sich von diesen Ländern Meister zu machen. Um nun diese Flamme beyzeiten zu dämpfen, schickte Selim Ferhad Pascha mit einem guten Theile seiner Truppen dahin. Als dieser nach Amasia kommt: so vernimmt er, daß die ganze Bande nebst ihrem Rädelsführer bereits von Ilbistanbegj Mehemmed, des Schejch Sa- wurs Sohne, zerstreuet worden sey. Weil er nun nicht gerne will, daß sein Heer durch eine so lange Reise vergebens sollte ermüdet werden; und auch sich nicht getrauet, ohne des Kaisers Befehl wieder zurück zu kehren: so lagert er sich bey Amasia, und wartet daselbst auf Antwort auf den Bericht, den er an den Sultan gesendet hatte. Mittlerweile kommt ein boshafter Verläumder zu ihm, und giebt vor, er könnte aus schuldiger Treue gegen den Kaiser nicht umhin, einen vorhabenden Aufruhr der Einwohner derselben Stadt zu entdecken: denn, saget er, es stecket unter den Bürgern zu Amasia ein gewisser verstellter Murad verborgen, der sich rühmet, ein Sohn des Sultan Aehmeds zu seyn, und bereits die ganze Stadt, auch noch über sieben hundert Räuber, auf seine Seite gebracht hat. Ferhad Pascha, ohne die Wahrheit der Sache zu unter- suchen, berichtet dem Kaiser, was er gehöret hatte, und verlanget bey dieser instehenden Gefahr dessen Befehl. Selim, der sich vielleicht auf die Klugheit seines Feldherrn verließe, schicket ihm, ohne weitere Untersuchung anzustellen, den Befehl zu, daß alle die Vornehmsten des Landes sollten gespießet werden. Ferhad vollstrecket auch des Kaisers Gebot, und lässet über sechs hundert unschul- dige Personen von Ansehen an Pfäle spießen, andere enthaupten, und die übri- gen an Pferdeschwänze binden und durch die Gassen schleifen.
Geschichte
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9. Selim der I
ſich von dieſen Laͤndern Meiſter zu machen. Um nun dieſe Flamme beyzeiten zu daͤmpfen, ſchickte Selim Ferhad Paſcha mit einem guten Theile ſeiner Truppen dahin. Als dieſer nach Amaſia kommt: ſo vernimmt er, daß die ganze Bande nebſt ihrem Raͤdelsfuͤhrer bereits von Ilbiſtanbegj Mehemmed, des Schejch Sa- wurs Sohne, zerſtreuet worden ſey. Weil er nun nicht gerne will, daß ſein Heer durch eine ſo lange Reiſe vergebens ſollte ermuͤdet werden; und auch ſich nicht getrauet, ohne des Kaiſers Befehl wieder zuruͤck zu kehren: ſo lagert er ſich bey Amaſia, und wartet daſelbſt auf Antwort auf den Bericht, den er an den Sultan geſendet hatte. Mittlerweile kommt ein boshafter Verlaͤumder zu ihm, und giebt vor, er koͤnnte aus ſchuldiger Treue gegen den Kaiſer nicht umhin, einen vorhabenden Aufruhr der Einwohner derſelben Stadt zu entdecken: denn, ſaget er, es ſtecket unter den Buͤrgern zu Amaſia ein gewiſſer verſtellter Murad verborgen, der ſich ruͤhmet, ein Sohn des Sultan Aehmeds zu ſeyn, und bereits die ganze Stadt, auch noch uͤber ſieben hundert Raͤuber, auf ſeine Seite gebracht hat. Ferhad Paſcha, ohne die Wahrheit der Sache zu unter- ſuchen, berichtet dem Kaiſer, was er gehoͤret hatte, und verlanget bey dieſer inſtehenden Gefahr deſſen Befehl. Selim, der ſich vielleicht auf die Klugheit ſeines Feldherrn verließe, ſchicket ihm, ohne weitere Unterſuchung anzuſtellen, den Befehl zu, daß alle die Vornehmſten des Landes ſollten geſpießet werden. Ferhad vollſtrecket auch des Kaiſers Gebot, und laͤſſet uͤber ſechs hundert unſchul- dige Perſonen von Anſehen an Pfaͤle ſpießen, andere enthaupten, und die uͤbri- gen an Pferdeſchwaͤnze binden und durch die Gaſſen ſchleifen.
Geſchichte
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9. Selim der I
ſich von dieſen Laͤndern Meiſter zu machen. Um nun dieſe Flamme beyzeiten
zu daͤmpfen, ſchickte Selim Ferhad Paſcha mit einem guten Theile ſeiner Truppen
dahin. Als dieſer nach Amaſia kommt: ſo vernimmt er, daß die ganze Bande
nebſt ihrem Raͤdelsfuͤhrer bereits von Ilbiſtanbegj Mehemmed, des Schejch Sa-
wurs Sohne, zerſtreuet worden ſey. Weil er nun nicht gerne will, daß ſein
Heer durch eine ſo lange Reiſe vergebens ſollte ermuͤdet werden; und auch ſich
nicht getrauet, ohne des Kaiſers Befehl wieder zuruͤck zu kehren: ſo lagert er
ſich bey Amaſia, und wartet daſelbſt auf Antwort auf den Bericht, den er an
den Sultan geſendet hatte. Mittlerweile kommt ein boshafter Verlaͤumder
zu ihm, und giebt vor, er koͤnnte aus ſchuldiger Treue gegen den Kaiſer nicht
umhin, einen vorhabenden Aufruhr der Einwohner derſelben Stadt zu entdecken:
denn, ſaget er, es ſtecket unter den Buͤrgern zu Amaſia ein gewiſſer verſtellter
Murad verborgen, der ſich ruͤhmet, ein Sohn des Sultan Aehmeds zu ſeyn,
und bereits die ganze Stadt, auch noch uͤber ſieben hundert Raͤuber, auf ſeine
Seite gebracht hat. Ferhad Paſcha, ohne die Wahrheit der Sache zu unter-
ſuchen, berichtet dem Kaiſer, was er gehoͤret hatte, und verlanget bey dieſer
inſtehenden Gefahr deſſen Befehl. Selim, der ſich vielleicht auf die Klugheit
ſeines Feldherrn verließe, ſchicket ihm, ohne weitere Unterſuchung anzuſtellen,
den Befehl zu, daß alle die Vornehmſten des Landes ſollten geſpießet werden.
Ferhad vollſtrecket auch des Kaiſers Gebot, und laͤſſet uͤber ſechs hundert unſchul-
dige Perſonen von Anſehen an Pfaͤle ſpießen, andere enthaupten, und die uͤbri-
gen an Pferdeſchwaͤnze binden und durch die Gaſſen ſchleifen.
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/347>, abgerufen am 22.11.2024.
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