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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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4. Bajeßid der I
ziehet, als er dahin geflohen war. Unterweges begegnet ihm ein Trompeter.
Diesem befiehlet er, zum Treffen zu blasen, und bringet zwölf tausend Mann
zusammen, die dem Schwerte des Feindes durch die Flucht entronnen waren.
Er beschweret dieselben, entweder zu siegen, oder zu sterben: überfället damit
sogleich die Feinde, die sich durch das Feld zerstreuet hatten und auf die Beute
erpicht waren, schläget dieselben und treibet sie in die Flucht. Hierauf erobert
er mit gleichem Glücke zu Waschluj, das nur zwanzig Meilen von Jassij lieget,
das kaiserliche Zelt, zerstreuet die türkischen Soldaten, und zwinget den
Kaiser, der vorher die ganze Welt in Furcht setzte, itzo aber durch eine so gäh-
linge Veränderung selbst in Schrecken gerathen war, mit wenigen der Seinen
nach Adrianopel zu fliehen.

3.

Diese Dinge, die in Europa vorgingen, zündeten zu gleicher Zeit eineSieg über Kara-
man Ogli.

noch weit größere Kriegesflamme in Asien an. Denn als Karaman Ogli ver-
nahm, daß Bajeßids Heer von den Moldauern sey zu Grunde gerichtet wor-
den: so glaubte er, dieses wäre die schönste Gelegenheit, die osmanische Macht
zu schwächen. Er zog daher seine Völker zusammen, brach das mit Bajeßid
geschlossene Bündniß, und belagerte nicht nur Kjutahi, sondern verheerete auch
die osmanischen Länder in Asien mit Feuer und Schwerte. Bajeßid, dem das
widrige Glück den Muth nicht benehmen konnte, wollte über der Zeitung davon
unsinnig werden. Er richtet daher mit seiner gewöhnlichen Behendigkeit 2 ein
[Spaltenumbruch]

bis Bükürest unter seine Botmäßigkeit, und
setzte Wi[ntilas] zum Statthalter über diese
Landschaft. Er besaß Bessarabien, itzo Bu-
dschak genennet: imgleichen Akkjirman, Alba
graeca
oder das Oxia der Alten, welcher Ort
deswegen berühmt ist, weil Ovid hieher ver-
bannet gewesen. Mit einem Worte, er er-
weiterte die Grenzen von Moldau sehr stark,
wie von mir ausführlicher soll gezeiget wer-
den, wenn ich so lange lebe, daß ich meine
Nachricht von der alten und neuen Moldau
zu Ende bringen kann. In diesen Umständen
ließ er seine Sachen, als er von der Welt ab-
gefordert wurde, und zwar nach einer Regie-
rung von sieben und vierzig Jahren und fünf
Monaten. Sein Sohn Bogdan machte
Moldau den Türken zinsbar. Daher werden
[Spaltenumbruch]
die Moldaner, die vorher Ak Iflak (insge-
mein Ak Wlach) oder die weißen Walachen
hießen, itzo von den Türken Bogdani genen-
net. Die Walachen aber haben den Namen
Kara Iflak (insgemein Kara Wlach) oder
die schwarzen Walachen, bis auf den heuti-
gen Tag behalten.
2 gewöhnlichen Behendigkeit] Die
türkischen Geschichtschreiber erheben die Fer-
tigkeit dieses Fürsten in Versammlung seiner
Truppen, Ausführung seiner Absichten, und
Ueberwindung seiner Feinde dergestalt, daß,
wann sie von der natürlichen Behendigkeit
der Tatarn in Vergleichung mit dessen wun-
dersamen Zügen reden, sie von den erstern
sagen: sie kröchen nur, wie die Schnecken.

Heer
J 2

4. Bajeßid der I
ziehet, als er dahin geflohen war. Unterweges begegnet ihm ein Trompeter.
Dieſem befiehlet er, zum Treffen zu blaſen, und bringet zwoͤlf tauſend Mann
zuſammen, die dem Schwerte des Feindes durch die Flucht entronnen waren.
Er beſchweret dieſelben, entweder zu ſiegen, oder zu ſterben: uͤberfaͤllet damit
ſogleich die Feinde, die ſich durch das Feld zerſtreuet hatten und auf die Beute
erpicht waren, ſchlaͤget dieſelben und treibet ſie in die Flucht. Hierauf erobert
er mit gleichem Gluͤcke zu Waſchluj, das nur zwanzig Meilen von Jaſſij lieget,
das kaiſerliche Zelt, zerſtreuet die tuͤrkiſchen Soldaten, und zwinget den
Kaiſer, der vorher die ganze Welt in Furcht ſetzte, itzo aber durch eine ſo gaͤh-
linge Veraͤnderung ſelbſt in Schrecken gerathen war, mit wenigen der Seinen
nach Adrianopel zu fliehen.

3.

Dieſe Dinge, die in Europa vorgingen, zuͤndeten zu gleicher Zeit eineSieg uͤber Kara-
man Ogli.

noch weit groͤßere Kriegesflamme in Aſien an. Denn als Karaman Ogli ver-
nahm, daß Bajeßids Heer von den Moldauern ſey zu Grunde gerichtet wor-
den: ſo glaubte er, dieſes waͤre die ſchoͤnſte Gelegenheit, die osmaniſche Macht
zu ſchwaͤchen. Er zog daher ſeine Voͤlker zuſammen, brach das mit Bajeßid
geſchloſſene Buͤndniß, und belagerte nicht nur Kjutahi, ſondern verheerete auch
die osmaniſchen Laͤnder in Aſien mit Feuer und Schwerte. Bajeßid, dem das
widrige Gluͤck den Muth nicht benehmen konnte, wollte uͤber der Zeitung davon
unſinnig werden. Er richtet daher mit ſeiner gewoͤhnlichen Behendigkeit 2 ein
[Spaltenumbruch]

bis Buͤkuͤreſt unter ſeine Botmaͤßigkeit, und
ſetzte Wi[ntilas] zum Statthalter uͤber dieſe
Landſchaft. Er beſaß Beſſarabien, itzo Bu-
dſchak genennet: imgleichen Akkjirman, Alba
graeca
oder das Oxia der Alten, welcher Ort
deswegen beruͤhmt iſt, weil Ovid hieher ver-
bannet geweſen. Mit einem Worte, er er-
weiterte die Grenzen von Moldau ſehr ſtark,
wie von mir ausfuͤhrlicher ſoll gezeiget wer-
den, wenn ich ſo lange lebe, daß ich meine
Nachricht von der alten und neuen Moldau
zu Ende bringen kann. In dieſen Umſtaͤnden
ließ er ſeine Sachen, als er von der Welt ab-
gefordert wurde, und zwar nach einer Regie-
rung von ſieben und vierzig Jahren und fuͤnf
Monaten. Sein Sohn Bogdan machte
Moldau den Tuͤrken zinsbar. Daher werden
[Spaltenumbruch]
die Moldaner, die vorher Ak Iflak (insge-
mein Ak Wlach) oder die weißen Walachen
hießen, itzo von den Tuͤrken Bogdani genen-
net. Die Walachen aber haben den Namen
Kara Iflak (insgemein Kara Wlach) oder
die ſchwarzen Walachen, bis auf den heuti-
gen Tag behalten.
2 gewoͤhnlichen Behendigkeit] Die
tuͤrkiſchen Geſchichtſchreiber erheben die Fer-
tigkeit dieſes Fuͤrſten in Verſammlung ſeiner
Truppen, Ausfuͤhrung ſeiner Abſichten, und
Ueberwindung ſeiner Feinde dergeſtalt, daß,
wann ſie von der natuͤrlichen Behendigkeit
der Tatarn in Vergleichung mit deſſen wun-
derſamen Zuͤgen reden, ſie von den erſtern
ſagen: ſie kroͤchen nur, wie die Schnecken.

Heer
J 2
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[67/0145] 4. Bajeßid der I ziehet, als er dahin geflohen war. Unterweges begegnet ihm ein Trompeter. Dieſem befiehlet er, zum Treffen zu blaſen, und bringet zwoͤlf tauſend Mann zuſammen, die dem Schwerte des Feindes durch die Flucht entronnen waren. Er beſchweret dieſelben, entweder zu ſiegen, oder zu ſterben: uͤberfaͤllet damit ſogleich die Feinde, die ſich durch das Feld zerſtreuet hatten und auf die Beute erpicht waren, ſchlaͤget dieſelben und treibet ſie in die Flucht. Hierauf erobert er mit gleichem Gluͤcke zu Waſchluj, das nur zwanzig Meilen von Jaſſij lieget, das kaiſerliche Zelt, zerſtreuet die tuͤrkiſchen Soldaten, und zwinget den Kaiſer, der vorher die ganze Welt in Furcht ſetzte, itzo aber durch eine ſo gaͤh- linge Veraͤnderung ſelbſt in Schrecken gerathen war, mit wenigen der Seinen nach Adrianopel zu fliehen. 3. Dieſe Dinge, die in Europa vorgingen, zuͤndeten zu gleicher Zeit eine noch weit groͤßere Kriegesflamme in Aſien an. Denn als Karaman Ogli ver- nahm, daß Bajeßids Heer von den Moldauern ſey zu Grunde gerichtet wor- den: ſo glaubte er, dieſes waͤre die ſchoͤnſte Gelegenheit, die osmaniſche Macht zu ſchwaͤchen. Er zog daher ſeine Voͤlker zuſammen, brach das mit Bajeßid geſchloſſene Buͤndniß, und belagerte nicht nur Kjutahi, ſondern verheerete auch die osmaniſchen Laͤnder in Aſien mit Feuer und Schwerte. Bajeßid, dem das widrige Gluͤck den Muth nicht benehmen konnte, wollte uͤber der Zeitung davon unſinnig werden. Er richtet daher mit ſeiner gewoͤhnlichen Behendigkeit ² ein Heer bis Buͤkuͤreſt unter ſeine Botmaͤßigkeit, und ſetzte Wintilas zum Statthalter uͤber dieſe Landſchaft. Er beſaß Beſſarabien, itzo Bu- dſchak genennet: imgleichen Akkjirman, Alba graeca oder das Oxia der Alten, welcher Ort deswegen beruͤhmt iſt, weil Ovid hieher ver- bannet geweſen. Mit einem Worte, er er- weiterte die Grenzen von Moldau ſehr ſtark, wie von mir ausfuͤhrlicher ſoll gezeiget wer- den, wenn ich ſo lange lebe, daß ich meine Nachricht von der alten und neuen Moldau zu Ende bringen kann. In dieſen Umſtaͤnden ließ er ſeine Sachen, als er von der Welt ab- gefordert wurde, und zwar nach einer Regie- rung von ſieben und vierzig Jahren und fuͤnf Monaten. Sein Sohn Bogdan machte Moldau den Tuͤrken zinsbar. Daher werden die Moldaner, die vorher Ak Iflak (insge- mein Ak Wlach) oder die weißen Walachen hießen, itzo von den Tuͤrken Bogdani genen- net. Die Walachen aber haben den Namen Kara Iflak (insgemein Kara Wlach) oder die ſchwarzen Walachen, bis auf den heuti- gen Tag behalten. ² gewoͤhnlichen Behendigkeit] Die tuͤrkiſchen Geſchichtſchreiber erheben die Fer- tigkeit dieſes Fuͤrſten in Verſammlung ſeiner Truppen, Ausfuͤhrung ſeiner Abſichten, und Ueberwindung ſeiner Feinde dergeſtalt, daß, wann ſie von der natuͤrlichen Behendigkeit der Tatarn in Vergleichung mit deſſen wun- derſamen Zuͤgen reden, ſie von den erſtern ſagen: ſie kroͤchen nur, wie die Schnecken. Wann Sieg uͤber Kara- man Ogli. J 2

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/145>, abgerufen am 27.11.2024.