nennen: auf ungariſch lautet es Haydu.
6* Tſchit heißet einen Zaun,
und alſo kann das Wort mit der Endung ak (wie Koſak, Kalmak), Geſindlein hinter dem Zaune be-
deuten.
7* So heißen eigentlich die an den Grenzen wohnenden Neubekehrten, oder die
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8* Fodol.
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[346/0440] Osmaniſche Geſchichte Tokmak ¹ Chan mit einem anſehnlichen Kriegesheere im Anzuge ſey, die Stadt zu entſetzen, und ſchicket demſelben die Paſchen von Erßirum und Dijarbekjir mit einem Theile ſeiner Voͤlker entgegen. Dieſe Feldherren uͤberfallen die Feinde, uͤberwinden dieſelben und ſchlagen ſie in die Flucht. Der Vortheil von dieſem Siege war Tiflis, eine bekannte Stadt in Armenien, die gleich nach der Schlacht eingenommen und mit Feuer und Schwerte verheret wurde. Muſtaͤfa Paſcha fuͤhrete hierauf ſeine Truppen nach Schemachije zu. Weil aber das anhaltende Regenwetter alle Unternehmungen verhinderte: ſo ließ er Oeßdemir Ogli ² Osman Paſcha und den Begjlerbegj von Erßenuͤrrumi ³ zuruͤck, ¹ Tokmak] Dieſes Wort heißet, ſei- nem Urſprunge nach, einen Hammer, Staͤm- pfel, oder eine Ramme, damit man Pfaͤhle in den Grund ſchlaͤget: im verbluͤmten Ver- ſtande aber wird es einem Manne beygeleget, der eine Sache mit allzugroßer Heftigkeit und Ungeſtuͤme treibet. Daher kommt das Sprichwort: Baſchuͤmuͤße Tokmak gjeldi, der Hammer kommt uns uͤber den Kopf; das iſt, der Mann plaget uns ohne Unterlaß. Es ſcheinet auch nicht, daß es der Name ei- nes Geſchlechtes ſey, weil kein perſiſches Haus iemals denſelben gefuͤhret hat; ſondern, daß er von den Tuͤrken aufgebracht worden. Denn es iſt bey ihnen gewoͤhnlich, daß ſie nicht allein den Feldhauptleuten ihrer Feinde; ſondern auch ganzen Voͤlkern, Beynamen geben, die zwar eben nicht ruͤhmlich ſind, dennoch aber auf gewiſſe Weiſe eine Aehnlich- keit mit ſich fuͤhren. So gaben ſie dem ge- genwaͤrtigen Koͤnige in Polen, Auguſt, als er noch allein Churfuͤrſt von Sachſen und Feldherr der Kaiſerlichen in Ungarn war, den Namen Naͤl Kiran, Hufeiſenbrecher. Die Juͤden pflegen ſie zu nennen; Tſchifud *, Hunde: die Perſer; Kißilbaſch, Rothkoͤpfe: die Armenier; Pochtſchi, Dreckfreſſer: die Georgier; Bit Jejidſchi, Laͤuſefreſſer: die Scythen 2*; Laſch Jejidſchi, Aasfreſſer: die Indianer; Dilendſchi, Bettler: die Araber; Aekilſiß, Unſinnige: diejenigen, die ihnen unterthan ſind, ſonderlich die Griechen; Boj- nuß ſiß Kojun, Schafe ohne Hoͤrner: dieje- nigen, die auf dem feſten Lande wohnen; Aerebedſchi 3*, Fuhrleute: die Eylaͤnder; Gjemidſchi, Botsknechte: die Albanier; Dſchi- gjerdſchi, Lungenhaͤndler: die Moldauer; Bogdani nadan, unwiſſende Bogdaner: die Walachen; Tſchingjane 4*: die Bulgarier und Sirbier; Haͤjdud 5*, Raͤuber: die Do- brudſcher; Tſchitak 6*: die Zigeuner; Fi- raͤwni, Pharaoniter: die Raguſer; Dſchaſus, Spionen, Verraͤther: die Bosnier; Potur 7*, Verherer des Landes, Streifer: die Ruſſen; Ruſi menkjus, Verruchte: die Polen; Fu- ßul 8* Gjawr; pralende, hochmuͤthige Un- glau- * Iſt ein verderbtes Wort von Jehud, und wird in veraͤchtlichem Verſtande gebrauchet. 2* Tatarn. 3* Arabadſchi. 4* Tſchenkj bedeutet eine Harpfe, und Tſchengji einen Spielmann. 5* Dieſes iſt eigentlich der Name des ungariſchen leichten Fußvolks, das wir Heiducken nennen: auf ungariſch lautet es Haydu. 6* Tſchit heißet einen Zaun, und alſo kann das Wort mit der Endung ak (wie Koſak, Kalmak), Geſindlein hinter dem Zaune be- deuten. 7* So heißen eigentlich die an den Grenzen wohnenden Neubekehrten, oder die ſich zu dem muhaͤmmediſchen Glauben gewendet haben. 8* Fodol.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/440>, abgerufen am 24.11.2024.