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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Zwischenreich unter Musa
der gebracht, der ihm sogleich das Leben nimmt, nachdem er den türkischen
Sachen in Europa drey Jahre und sechs Monate 13 vorgestanden hatte. Dem
Reiter ließ Muhämmed für seine Behendigkeit eine herrliche Belohnung 14 rei-
chen, gab ihm eine Stelle unter seinen Räthen, und erhob ihn endlich zum ober-
sten Weßire. Dieser Mann wurde nach der Zeit ein berühmter Feldherr unter
den Türken, und ließ zu Kallipolis eine herrliche Medrese aufführen.

Warum dieses
ein Zwischen-reich heißet?
13.

Ehe wir weiter fortfahren: so wird es nicht undienlich seyn anzu-
merken, daß keiner von beyden Fürsten, deren Leben wir itzo erzählet haben,
von den Türken für einen Kaiser erkennet, sondern diese ganze Zeit ein Zwi-
schenreich von ihnen genennet wird. Die Ursache, die sie davon anführen, ist
diese: weil weder Sülejman Tschelebi noch Musa Tschelebi iemals das osma-
nische Reich ganz besessen, sondern allezeit, wann der eine in Europa geherr-
schet, der andere in Asien regieret habe. Sie rechnen daher auch nicht einmal
die drey vorhergehenden Jahre, da Musa Tschelebi noch im Leben war, zu Mu-
hämmeds 15 Regierung: sondern setzen den Anfang derselben in das Jahr der
H. 816.



J. C. 1413.Hidschret 816, darinnen Musa Tschelebi, wie gedacht, auf Befehl seines Bru-
ders um das Leben gebracht wurde.

[Spaltenumbruch]
13 sechs Monate] Die Anzahl der
Jahre, die von den christlichen Schriftstellern
diesen dreyen Söhnen Bajeßids beygeleget
werden, stimmen mit den türkischen Nach-
richten ganz und gar nicht überein. Denn
sie sagen, Sülejman habe sechs Jahre regie-
ret, und Orchan, Musa, Orchans vorgege-
bener Oheim, und Muhämmed, vierzehen
Jahre zusammen. Die Türken aber schreiben
Sülejman sieben Jahre und zehen Monate
zu, Musa drey Jahre und sechs Monate,
und Muhämmed allein acht Jahre und zehen
Monate, welches zusammen gerechnet zwan-
zig Jahre und zweene Monate ausmachet.
Es ist offenbar, daß die Christen sich auf gar
keine Nachrichten gründen, und Muhämmed
diejenige Zeit, da sein Bruder ebenfals regie-
ret, beygeleget haben. Phranzas Zeitrech-
nung, der der innerlichen Unruhe zwischen
den Brüdern nur drey Jahre giebt, ist bereits
oben gedacht worden.
[Spaltenumbruch]
14 herrliche Belohnung] Zu einer Be-
lohnung, saget man, wurde er unter die ge-
heimen Räthe, Musahib genennet, aufge-
nommen, und hernach zur Würde des ober-
sten Weßirs erhoben. Es ist noch heutiges
Tages zu Kallipolis in der Festung ein schö-
nes Gebäude, Bägaßhisar genennet, das von
ihm erbauet seyn soll: imgleichen ein Markt-
platz zu Constantinopel, Seradsche Pascha
genennet, der seinen Namen von ihm oder
seinem Sohne zu haben scheinet: denn es
giebt sonst keinen angesehenen Pascha dieses
Namens unter den Türken.
15 Muhämmeds] Es ist zu merken,
daß Musa während der Zeit, da Muhäm-
med gelebet, nur bloß den Beynamen Tsche-
lebi geführet hat, nach dessen Tode aber erst
Sultan ist genennet worden. Die eilf Jahre
und vier Monate, da seine Brüder das Zep-
ter geführet haben, werden bey den Türken
nur für ein Zwischenreich gehalten.


Geschichte

Zwiſchenreich unter Muſa
der gebracht, der ihm ſogleich das Leben nimmt, nachdem er den tuͤrkiſchen
Sachen in Europa drey Jahre und ſechs Monate 13 vorgeſtanden hatte. Dem
Reiter ließ Muhaͤmmed fuͤr ſeine Behendigkeit eine herrliche Belohnung 14 rei-
chen, gab ihm eine Stelle unter ſeinen Raͤthen, und erhob ihn endlich zum ober-
ſten Weßire. Dieſer Mann wurde nach der Zeit ein beruͤhmter Feldherr unter
den Tuͤrken, und ließ zu Kallipolis eine herrliche Medreſe auffuͤhren.

Warum dieſes
ein Zwiſchen-reich heißet?
13.

Ehe wir weiter fortfahren: ſo wird es nicht undienlich ſeyn anzu-
merken, daß keiner von beyden Fuͤrſten, deren Leben wir itzo erzaͤhlet haben,
von den Tuͤrken fuͤr einen Kaiſer erkennet, ſondern dieſe ganze Zeit ein Zwi-
ſchenreich von ihnen genennet wird. Die Urſache, die ſie davon anfuͤhren, iſt
dieſe: weil weder Suͤlejman Tſchelebi noch Muſa Tſchelebi iemals das osma-
niſche Reich ganz beſeſſen, ſondern allezeit, wann der eine in Europa geherr-
ſchet, der andere in Aſien regieret habe. Sie rechnen daher auch nicht einmal
die drey vorhergehenden Jahre, da Muſa Tſchelebi noch im Leben war, zu Mu-
haͤmmeds 15 Regierung: ſondern ſetzen den Anfang derſelben in das Jahr der
H. 816.



J. C. 1413.Hidſchret 816, darinnen Muſa Tſchelebi, wie gedacht, auf Befehl ſeines Bru-
ders um das Leben gebracht wurde.

[Spaltenumbruch]
13 ſechs Monate] Die Anzahl der
Jahre, die von den chriſtlichen Schriftſtellern
dieſen dreyen Soͤhnen Bajeßids beygeleget
werden, ſtimmen mit den tuͤrkiſchen Nach-
richten ganz und gar nicht uͤberein. Denn
ſie ſagen, Suͤlejman habe ſechs Jahre regie-
ret, und Orchan, Muſa, Orchans vorgege-
bener Oheim, und Muhaͤmmed, vierzehen
Jahre zuſammen. Die Tuͤrken aber ſchreiben
Suͤlejman ſieben Jahre und zehen Monate
zu, Muſa drey Jahre und ſechs Monate,
und Muhaͤmmed allein acht Jahre und zehen
Monate, welches zuſammen gerechnet zwan-
zig Jahre und zweene Monate ausmachet.
Es iſt offenbar, daß die Chriſten ſich auf gar
keine Nachrichten gruͤnden, und Muhaͤmmed
diejenige Zeit, da ſein Bruder ebenfals regie-
ret, beygeleget haben. Phranzas Zeitrech-
nung, der der innerlichen Unruhe zwiſchen
den Bruͤdern nur drey Jahre giebt, iſt bereits
oben gedacht worden.
[Spaltenumbruch]
14 herrliche Belohnung] Zu einer Be-
lohnung, ſaget man, wurde er unter die ge-
heimen Raͤthe, Muſahib genennet, aufge-
nommen, und hernach zur Wuͤrde des ober-
ſten Weßirs erhoben. Es iſt noch heutiges
Tages zu Kallipolis in der Feſtung ein ſchoͤ-
nes Gebaͤude, Baͤgaßhiſar genennet, das von
ihm erbauet ſeyn ſoll: imgleichen ein Markt-
platz zu Conſtantinopel, Seradſche Paſcha
genennet, der ſeinen Namen von ihm oder
ſeinem Sohne zu haben ſcheinet: denn es
giebt ſonſt keinen angeſehenen Paſcha dieſes
Namens unter den Tuͤrken.
15 Muhaͤmmeds] Es iſt zu merken,
daß Muſa waͤhrend der Zeit, da Muhaͤm-
med gelebet, nur bloß den Beynamen Tſche-
lebi gefuͤhret hat, nach deſſen Tode aber erſt
Sultan iſt genennet worden. Die eilf Jahre
und vier Monate, da ſeine Bruͤder das Zep-
ter gefuͤhret haben, werden bey den Tuͤrken
nur fuͤr ein Zwiſchenreich gehalten.


Geſchichte
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[98/0176] Zwiſchenreich unter Muſa der gebracht, der ihm ſogleich das Leben nimmt, nachdem er den tuͤrkiſchen Sachen in Europa drey Jahre und ſechs Monate ¹³ vorgeſtanden hatte. Dem Reiter ließ Muhaͤmmed fuͤr ſeine Behendigkeit eine herrliche Belohnung ¹⁴ rei- chen, gab ihm eine Stelle unter ſeinen Raͤthen, und erhob ihn endlich zum ober- ſten Weßire. Dieſer Mann wurde nach der Zeit ein beruͤhmter Feldherr unter den Tuͤrken, und ließ zu Kallipolis eine herrliche Medreſe auffuͤhren. 13. Ehe wir weiter fortfahren: ſo wird es nicht undienlich ſeyn anzu- merken, daß keiner von beyden Fuͤrſten, deren Leben wir itzo erzaͤhlet haben, von den Tuͤrken fuͤr einen Kaiſer erkennet, ſondern dieſe ganze Zeit ein Zwi- ſchenreich von ihnen genennet wird. Die Urſache, die ſie davon anfuͤhren, iſt dieſe: weil weder Suͤlejman Tſchelebi noch Muſa Tſchelebi iemals das osma- niſche Reich ganz beſeſſen, ſondern allezeit, wann der eine in Europa geherr- ſchet, der andere in Aſien regieret habe. Sie rechnen daher auch nicht einmal die drey vorhergehenden Jahre, da Muſa Tſchelebi noch im Leben war, zu Mu- haͤmmeds ¹⁵ Regierung: ſondern ſetzen den Anfang derſelben in das Jahr der Hidſchret 816, darinnen Muſa Tſchelebi, wie gedacht, auf Befehl ſeines Bru- ders um das Leben gebracht wurde. H. 816. J. C. 1413. Geſchichte ¹³ ſechs Monate] Die Anzahl der Jahre, die von den chriſtlichen Schriftſtellern dieſen dreyen Soͤhnen Bajeßids beygeleget werden, ſtimmen mit den tuͤrkiſchen Nach- richten ganz und gar nicht uͤberein. Denn ſie ſagen, Suͤlejman habe ſechs Jahre regie- ret, und Orchan, Muſa, Orchans vorgege- bener Oheim, und Muhaͤmmed, vierzehen Jahre zuſammen. Die Tuͤrken aber ſchreiben Suͤlejman ſieben Jahre und zehen Monate zu, Muſa drey Jahre und ſechs Monate, und Muhaͤmmed allein acht Jahre und zehen Monate, welches zuſammen gerechnet zwan- zig Jahre und zweene Monate ausmachet. Es iſt offenbar, daß die Chriſten ſich auf gar keine Nachrichten gruͤnden, und Muhaͤmmed diejenige Zeit, da ſein Bruder ebenfals regie- ret, beygeleget haben. Phranzas Zeitrech- nung, der der innerlichen Unruhe zwiſchen den Bruͤdern nur drey Jahre giebt, iſt bereits oben gedacht worden. ¹⁴ herrliche Belohnung] Zu einer Be- lohnung, ſaget man, wurde er unter die ge- heimen Raͤthe, Muſahib genennet, aufge- nommen, und hernach zur Wuͤrde des ober- ſten Weßirs erhoben. Es iſt noch heutiges Tages zu Kallipolis in der Feſtung ein ſchoͤ- nes Gebaͤude, Baͤgaßhiſar genennet, das von ihm erbauet ſeyn ſoll: imgleichen ein Markt- platz zu Conſtantinopel, Seradſche Paſcha genennet, der ſeinen Namen von ihm oder ſeinem Sohne zu haben ſcheinet: denn es giebt ſonſt keinen angeſehenen Paſcha dieſes Namens unter den Tuͤrken. ¹⁵ Muhaͤmmeds] Es iſt zu merken, daß Muſa waͤhrend der Zeit, da Muhaͤm- med gelebet, nur bloß den Beynamen Tſche- lebi gefuͤhret hat, nach deſſen Tode aber erſt Sultan iſt genennet worden. Die eilf Jahre und vier Monate, da ſeine Bruͤder das Zep- ter gefuͤhret haben, werden bey den Tuͤrken nur fuͤr ein Zwiſchenreich gehalten.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/176>, abgerufen am 27.11.2024.