Nachdem nun solchergestalt der Betrieger durch ein Wunderwerk ver-Karaman Ogli bleibet bey der Belagerung, tilget war: so war noch übrig, die Funken, die von diesem Feuer in die benach- barten Länder geflogen waren, vollends auszulöschen. Denn, nachdem Ba- jeßid, Murads Weßir, von des verstellten Mustäfas Truppen war überwun- den worden: so glaubte Karaman Ogli Mehemmed Begj, die osmanischen Sa- chen wären itzo in einem verzweifelten Zustande, und fassete den Entschluß, sich wenigstens eines Theiles von Murads Ländern zu bemächtigen. Er brachte daher ein so großes Kriegesheer zusammen, als ihm nur möglich war, und be- lagerte damit Andalia, in Hoffnung, es werde sich gleich ergeben, weil es keinen Entsatz zu gewarten hätte. Indem aber die Besatzung sich von den Mauren tapfer wehret: so geschiehet es zufälliger Weise, daß sie Mehemmed Begj selbst durch einen Stückschuß ums Leben bringet. Die Karamanier werden durch dieses Unglück in ein so heftiges Schrecken gesetzet, daß sie an der Eroberung der Stadt verzagen, und, nach Erwählung eines Feldherrn gleiches Namens, die Belagerung mit großer Eilfertigkeit aufheben.
6.
Als Gämße Begj, der Statthalter zu Andalia, siehet, daß die Feindenebst seinem Bundsverwand- ten Osman Begj. sich in Unordnung davon machen: so thut derselbe einen tapfern Ausfall, um dieselben zu verfolgen. Osman Begj, Oberherr von Tekje 9, war, vielleicht erst den Abend vorher, angekommen, Karaman beyzustehen: er war aber zu glei- cher Zeit von einer heftigen Krankheit 10 befallen und von seinen Leuten verlassen worden. Da nun Gämße Begj des Feindes Lager erobert: so findet er diesen Fürsten daselbst in den letzten Zügen liegen. Er hauet ihm daher den Kopf ab, überschicket denselben Murad zum Zeichen seines Sieges, und machet diesen Sieg dadurch noch vollständiger, daß er Osman Begjs gesamte Länder unter die Botmäßigkeit des osmanischen Reiches bringet.
7.
Um diesen herrlichen Sieg, der ohne das mindeste zu wagen und ohneMustäfa erreget einen Aufruhr; Mühe war erhalten worden, öffentlich zu feiern, kehrete Murad im Triumphe [Spaltenumbruch]
keit bey seiner Rückkunft zu Constantinopel zu verrichten, nicht anders, als wenn es durch ein göttliches Gesetz befohlen wäre.
9 von Tekje] Es ist bekannt, daß diese Landschaft zu Kleinasien gehöret und nicht weit von Kjutahi gelegen ist (vermuthlich hat sie ihren Namen von einem dasigen Tekje be- [Spaltenumbruch] kommen): allein ihren alten Namen findet man nirgends. Was Osman Begj anbe- langet: so scheinet derselbe einer von den Nachkommen der persischen Satrapen zu seyn, deren so oft ist gedacht worden.
10 von einer heftigen Krankheit] Die Türken wollen dieses als ein Wunderwerk an-
nach
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6. Murad der II
5.
Nachdem nun ſolchergeſtalt der Betrieger durch ein Wunderwerk ver-Karaman Ogli bleibet bey der Belagerung, tilget war: ſo war noch uͤbrig, die Funken, die von dieſem Feuer in die benach- barten Laͤnder geflogen waren, vollends auszuloͤſchen. Denn, nachdem Ba- jeßid, Murads Weßir, von des verſtellten Muſtaͤfas Truppen war uͤberwun- den worden: ſo glaubte Karaman Ogli Mehemmed Begj, die osmaniſchen Sa- chen waͤren itzo in einem verzweifelten Zuſtande, und faſſete den Entſchluß, ſich wenigſtens eines Theiles von Murads Laͤndern zu bemaͤchtigen. Er brachte daher ein ſo großes Kriegesheer zuſammen, als ihm nur moͤglich war, und be- lagerte damit Andalia, in Hoffnung, es werde ſich gleich ergeben, weil es keinen Entſatz zu gewarten haͤtte. Indem aber die Beſatzung ſich von den Mauren tapfer wehret: ſo geſchiehet es zufaͤlliger Weiſe, daß ſie Mehemmed Begj ſelbſt durch einen Stuͤckſchuß ums Leben bringet. Die Karamanier werden durch dieſes Ungluͤck in ein ſo heftiges Schrecken geſetzet, daß ſie an der Eroberung der Stadt verzagen, und, nach Erwaͤhlung eines Feldherrn gleiches Namens, die Belagerung mit großer Eilfertigkeit aufheben.
6.
Als Gaͤmße Begj, der Statthalter zu Andalia, ſiehet, daß die Feindenebſt ſeinem Bundsverwand- ten Osman Begj. ſich in Unordnung davon machen: ſo thut derſelbe einen tapfern Ausfall, um dieſelben zu verfolgen. Osman Begj, Oberherr von Tekje 9, war, vielleicht erſt den Abend vorher, angekommen, Karaman beyzuſtehen: er war aber zu glei- cher Zeit von einer heftigen Krankheit 10 befallen und von ſeinen Leuten verlaſſen worden. Da nun Gaͤmße Begj des Feindes Lager erobert: ſo findet er dieſen Fuͤrſten daſelbſt in den letzten Zuͤgen liegen. Er hauet ihm daher den Kopf ab, uͤberſchicket denſelben Murad zum Zeichen ſeines Sieges, und machet dieſen Sieg dadurch noch vollſtaͤndiger, daß er Osman Begjs geſamte Laͤnder unter die Botmaͤßigkeit des osmaniſchen Reiches bringet.
7.
Um dieſen herrlichen Sieg, der ohne das mindeſte zu wagen und ohneMuſtaͤfa erreget einen Aufruhr; Muͤhe war erhalten worden, oͤffentlich zu feiern, kehrete Murad im Triumphe [Spaltenumbruch]
keit bey ſeiner Ruͤckkunft zu Conſtantinopel zu verrichten, nicht anders, als wenn es durch ein goͤttliches Geſetz befohlen waͤre.
9 von Tekje] Es iſt bekannt, daß dieſe Landſchaft zu Kleinaſien gehoͤret und nicht weit von Kjutahi gelegen iſt (vermuthlich hat ſie ihren Namen von einem daſigen Tekje be- [Spaltenumbruch] kommen): allein ihren alten Namen findet man nirgends. Was Osman Begj anbe- langet: ſo ſcheinet derſelbe einer von den Nachkommen der perſiſchen Satrapen zu ſeyn, deren ſo oft iſt gedacht worden.
10 von einer heftigen Krankheit] Die Tuͤrken wollen dieſes als ein Wunderwerk an-
nach
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5. Nachdem nun ſolchergeſtalt der Betrieger durch ein Wunderwerk ver-
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barten Laͤnder geflogen waren, vollends auszuloͤſchen. Denn, nachdem Ba-
jeßid, Murads Weßir, von des verſtellten Muſtaͤfas Truppen war uͤberwun-
den worden: ſo glaubte Karaman Ogli Mehemmed Begj, die osmaniſchen Sa-
chen waͤren itzo in einem verzweifelten Zuſtande, und faſſete den Entſchluß, ſich
wenigſtens eines Theiles von Murads Laͤndern zu bemaͤchtigen. Er brachte
daher ein ſo großes Kriegesheer zuſammen, als ihm nur moͤglich war, und be-
lagerte damit Andalia, in Hoffnung, es werde ſich gleich ergeben, weil es keinen
Entſatz zu gewarten haͤtte. Indem aber die Beſatzung ſich von den Mauren
tapfer wehret: ſo geſchiehet es zufaͤlliger Weiſe, daß ſie Mehemmed Begj ſelbſt
durch einen Stuͤckſchuß ums Leben bringet. Die Karamanier werden durch
dieſes Ungluͤck in ein ſo heftiges Schrecken geſetzet, daß ſie an der Eroberung
der Stadt verzagen, und, nach Erwaͤhlung eines Feldherrn gleiches Namens,
die Belagerung mit großer Eilfertigkeit aufheben.
Karaman Ogli
bleibet bey der
Belagerung,
6. Als Gaͤmße Begj, der Statthalter zu Andalia, ſiehet, daß die Feinde
ſich in Unordnung davon machen: ſo thut derſelbe einen tapfern Ausfall, um
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den Abend vorher, angekommen, Karaman beyzuſtehen: er war aber zu glei-
cher Zeit von einer heftigen Krankheit
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befallen und von ſeinen Leuten verlaſſen
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Fuͤrſten daſelbſt in den letzten Zuͤgen liegen. Er hauet ihm daher den Kopf ab,
uͤberſchicket denſelben Murad zum Zeichen ſeines Sieges, und machet dieſen Sieg
dadurch noch vollſtaͤndiger, daß er Osman Begjs geſamte Laͤnder unter die
Botmaͤßigkeit des osmaniſchen Reiches bringet.
nebſt ſeinem
Bundsverwand-
ten Osman
Begj.
7. Um dieſen herrlichen Sieg, der ohne das mindeſte zu wagen und ohne
Muͤhe war erhalten worden, oͤffentlich zu feiern, kehrete Murad im Triumphe
nach
keit bey ſeiner Ruͤckkunft zu Conſtantinopel
zu verrichten, nicht anders, als wenn es
durch ein goͤttliches Geſetz befohlen waͤre.
⁹ von Tekje] Es iſt bekannt, daß dieſe
Landſchaft zu Kleinaſien gehoͤret und nicht
weit von Kjutahi gelegen iſt (vermuthlich hat
ſie ihren Namen von einem daſigen Tekje be-
kommen): allein ihren alten Namen findet
man nirgends. Was Osman Begj anbe-
langet: ſo ſcheinet derſelbe einer von den
Nachkommen der perſiſchen Satrapen zu ſeyn,
deren ſo oft iſt gedacht worden.
¹⁰ von einer heftigen Krankheit] Die
Tuͤrken wollen dieſes als ein Wunderwerk an-
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Muſtaͤfa erreget
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/199>, abgerufen am 23.11.2024.
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