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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
dem bestimmten Orte einfand, kaum noch den dritten Theil von dem Kanale
verfertiget hatte: so wurden die Arbeiter durch anhaltenden Regen, kalte Sturm-
winde, und Mangel an Lebensmitteln, dergestalt abgemattet, daß ihrer viele
von Krankheit und Hunger starben, und die übrigen genöthiget wurden, die an-
gefangene Arbeit liegen zu lassen. Jedoch, bey allem diesem Unglücke brachte
dieser Feldzug noch einen Vortheil mit sich; nämlich, dreyßig tausend nigaj-
sche 11 Tatarn, die bisher unter dem russischen Reiche gestanden waren, wende-
ten sich itzo wieder zu den Osmanen, und zogen mit allen den Ihrigen in die
Krim, da man ihnen ihren Wohnplatz anwiese. Weil nun Kirim Chani in
seiner Unternehmung unglücklich war: so kehreten die Türken wieder nach Con-
stantinopel zurück.

Selim dämpfet
einen Aufruhrin Jemen:
6.

Um eben diese Zeit war es, daß Muttahir, Scherif des Königreichs
Jemen, nebst einigen Arabern, die er auf seine Seite gebracht hatte, den Begj-
H. 977.



J. C. 1569.lerbegj von Jemen, Murad Pascha, plötzlich überfiel, denselben mit seinem ge-
sammten Kriegesheere erschlug, und solchergestalt Jemen von der türkischen Un-
terwürfigkeit frey machte. Als Selim die Zeitung von diesem Aufruhre erhielte:
so wollte er für Unmuth rasend werden, daß er einen so schlechten Mann zum
Bedienten gehabt hätte, und gab dem Statthalter in Aegypten, Sinan Pascha 12,
Befehl, sich mit seinen Truppen zu Oeßdemir 13 Oglis Völkern zu fügen, und
für ihre erschlagenen Landesleute Rache auszuüben. Diese beyden Feldherren
führeten diese Sache gesammter Hand so wohl aus, daß sie die Aufrührer über-
raschten, aus dem Felde schlugen und zerstreueten, und also das ganze Land
[Spaltenumbruch]
stalt gewohnt, daß man nicht von ihnen hö-
ret, daß sie ihre vorige Freyheit wieder zu er-
langen trachteten, wann sie auch gute Gele-
genheit dazu haben. Was also die Waffen
Alexanders des Großen nicht ausrichten konn-
ten, das haben die Knut und Batog der Rus-
sen zuwege gebracht, und die Wildheit dieses
Volkes völlig bezähmet. Doch, was ver-
mag nicht Furcht, mit Liebe verbunden, in
den Gemüthern der Menschen!
11 nigajsche] Diese bekamen ihre Woh-
nungen angewiesen bey den budschakischen Ta-
tarn in Bessarabien, unter denen noch bis auf
den heutigen Tag über achtzehen tausend so ge-
[Spaltenumbruch]
nannte kaßanische Tatarn gerechnet werden.
Ich habe ihre Brüder in dem russischen Reiche
gesehen, und keinen Unterschied, weder in der
Sprache, Gesichtsbildung, noch in den Sitten,
an ihnen bemerket. So tief hat die Natur
einem ieden Volke seine eigenen Merkmale
eingepräget, daß sie durch keine Entfernung
des Ortes und Veränderung der Himmels-
gegend können geändert, viel weniger aber
gänzlich ausgetilget werden.
12 Sinan] Man muß ihn nicht mit ei-
nem andern Sinan Pascha vermengen, der ober-
ster Weßir bey Selim dem I war*, und in dem
Treffen mit den Tscherkassiern erschlagen wurde.

wieder
* Man sehe die 10 Anmerkung, auf der 220 Seite.

Osmaniſche Geſchichte
dem beſtimmten Orte einfand, kaum noch den dritten Theil von dem Kanale
verfertiget hatte: ſo wurden die Arbeiter durch anhaltenden Regen, kalte Sturm-
winde, und Mangel an Lebensmitteln, dergeſtalt abgemattet, daß ihrer viele
von Krankheit und Hunger ſtarben, und die uͤbrigen genoͤthiget wurden, die an-
gefangene Arbeit liegen zu laſſen. Jedoch, bey allem dieſem Ungluͤcke brachte
dieſer Feldzug noch einen Vortheil mit ſich; naͤmlich, dreyßig tauſend nigaj-
ſche 11 Tatarn, die bisher unter dem ruſſiſchen Reiche geſtanden waren, wende-
ten ſich itzo wieder zu den Osmanen, und zogen mit allen den Ihrigen in die
Krim, da man ihnen ihren Wohnplatz anwieſe. Weil nun Kirim Chani in
ſeiner Unternehmung ungluͤcklich war: ſo kehreten die Tuͤrken wieder nach Con-
ſtantinopel zuruͤck.

Selim daͤmpfet
einen Aufruhrin Jemen:
6.

Um eben dieſe Zeit war es, daß Muttahir, Scherif des Koͤnigreichs
Jemen, nebſt einigen Arabern, die er auf ſeine Seite gebracht hatte, den Begj-
H. 977.



J. C. 1569.lerbegj von Jemen, Murad Paſcha, ploͤtzlich uͤberfiel, denſelben mit ſeinem ge-
ſammten Kriegesheere erſchlug, und ſolchergeſtalt Jemen von der tuͤrkiſchen Un-
terwuͤrfigkeit frey machte. Als Selim die Zeitung von dieſem Aufruhre erhielte:
ſo wollte er fuͤr Unmuth raſend werden, daß er einen ſo ſchlechten Mann zum
Bedienten gehabt haͤtte, und gab dem Statthalter in Aegypten, Sinan Paſcha 12,
Befehl, ſich mit ſeinen Truppen zu Oeßdemir 13 Oglis Voͤlkern zu fuͤgen, und
fuͤr ihre erſchlagenen Landesleute Rache auszuuͤben. Dieſe beyden Feldherren
fuͤhreten dieſe Sache geſammter Hand ſo wohl aus, daß ſie die Aufruͤhrer uͤber-
raſchten, aus dem Felde ſchlugen und zerſtreueten, und alſo das ganze Land
[Spaltenumbruch]
ſtalt gewohnt, daß man nicht von ihnen hoͤ-
ret, daß ſie ihre vorige Freyheit wieder zu er-
langen trachteten, wann ſie auch gute Gele-
genheit dazu haben. Was alſo die Waffen
Alexanders des Großen nicht ausrichten konn-
ten, das haben die Knut und Batog der Ruſ-
ſen zuwege gebracht, und die Wildheit dieſes
Volkes voͤllig bezaͤhmet. Doch, was ver-
mag nicht Furcht, mit Liebe verbunden, in
den Gemuͤthern der Menſchen!
11 nigajſche] Dieſe bekamen ihre Woh-
nungen angewieſen bey den budſchakiſchen Ta-
tarn in Beſſarabien, unter denen noch bis auf
den heutigen Tag uͤber achtzehen tauſend ſo ge-
[Spaltenumbruch]
nannte kaßaniſche Tatarn gerechnet werden.
Ich habe ihre Bruͤder in dem ruſſiſchen Reiche
geſehen, und keinen Unterſchied, weder in der
Sprache, Geſichtsbildung, noch in den Sitten,
an ihnen bemerket. So tief hat die Natur
einem ieden Volke ſeine eigenen Merkmale
eingepraͤget, daß ſie durch keine Entfernung
des Ortes und Veraͤnderung der Himmels-
gegend koͤnnen geaͤndert, viel weniger aber
gaͤnzlich ausgetilget werden.
12 Sinan] Man muß ihn nicht mit ei-
nem andern Sinan Paſcha vermengen, der ober-
ſter Weßir bey Selim dem I war*, und in dem
Treffen mit den Tſcherkaſſiern erſchlagen wurde.

wieder
* Man ſehe die 10 Anmerkung, auf der 220 Seite.
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[334/0426] Osmaniſche Geſchichte dem beſtimmten Orte einfand, kaum noch den dritten Theil von dem Kanale verfertiget hatte: ſo wurden die Arbeiter durch anhaltenden Regen, kalte Sturm- winde, und Mangel an Lebensmitteln, dergeſtalt abgemattet, daß ihrer viele von Krankheit und Hunger ſtarben, und die uͤbrigen genoͤthiget wurden, die an- gefangene Arbeit liegen zu laſſen. Jedoch, bey allem dieſem Ungluͤcke brachte dieſer Feldzug noch einen Vortheil mit ſich; naͤmlich, dreyßig tauſend nigaj- ſche ¹¹ Tatarn, die bisher unter dem ruſſiſchen Reiche geſtanden waren, wende- ten ſich itzo wieder zu den Osmanen, und zogen mit allen den Ihrigen in die Krim, da man ihnen ihren Wohnplatz anwieſe. Weil nun Kirim Chani in ſeiner Unternehmung ungluͤcklich war: ſo kehreten die Tuͤrken wieder nach Con- ſtantinopel zuruͤck. 6. Um eben dieſe Zeit war es, daß Muttahir, Scherif des Koͤnigreichs Jemen, nebſt einigen Arabern, die er auf ſeine Seite gebracht hatte, den Begj- lerbegj von Jemen, Murad Paſcha, ploͤtzlich uͤberfiel, denſelben mit ſeinem ge- ſammten Kriegesheere erſchlug, und ſolchergeſtalt Jemen von der tuͤrkiſchen Un- terwuͤrfigkeit frey machte. Als Selim die Zeitung von dieſem Aufruhre erhielte: ſo wollte er fuͤr Unmuth raſend werden, daß er einen ſo ſchlechten Mann zum Bedienten gehabt haͤtte, und gab dem Statthalter in Aegypten, Sinan Paſcha ¹² , Befehl, ſich mit ſeinen Truppen zu Oeßdemir ¹³ Oglis Voͤlkern zu fuͤgen, und fuͤr ihre erſchlagenen Landesleute Rache auszuuͤben. Dieſe beyden Feldherren fuͤhreten dieſe Sache geſammter Hand ſo wohl aus, daß ſie die Aufruͤhrer uͤber- raſchten, aus dem Felde ſchlugen und zerſtreueten, und alſo das ganze Land wieder ſtalt gewohnt, daß man nicht von ihnen hoͤ- ret, daß ſie ihre vorige Freyheit wieder zu er- langen trachteten, wann ſie auch gute Gele- genheit dazu haben. Was alſo die Waffen Alexanders des Großen nicht ausrichten konn- ten, das haben die Knut und Batog der Ruſ- ſen zuwege gebracht, und die Wildheit dieſes Volkes voͤllig bezaͤhmet. Doch, was ver- mag nicht Furcht, mit Liebe verbunden, in den Gemuͤthern der Menſchen! ¹¹ nigajſche] Dieſe bekamen ihre Woh- nungen angewieſen bey den budſchakiſchen Ta- tarn in Beſſarabien, unter denen noch bis auf den heutigen Tag uͤber achtzehen tauſend ſo ge- nannte kaßaniſche Tatarn gerechnet werden. Ich habe ihre Bruͤder in dem ruſſiſchen Reiche geſehen, und keinen Unterſchied, weder in der Sprache, Geſichtsbildung, noch in den Sitten, an ihnen bemerket. So tief hat die Natur einem ieden Volke ſeine eigenen Merkmale eingepraͤget, daß ſie durch keine Entfernung des Ortes und Veraͤnderung der Himmels- gegend koͤnnen geaͤndert, viel weniger aber gaͤnzlich ausgetilget werden. ¹² Sinan] Man muß ihn nicht mit ei- nem andern Sinan Paſcha vermengen, der ober- ſter Weßir bey Selim dem I war *, und in dem Treffen mit den Tſcherkaſſiern erſchlagen wurde. H. 977. J. C. 1569. * Man ſehe die 10 Anmerkung, auf der 220 Seite.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/426>, abgerufen am 22.11.2024.