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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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7. Muhämmed der II
in den innern Hafen gebracht wurden, welches eben die Eroberung der Stadt
veranlassete 8. Nämlich, alle Bemühungen des Heeres zu Lande würden ohne
Zweifel vergeblich gewesen seyn (denn ungeachtet dieses auf Edrene Kapu 9 und
Egjri Kapu stark stürmete: so konnte es doch gegen die Griechen nichts aus-
richten, als welche die Verzweifelung tapfer gemacht hatte), wenn nicht die
Seetruppen durch das Thor Phenar 10 einen großen Theil der Stadt erobert,
und dadurch den übrigen Theil gezwungen hätten, sich an Muhämmed zu er-
[Spaltenumbruch]
demselben, was er gesehen hatte. Der Sul-
tan schicket unverzüglich nach dem Löffelma-
cher und seinem Demant. Er erstaunet über
den Glanz und die Größe desselben, lässet dem
Juden und Löffelmacher gute Belohnungen
reichen, und verwahret denselben unter seinen
übrigen Juwelen. Nach der Zeit hat man
ihm den Namen Kaschiktschi Taschi, oder des
Löffelmachers Stein, gegeben, und die Tür-
ken stehen in der Meinung, daß derselbe nicht
seines Gleichen in der ganzen Welt habe.
Derselbe Palast aber wird von den Türken
Tekkjur Seraj, oder der Palast der griechi-
schen Kaiser, genennet.
10 Phenar] wird insgemein Fener aus-
gesprochen, und ist ein Thor, das zu dem
niedern Hafen von Constantinopel führet, und
heutiges Tages sonderlich deswegen berühmt
ist, weil in der Nähe desselben der vornehmste
und reichste Adel unter den Griechen seinen
Sitz hat. Hier befindet sich auch die Patri-
archalwohnung und die Domkirche, die unter
andern Merkwürdigkeiten auch hauptsächlich
deswegen berühmt ist, weil darinnen die Re-
den, Schriften und Verhandlungen aller Pa-
triarchen sint der Zeit, daß Constantinopel
von den Türken erobert ist, ordentlich und
richtig beschrieben, aufbehalten werden. Nicht
weit davon ist eine hohe Schule, zur Unter-
richtung der Jugend: diese hat ein Grieche,
Namens Manolaki, bauen lassen, der nichts
unedles an sich hatte, außer sein Geblüt. In
[Spaltenumbruch]
dieser hohen Schule wird die Weltweisheit
nach allen ihren Theilen, nebst den übrigen
Wissenschaften, in der alten unverderbten
griechischen Sprache gelehret. Zu meiner
Zeit thaten sich daselbst solche Prälaten und
Lehrer hervor, welche eine ausnehmende Gott-
seligkeit und Gelehrtheit besaßen: nämlich,
Johann Kariophyllus, ein vortrefflicher Got-
tesgelehrter und Weltweiser, der nachgehends
der so berühmte Prediger in der Domkirche
gewesen ist; Balastus Skävophylax, Anto-
nius und Spandonius, sämtlich peripatetische
Weltweisen; Jakomius, ein genau erfahrner
Sprachgelehrter, von dem ich, als ich zu
Constantinopel wohnete, die Anfangsgründe
der Weltweisheit gelernet habe; Sebastus,
der durch seine Streitschriften gegen die Latei-
ner und durch seinen Kirchenkalender bekannt
genug geworden ist; Dionysius Hieromona-
chus und Alexander Maurokordatus, welcher
letztere sich in der gelehrten Welt auf man-
cherley Weise einen Namen gemacht hat, und
öffentlicher Lehrer der Weltweisheit, Gottes-
gelehrtheit und Naturlehre, hernach aber Dol-
metscher an dem osmanischen Hofe gewesen
ist. Er hat, außer einer Abhandlung von
dem Umlaufe des Geblütes, welche verschie-
dene male in Italien gedruckt worden ist,
eine weitläuftige Geschichte vom Ursprunge
der Welt bis auf unsere Zeiten geschrieben:
imgleichen Briefe, und noch unzählbare an-
dere kleine Werke mehr, die, wie ich itzo ver-
nehme, in Moldau herausgekommen sind,

geben.

7. Muhaͤmmed der II
in den innern Hafen gebracht wurden, welches eben die Eroberung der Stadt
veranlaſſete 8. Naͤmlich, alle Bemuͤhungen des Heeres zu Lande wuͤrden ohne
Zweifel vergeblich geweſen ſeyn (denn ungeachtet dieſes auf Edrene Kapu 9 und
Egjri Kapu ſtark ſtuͤrmete: ſo konnte es doch gegen die Griechen nichts aus-
richten, als welche die Verzweifelung tapfer gemacht hatte), wenn nicht die
Seetruppen durch das Thor Phenar 10 einen großen Theil der Stadt erobert,
und dadurch den uͤbrigen Theil gezwungen haͤtten, ſich an Muhaͤmmed zu er-
[Spaltenumbruch]
demſelben, was er geſehen hatte. Der Sul-
tan ſchicket unverzuͤglich nach dem Loͤffelma-
cher und ſeinem Demant. Er erſtaunet uͤber
den Glanz und die Groͤße deſſelben, laͤſſet dem
Juden und Loͤffelmacher gute Belohnungen
reichen, und verwahret denſelben unter ſeinen
uͤbrigen Juwelen. Nach der Zeit hat man
ihm den Namen Kaſchiktſchi Taſchi, oder des
Loͤffelmachers Stein, gegeben, und die Tuͤr-
ken ſtehen in der Meinung, daß derſelbe nicht
ſeines Gleichen in der ganzen Welt habe.
Derſelbe Palaſt aber wird von den Tuͤrken
Tekkjur Seraj, oder der Palaſt der griechi-
ſchen Kaiſer, genennet.
10 Phenar] wird insgemein Fener aus-
geſprochen, und iſt ein Thor, das zu dem
niedern Hafen von Conſtantinopel fuͤhret, und
heutiges Tages ſonderlich deswegen beruͤhmt
iſt, weil in der Naͤhe deſſelben der vornehmſte
und reichſte Adel unter den Griechen ſeinen
Sitz hat. Hier befindet ſich auch die Patri-
archalwohnung und die Domkirche, die unter
andern Merkwuͤrdigkeiten auch hauptſaͤchlich
deswegen beruͤhmt iſt, weil darinnen die Re-
den, Schriften und Verhandlungen aller Pa-
triarchen ſint der Zeit, daß Conſtantinopel
von den Tuͤrken erobert iſt, ordentlich und
richtig beſchrieben, aufbehalten werden. Nicht
weit davon iſt eine hohe Schule, zur Unter-
richtung der Jugend: dieſe hat ein Grieche,
Namens Manolaki, bauen laſſen, der nichts
unedles an ſich hatte, außer ſein Gebluͤt. In
[Spaltenumbruch]
dieſer hohen Schule wird die Weltweisheit
nach allen ihren Theilen, nebſt den uͤbrigen
Wiſſenſchaften, in der alten unverderbten
griechiſchen Sprache gelehret. Zu meiner
Zeit thaten ſich daſelbſt ſolche Praͤlaten und
Lehrer hervor, welche eine ausnehmende Gott-
ſeligkeit und Gelehrtheit beſaßen: naͤmlich,
Johann Kariophyllus, ein vortrefflicher Got-
tesgelehrter und Weltweiſer, der nachgehends
der ſo beruͤhmte Prediger in der Domkirche
geweſen iſt; Balaſtus Skaͤvophylax, Anto-
nius und Spandonius, ſaͤmtlich peripatetiſche
Weltweiſen; Jakomius, ein genau erfahrner
Sprachgelehrter, von dem ich, als ich zu
Conſtantinopel wohnete, die Anfangsgruͤnde
der Weltweisheit gelernet habe; Sebaſtus,
der durch ſeine Streitſchriften gegen die Latei-
ner und durch ſeinen Kirchenkalender bekannt
genug geworden iſt; Dionyſius Hieromona-
chus und Alexander Maurokordatus, welcher
letztere ſich in der gelehrten Welt auf man-
cherley Weiſe einen Namen gemacht hat, und
oͤffentlicher Lehrer der Weltweisheit, Gottes-
gelehrtheit und Naturlehre, hernach aber Dol-
metſcher an dem osmaniſchen Hofe geweſen
iſt. Er hat, außer einer Abhandlung von
dem Umlaufe des Gebluͤtes, welche verſchie-
dene male in Italien gedruckt worden iſt,
eine weitlaͤuftige Geſchichte vom Urſprunge
der Welt bis auf unſere Zeiten geſchrieben:
imgleichen Briefe, und noch unzaͤhlbare an-
dere kleine Werke mehr, die, wie ich itzo ver-
nehme, in Moldau herausgekommen ſind,

geben.
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[143/0227] 7. Muhaͤmmed der II in den innern Hafen gebracht wurden, welches eben die Eroberung der Stadt veranlaſſete ⁸ . Naͤmlich, alle Bemuͤhungen des Heeres zu Lande wuͤrden ohne Zweifel vergeblich geweſen ſeyn (denn ungeachtet dieſes auf Edrene Kapu ⁹ und Egjri Kapu ſtark ſtuͤrmete: ſo konnte es doch gegen die Griechen nichts aus- richten, als welche die Verzweifelung tapfer gemacht hatte), wenn nicht die Seetruppen durch das Thor Phenar ¹⁰ einen großen Theil der Stadt erobert, und dadurch den uͤbrigen Theil gezwungen haͤtten, ſich an Muhaͤmmed zu er- geben. demſelben, was er geſehen hatte. Der Sul- tan ſchicket unverzuͤglich nach dem Loͤffelma- cher und ſeinem Demant. Er erſtaunet uͤber den Glanz und die Groͤße deſſelben, laͤſſet dem Juden und Loͤffelmacher gute Belohnungen reichen, und verwahret denſelben unter ſeinen uͤbrigen Juwelen. Nach der Zeit hat man ihm den Namen Kaſchiktſchi Taſchi, oder des Loͤffelmachers Stein, gegeben, und die Tuͤr- ken ſtehen in der Meinung, daß derſelbe nicht ſeines Gleichen in der ganzen Welt habe. Derſelbe Palaſt aber wird von den Tuͤrken Tekkjur Seraj, oder der Palaſt der griechi- ſchen Kaiſer, genennet. ¹⁰ Phenar] wird insgemein Fener aus- geſprochen, und iſt ein Thor, das zu dem niedern Hafen von Conſtantinopel fuͤhret, und heutiges Tages ſonderlich deswegen beruͤhmt iſt, weil in der Naͤhe deſſelben der vornehmſte und reichſte Adel unter den Griechen ſeinen Sitz hat. Hier befindet ſich auch die Patri- archalwohnung und die Domkirche, die unter andern Merkwuͤrdigkeiten auch hauptſaͤchlich deswegen beruͤhmt iſt, weil darinnen die Re- den, Schriften und Verhandlungen aller Pa- triarchen ſint der Zeit, daß Conſtantinopel von den Tuͤrken erobert iſt, ordentlich und richtig beſchrieben, aufbehalten werden. Nicht weit davon iſt eine hohe Schule, zur Unter- richtung der Jugend: dieſe hat ein Grieche, Namens Manolaki, bauen laſſen, der nichts unedles an ſich hatte, außer ſein Gebluͤt. In dieſer hohen Schule wird die Weltweisheit nach allen ihren Theilen, nebſt den uͤbrigen Wiſſenſchaften, in der alten unverderbten griechiſchen Sprache gelehret. Zu meiner Zeit thaten ſich daſelbſt ſolche Praͤlaten und Lehrer hervor, welche eine ausnehmende Gott- ſeligkeit und Gelehrtheit beſaßen: naͤmlich, Johann Kariophyllus, ein vortrefflicher Got- tesgelehrter und Weltweiſer, der nachgehends der ſo beruͤhmte Prediger in der Domkirche geweſen iſt; Balaſtus Skaͤvophylax, Anto- nius und Spandonius, ſaͤmtlich peripatetiſche Weltweiſen; Jakomius, ein genau erfahrner Sprachgelehrter, von dem ich, als ich zu Conſtantinopel wohnete, die Anfangsgruͤnde der Weltweisheit gelernet habe; Sebaſtus, der durch ſeine Streitſchriften gegen die Latei- ner und durch ſeinen Kirchenkalender bekannt genug geworden iſt; Dionyſius Hieromona- chus und Alexander Maurokordatus, welcher letztere ſich in der gelehrten Welt auf man- cherley Weiſe einen Namen gemacht hat, und oͤffentlicher Lehrer der Weltweisheit, Gottes- gelehrtheit und Naturlehre, hernach aber Dol- metſcher an dem osmaniſchen Hofe geweſen iſt. Er hat, außer einer Abhandlung von dem Umlaufe des Gebluͤtes, welche verſchie- dene male in Italien gedruckt worden iſt, eine weitlaͤuftige Geſchichte vom Urſprunge der Welt bis auf unſere Zeiten geſchrieben: imgleichen Briefe, und noch unzaͤhlbare an- dere kleine Werke mehr, die, wie ich itzo ver- nehme, in Moldau herausgekommen ſind, durch

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/227>, abgerufen am 23.11.2024.