Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.6. Murad der II garn. Es werden etlichemal Treffen gehalten, und zwar mit zweifelhaftemund verschiedenem Glücke 25: manchmal werden die Ungarn, noch öfter aber die Türken geschlagen. Endlich bringet der tapfere Feldherr in diesem Kriege, Mihal Ogli Alibegj 26, ein weit stärkeres Kriegesheer zusammen, überschwem- met damit die reichsten Landschaften von Ungarn wie eine Wasserflut, führet die Einwohner, die sich keines solchen Einfalls versehen hatten, mit sich hin- weg, und kommt mit großer Beute und vielem Ruhme nach Adrianopel zurück; in welcher Stadt Sultan Murad im Jahre 840 einen prächtigen Dschami 27H. 840. J. C. 1436. und Imaret, beydes Gebäude, die einem Kaiser anständig sind, aufbauen ließe. 19. Indem dieses vorgehet: so fallen die Ungarn, die den Abzug AlibegjsBelgrad wird in das andere geschickt werden, sie auf ihrer Reise (außerhalb der Mauren von Constanti- nopel, da sie allein keine Gerichtbarkeit ha- ben) über alle, die geringer als sie sind, sie mögen aus welcher Landschaft seyn als sie wollen, Gewalt haben, und zwar eine eben so große, als der oberste Weßir. Sie kön- nen nach Belieben diejenigen, die sie schuldig befinden, auf henken, enthaupten oder mit einer andern Todesstrafe belegen lassen, ohne daß der Pascha des Ortes ihnen die geringste Hinderung dagegen machen kann. Sein einzi- ges Hülfsmittel ist, daß er sich bey Hofe über diese Gevollmächtigten wegen des Misbrauchs ihrer Gewalt beschweren kann. 25 verschiedenem Glücke] Die Jahr- bücher der Christen legen in diesen Zeiten dem ungarischen Feldherrn, Johann Hunniades, sehr herrliche Siege bey. 26 Mihal Ogli Alibegj] Von diesem [Spaltenumbruch] Geschlechte habe ich bereits in der Vorrede ge- handelt. Der Einfall desselben in Ungarn, und das Elend, das die dasigen Christen da- von erlitten haben, werden von den christli- chen Schriftstellern mit Stillschweigen über- gangen. 27 Dschami] Eine große Mestschid, die heutiges Tages insgemein Eskji Dschami oder die alte Mestschid genennet wird, und die größte unter allen zu Adrianopel ist. Sie stehet nahe an dem Palaste, da der Weßir seine Hofhaltung hat. 28 Belgrad] Alba graeca, ehedem Taurunum genennet, ein iedermann bekann- ter Platz, der itzo die Grenzen des türkischen Reiches auf der Seite von Ungarn ausma- chet. Ob der Verlust der Türken bey Bela- gerung dieser Stadt so groß gewesen sey, als ihn die Christen angeben: daran hat man Ursache zu zweifeln, wenn man bedenket, daß sicht, Q 2
6. Murad der II garn. Es werden etlichemal Treffen gehalten, und zwar mit zweifelhaftemund verſchiedenem Gluͤcke 25: manchmal werden die Ungarn, noch oͤfter aber die Tuͤrken geſchlagen. Endlich bringet der tapfere Feldherr in dieſem Kriege, Mihal Ogli Alibegj 26, ein weit ſtaͤrkeres Kriegesheer zuſammen, uͤberſchwem- met damit die reichſten Landſchaften von Ungarn wie eine Waſſerflut, fuͤhret die Einwohner, die ſich keines ſolchen Einfalls verſehen hatten, mit ſich hin- weg, und kommt mit großer Beute und vielem Ruhme nach Adrianopel zuruͤck; in welcher Stadt Sultan Murad im Jahre 840 einen praͤchtigen Dſchami 27H. 840. J. C. 1436. und Imaret, beydes Gebaͤude, die einem Kaiſer anſtaͤndig ſind, aufbauen ließe. 19. Indem dieſes vorgehet: ſo fallen die Ungarn, die den Abzug AlibegjsBelgrad wird in das andere geſchickt werden, ſie auf ihrer Reiſe (außerhalb der Mauren von Conſtanti- nopel, da ſie allein keine Gerichtbarkeit ha- ben) uͤber alle, die geringer als ſie ſind, ſie moͤgen aus welcher Landſchaft ſeyn als ſie wollen, Gewalt haben, und zwar eine eben ſo große, als der oberſte Weßir. Sie koͤn- nen nach Belieben diejenigen, die ſie ſchuldig befinden, auf henken, enthaupten oder mit einer andern Todesſtrafe belegen laſſen, ohne daß der Paſcha des Ortes ihnen die geringſte Hinderung dagegen machen kann. Sein einzi- ges Huͤlfsmittel iſt, daß er ſich bey Hofe uͤber dieſe Gevollmaͤchtigten wegen des Misbrauchs ihrer Gewalt beſchweren kann. 25 verſchiedenem Gluͤcke] Die Jahr- buͤcher der Chriſten legen in dieſen Zeiten dem ungariſchen Feldherrn, Johann Hunniades, ſehr herrliche Siege bey. 26 Mihal Ogli Alibegj] Von dieſem [Spaltenumbruch] Geſchlechte habe ich bereits in der Vorrede ge- handelt. Der Einfall deſſelben in Ungarn, und das Elend, das die daſigen Chriſten da- von erlitten haben, werden von den chriſtli- chen Schriftſtellern mit Stillſchweigen uͤber- gangen. 27 Dſchami] Eine große Mestſchid, die heutiges Tages insgemein Eskji Dſchami oder die alte Mestſchid genennet wird, und die groͤßte unter allen zu Adrianopel iſt. Sie ſtehet nahe an dem Palaſte, da der Weßir ſeine Hofhaltung hat. 28 Belgrad] Alba graeca‚ ehedem Taurunum genennet, ein iedermann bekann- ter Platz, der itzo die Grenzen des tuͤrkiſchen Reiches auf der Seite von Ungarn ausma- chet. Ob der Verluſt der Tuͤrken bey Bela- gerung dieſer Stadt ſo groß geweſen ſey, als ihn die Chriſten angeben: daran hat man Urſache zu zweifeln, wenn man bedenket, daß ſicht, Q 2
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6. Murad der II
garn. Es werden etlichemal Treffen gehalten, und zwar mit zweifelhaftem
und verſchiedenem Gluͤcke
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: manchmal werden die Ungarn, noch oͤfter aber
die Tuͤrken geſchlagen. Endlich bringet der tapfere Feldherr in dieſem Kriege,
Mihal Ogli Alibegj
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, ein weit ſtaͤrkeres Kriegesheer zuſammen, uͤberſchwem-
met damit die reichſten Landſchaften von Ungarn wie eine Waſſerflut, fuͤhret
die Einwohner, die ſich keines ſolchen Einfalls verſehen hatten, mit ſich hin-
weg, und kommt mit großer Beute und vielem Ruhme nach Adrianopel zuruͤck;
in welcher Stadt Sultan Murad im Jahre 840 einen praͤchtigen Dſchami
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und Imaret, beydes Gebaͤude, die einem Kaiſer anſtaͤndig ſind, aufbauen
ließe.
H. 840.
J. C. 1436.
19. Indem dieſes vorgehet: ſo fallen die Ungarn, die den Abzug Alibegjs
fuͤr eine Flucht halten, aufs neue in das tuͤrkiſche Gebiet ein, und verheren alles
mit Feuer und Schwerte. Um nun ihrer Kuͤhnheit Einhalt zu thun und ſie
beſſer im Zaume zu halten, gehet Murad nicht weit von Widin uͤber die Donau,
und verwuͤſtet das ganze Land, wo nur ſeine Truppen fortkommen konnten.
Endlich belagert er die wichtige Vormauer von Ungarn, Belgrad
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, in der Ab-
ſicht,
in das andere geſchickt werden, ſie auf ihrer
Reiſe (außerhalb der Mauren von Conſtanti-
nopel, da ſie allein keine Gerichtbarkeit ha-
ben) uͤber alle, die geringer als ſie ſind, ſie
moͤgen aus welcher Landſchaft ſeyn als ſie
wollen, Gewalt haben, und zwar eine eben
ſo große, als der oberſte Weßir. Sie koͤn-
nen nach Belieben diejenigen, die ſie ſchuldig
befinden, auf henken, enthaupten oder mit
einer andern Todesſtrafe belegen laſſen, ohne
daß der Paſcha des Ortes ihnen die geringſte
Hinderung dagegen machen kann. Sein einzi-
ges Huͤlfsmittel iſt, daß er ſich bey Hofe uͤber
dieſe Gevollmaͤchtigten wegen des Misbrauchs
ihrer Gewalt beſchweren kann.
²⁵ verſchiedenem Gluͤcke] Die Jahr-
buͤcher der Chriſten legen in dieſen Zeiten dem
ungariſchen Feldherrn, Johann Hunniades,
ſehr herrliche Siege bey.
²⁶ Mihal Ogli Alibegj] Von dieſem
Geſchlechte habe ich bereits in der Vorrede ge-
handelt. Der Einfall deſſelben in Ungarn,
und das Elend, das die daſigen Chriſten da-
von erlitten haben, werden von den chriſtli-
chen Schriftſtellern mit Stillſchweigen uͤber-
gangen.
²⁷ Dſchami] Eine große Mestſchid,
die heutiges Tages insgemein Eskji Dſchami
oder die alte Mestſchid genennet wird, und
die groͤßte unter allen zu Adrianopel iſt. Sie
ſtehet nahe an dem Palaſte, da der Weßir
ſeine Hofhaltung hat.
²⁸ Belgrad] Alba graeca‚ ehedem
Taurunum genennet, ein iedermann bekann-
ter Platz, der itzo die Grenzen des tuͤrkiſchen
Reiches auf der Seite von Ungarn ausma-
chet. Ob der Verluſt der Tuͤrken bey Bela-
gerung dieſer Stadt ſo groß geweſen ſey, als
ihn die Chriſten angeben: daran hat man
Urſache zu zweifeln, wenn man bedenket, daß
die
Belgrad wird
vergeblich bela-
gert.
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