Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

Bild:
<< vorherige Seite
Zwischenreich unter Sülejman Tschelebi,
Jildirim Bajeßids Sohne.


Des andern Buches erstes Hauptstück.
1.
Sülejman wird
zum Kaiser er-
kläret.

Nachdem der große Bajeßid solchergestalt gefangen und in
einem eisernen Käfiche eingesperret, sein ältester Sohn
Mustäfa aber in der Schlacht mit den Tatarn umgekom-
men war: so begab sich dessen anderer Sohn Sülejman
Tschelebi 1, der nebst dem obersten Weßire seines Vaters,
Ali Pascha, sich mit der Flucht gerettet hatte, nach Ni-
cäa, und suchte daselbst Sicherheit gegen sein widriges Schicksal. Als er sich
wieder erholet hatte: so ging er über das Meer von Marmora, und kam mit
wenigen Hofbedienten nach Adrianopel, da er von den übergebliebenen euro-
päischen Truppen zum Kaiser erkläret wurde.

[Spaltenumbruch]
1 Sülejman Tschelebi] Die Namen
Kalepin, Cyricelebis und Cibelin, welche die
christlichen Schriftsteller diesem Fürsten bey-
legen, sind nicht nur keine eigenen türkischen
Namen; sondern sie bedeuten auch, wenn
man ihren Ursprung untersuchen will, überall
nichts: sie müßten dann Verderbungen des
Wortes Tschelebi seyn, wie schon vorhin ist
erwähnet worden*. Daß aber unser Sülej-
man unter diesen Namen verstanden werde:
[Spaltenumbruch]
das ist daher offenbar, daß Kalepin, nachdem
er aus der Schlacht mit Temurlenkj entrun-
nen ist, von seinen Unterthanen zu Adriano-
pel für ihren König erkläret wird; welches
niemandem, außer ihm, zukommen kann.
Ungeachtet aber Sülejman und sein Bruder
den türkischen Sachen eilf Jahre lang vorge-
standen haben: so wird doch keiner von beyden
unter die Zahl der Kaiser gerechnet, oder mit
dem Titel Padischah, das der gewöhnliche
2. Bey
* 80 S. 24 Anm.
Zwiſchenreich unter Suͤlejman Tſchelebi,
Jildirim Bajeßids Sohne.


Des andern Buches erſtes Hauptſtuͤck.
1.
Suͤlejman wird
zum Kaiſer er-
klaͤret.

Nachdem der große Bajeßid ſolchergeſtalt gefangen und in
einem eiſernen Kaͤfiche eingeſperret, ſein aͤlteſter Sohn
Muſtaͤfa aber in der Schlacht mit den Tatarn umgekom-
men war: ſo begab ſich deſſen anderer Sohn Suͤlejman
Tſchelebi 1, der nebſt dem oberſten Weßire ſeines Vaters,
Ali Paſcha, ſich mit der Flucht gerettet hatte, nach Ni-
caͤa, und ſuchte daſelbſt Sicherheit gegen ſein widriges Schickſal. Als er ſich
wieder erholet hatte: ſo ging er uͤber das Meer von Marmora, und kam mit
wenigen Hofbedienten nach Adrianopel, da er von den uͤbergebliebenen euro-
paͤiſchen Truppen zum Kaiſer erklaͤret wurde.

[Spaltenumbruch]
1 Suͤlejman Tſchelebi] Die Namen
Kalepin, Cyricelebis und Cibelin, welche die
chriſtlichen Schriftſteller dieſem Fuͤrſten bey-
legen, ſind nicht nur keine eigenen tuͤrkiſchen
Namen; ſondern ſie bedeuten auch, wenn
man ihren Urſprung unterſuchen will, uͤberall
nichts: ſie muͤßten dann Verderbungen des
Wortes Tſchelebi ſeyn, wie ſchon vorhin iſt
erwaͤhnet worden*. Daß aber unſer Suͤlej-
man unter dieſen Namen verſtanden werde:
[Spaltenumbruch]
das iſt daher offenbar, daß Kalepin, nachdem
er aus der Schlacht mit Temurlenkj entrun-
nen iſt, von ſeinen Unterthanen zu Adriano-
pel fuͤr ihren Koͤnig erklaͤret wird; welches
niemandem, außer ihm, zukommen kann.
Ungeachtet aber Suͤlejman und ſein Bruder
den tuͤrkiſchen Sachen eilf Jahre lang vorge-
ſtanden haben: ſo wird doch keiner von beyden
unter die Zahl der Kaiſer gerechnet, oder mit
dem Titel Padiſchah, das der gewoͤhnliche
2. Bey
* 80 S. 24 Anm.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0160" n="82"/>
        <div n="2">
          <head>Zwi&#x017F;chenreich unter Su&#x0364;lejman T&#x017F;chelebi,<lb/>
Jildirim Bajeßids Sohne.<lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Des andern Buches er&#x017F;tes Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck.</head><lb/>
          <div n="3">
            <head>1.</head><lb/>
            <note place="left">Su&#x0364;lejman wird<lb/>
zum Kai&#x017F;er er-<lb/>
kla&#x0364;ret.</note>
            <p><hi rendition="#in">N</hi>achdem der große Bajeßid &#x017F;olcherge&#x017F;talt gefangen und in<lb/>
einem ei&#x017F;ernen Ka&#x0364;fiche einge&#x017F;perret, &#x017F;ein a&#x0364;lte&#x017F;ter Sohn<lb/>
Mu&#x017F;ta&#x0364;fa aber in der Schlacht mit den Tatarn umgekom-<lb/>
men war: &#x017F;o begab &#x017F;ich de&#x017F;&#x017F;en anderer Sohn Su&#x0364;lejman<lb/>
T&#x017F;chelebi <note place="end" n="1"/>, der neb&#x017F;t dem ober&#x017F;ten Weßire &#x017F;eines Vaters,<lb/>
Ali Pa&#x017F;cha, &#x017F;ich mit der Flucht gerettet hatte, nach Ni-<lb/>
ca&#x0364;a, und &#x017F;uchte da&#x017F;elb&#x017F;t Sicherheit gegen &#x017F;ein widriges Schick&#x017F;al. Als er &#x017F;ich<lb/>
wieder erholet hatte: &#x017F;o ging er u&#x0364;ber das Meer von Marmora, und kam mit<lb/>
wenigen Hofbedienten nach Adrianopel, da er von den u&#x0364;bergebliebenen euro-<lb/>
pa&#x0364;i&#x017F;chen Truppen zum Kai&#x017F;er erkla&#x0364;ret wurde.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">2. Bey</fw><lb/>
            <cb n="1"/><lb/>
            <note xml:id="H160" next="#H161" place="end" n="1">Su&#x0364;lejman T&#x017F;chelebi] Die Namen<lb/>
Kalepin, Cyricelebis und Cibelin, welche die<lb/>
chri&#x017F;tlichen Schrift&#x017F;teller die&#x017F;em Fu&#x0364;r&#x017F;ten bey-<lb/>
legen, &#x017F;ind nicht nur keine eigenen tu&#x0364;rki&#x017F;chen<lb/>
Namen; &#x017F;ondern &#x017F;ie bedeuten auch, wenn<lb/>
man ihren Ur&#x017F;prung unter&#x017F;uchen will, u&#x0364;berall<lb/>
nichts: &#x017F;ie mu&#x0364;ßten dann Verderbungen des<lb/>
Wortes T&#x017F;chelebi &#x017F;eyn, wie &#x017F;chon vorhin i&#x017F;t<lb/>
erwa&#x0364;hnet worden<note place="foot" n="*">80 S. 24 Anm.</note>. Daß aber un&#x017F;er Su&#x0364;lej-<lb/>
man unter die&#x017F;en Namen ver&#x017F;tanden werde:<lb/><cb n="2"/><lb/>
das i&#x017F;t daher offenbar, daß Kalepin, nachdem<lb/>
er aus der Schlacht mit Temurlenkj entrun-<lb/>
nen i&#x017F;t, von &#x017F;einen Unterthanen zu Adriano-<lb/>
pel fu&#x0364;r ihren Ko&#x0364;nig erkla&#x0364;ret wird; welches<lb/>
niemandem, außer ihm, zukommen kann.<lb/>
Ungeachtet aber Su&#x0364;lejman und &#x017F;ein Bruder<lb/>
den tu&#x0364;rki&#x017F;chen Sachen eilf Jahre lang vorge-<lb/>
&#x017F;tanden haben: &#x017F;o wird doch keiner von beyden<lb/>
unter die Zahl der Kai&#x017F;er gerechnet, oder mit<lb/>
dem Titel Padi&#x017F;chah, das der gewo&#x0364;hnliche<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Name</fw></note>
          </div><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[82/0160] Zwiſchenreich unter Suͤlejman Tſchelebi, Jildirim Bajeßids Sohne. Des andern Buches erſtes Hauptſtuͤck. 1. Nachdem der große Bajeßid ſolchergeſtalt gefangen und in einem eiſernen Kaͤfiche eingeſperret, ſein aͤlteſter Sohn Muſtaͤfa aber in der Schlacht mit den Tatarn umgekom- men war: ſo begab ſich deſſen anderer Sohn Suͤlejman Tſchelebi ¹ , der nebſt dem oberſten Weßire ſeines Vaters, Ali Paſcha, ſich mit der Flucht gerettet hatte, nach Ni- caͤa, und ſuchte daſelbſt Sicherheit gegen ſein widriges Schickſal. Als er ſich wieder erholet hatte: ſo ging er uͤber das Meer von Marmora, und kam mit wenigen Hofbedienten nach Adrianopel, da er von den uͤbergebliebenen euro- paͤiſchen Truppen zum Kaiſer erklaͤret wurde. 2. Bey ¹ Suͤlejman Tſchelebi] Die Namen Kalepin, Cyricelebis und Cibelin, welche die chriſtlichen Schriftſteller dieſem Fuͤrſten bey- legen, ſind nicht nur keine eigenen tuͤrkiſchen Namen; ſondern ſie bedeuten auch, wenn man ihren Urſprung unterſuchen will, uͤberall nichts: ſie muͤßten dann Verderbungen des Wortes Tſchelebi ſeyn, wie ſchon vorhin iſt erwaͤhnet worden *. Daß aber unſer Suͤlej- man unter dieſen Namen verſtanden werde: das iſt daher offenbar, daß Kalepin, nachdem er aus der Schlacht mit Temurlenkj entrun- nen iſt, von ſeinen Unterthanen zu Adriano- pel fuͤr ihren Koͤnig erklaͤret wird; welches niemandem, außer ihm, zukommen kann. Ungeachtet aber Suͤlejman und ſein Bruder den tuͤrkiſchen Sachen eilf Jahre lang vorge- ſtanden haben: ſo wird doch keiner von beyden unter die Zahl der Kaiſer gerechnet, oder mit dem Titel Padiſchah, das der gewoͤhnliche Name * 80 S. 24 Anm.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/160
Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/160>, abgerufen am 23.11.2024.