[Canitz, Friedrich Rudolph Ludwig von]: Neben-Stunden Unterschiedener Gedichte. [Hrsg. v. Joachim Lange]. Berlin, 1700.Bald ward ein Wapen-Recht mit Regeln ausersonnen/ Das/ weil es im Gehirn der Schwärmer angesponnen/ Ihm eigne Wörter macht/ und unvernehmlich spricht/ Die Schilde bald bekrönt/ bald in vier Theile bricht. Bald pfählt und gegenpfählt/ bald kerbet und verbindet/ Und was dergleichen mehr die Herolds-Kunst erfindet. Da ward nun die Vernunfft der Thorheit unterthan/ Die Ehre war beschämt/ denn keiner sah sie an. Die Kosten nahmen zu/ man ließ Verschwendung spüren/ Den Vorzug der Gebuhrt nach Würden auszuführen/ Man baute Schlösser auf/ und gab zum Unterscheid/ Der Hoffbedienten Schaar ein bunt-gebrämtes Kleid. Da muste man viel Troß zum Ansehn bey sich haben/ Und wer gar vornehm war/ der hielt sich Edelknaben/ Als aber Geld und Gut des Adels bald verschwandt/ Und er zum Unterhalt kein leichter Mittel fandt/ Ward er aus Dürfftigkeit in einer Kunst geübet/ Die allenthalben borgt/ und nichts nicht wieder giebet; Kein Scherge war so frech/ der sich an ihn vergriff/ Und wenn ein Gläubiger nach der Bezahlung lieff/ Ließ ihn ein solcher Herr für seiner Schwelle frieren/ Biß man ihn zum Beschluß sah' in den Schuld-Thurm führen/ Da er/ wiewohl zu spät/ sein Ungemach beklagt/ Wenn ihn des Richters Spruch von Hauß und Hoff gejagt. Diß gab Gelegenheit/ indem die Nohtdurfft fehlte/ Daß er aus Lumpen-Volck ein reiches Weib erwehlte/ Der Ahnen Alterthum das gab er in den Kauff/ Und half sich aus dem Schimpff mit Schande wieder auf. Denn wo der Adel nicht den Schein vom Golde lehnet/ Und bloß sein Alter liebt/ so bleibt er wol verhönet/ Ein jeder hält ihn werth ins Toll-Hauß einzugehn/ Und wer ihm anverwandt/ der wil es nicht gestehn. Ist
Bald ward ein Wapen-Recht mit Regeln auserſonnen/ Das/ weil es im Gehirn der Schwaͤrmer angeſponnen/ Ihm eigne Woͤrter macht/ und unvernehmlich ſpricht/ Die Schilde bald bekroͤnt/ bald in vier Theile bricht. Bald pfaͤhlt und gegenpfaͤhlt/ bald kerbet und verbindet/ Und was dergleichen mehr die Herolds-Kunſt erfindet. Da ward nun die Vernunfft der Thorheit unterthan/ Die Ehre war beſchaͤmt/ denn keiner ſah ſie an. Die Koſten nahmen zu/ man ließ Verſchwendung ſpuͤren/ Den Vorzug der Gebuhrt nach Wuͤrden auszufuͤhren/ Man baute Schloͤſſer auf/ und gab zum Unterſcheid/ Der Hoffbedienten Schaar ein bunt-gebraͤmtes Kleid. Da muſte man viel Troß zum Anſehn bey ſich haben/ Und wer gar vornehm war/ der hielt ſich Edelknaben/ Als aber Geld und Gut des Adels bald verſchwandt/ Und er zum Unterhalt kein leichter Mittel fandt/ Ward er aus Duͤrfftigkeit in einer Kunſt geuͤbet/ Die allenthalben borgt/ und nichts nicht wieder giebet; Kein Scherge war ſo frech/ der ſich an ihn vergriff/ Und wenn ein Glaͤubiger nach der Bezahlung lieff/ Ließ ihn ein ſolcher Herr fuͤr ſeiner Schwelle frieren/ Biß man ihn zum Beſchluß ſah’ in den Schuld-Thurm fuͤhren/ Da er/ wiewohl zu ſpaͤt/ ſein Ungemach beklagt/ Wenn ihn des Richters Spruch von Hauß und Hoff gejagt. Diß gab Gelegenheit/ indem die Nohtdurfft fehlte/ Daß er aus Lumpen-Volck ein reiches Weib erwehlte/ Der Ahnen Alterthum das gab er in den Kauff/ Und half ſich aus dem Schimpff mit Schande wieder auf. Denn wo der Adel nicht den Schein vom Golde lehnet/ Und bloß ſein Alter liebt/ ſo bleibt er wol verhoͤnet/ Ein jeder haͤlt ihn werth ins Toll-Hauß einzugehn/ Und wer ihm anverwandt/ der wil es nicht geſtehn. Iſt
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Bald ward ein Wapen-Recht mit Regeln auserſonnen/
Das/ weil es im Gehirn der Schwaͤrmer angeſponnen/
Ihm eigne Woͤrter macht/ und unvernehmlich ſpricht/
Die Schilde bald bekroͤnt/ bald in vier Theile bricht.
Bald pfaͤhlt und gegenpfaͤhlt/ bald kerbet und verbindet/
Und was dergleichen mehr die Herolds-Kunſt erfindet.
Da ward nun die Vernunfft der Thorheit unterthan/
Die Ehre war beſchaͤmt/ denn keiner ſah ſie an.
Die Koſten nahmen zu/ man ließ Verſchwendung ſpuͤren/
Den Vorzug der Gebuhrt nach Wuͤrden auszufuͤhren/
Man baute Schloͤſſer auf/ und gab zum Unterſcheid/
Der Hoffbedienten Schaar ein bunt-gebraͤmtes Kleid.
Da muſte man viel Troß zum Anſehn bey ſich haben/
Und wer gar vornehm war/ der hielt ſich Edelknaben/
Als aber Geld und Gut des Adels bald verſchwandt/
Und er zum Unterhalt kein leichter Mittel fandt/
Ward er aus Duͤrfftigkeit in einer Kunſt geuͤbet/
Die allenthalben borgt/ und nichts nicht wieder giebet;
Kein Scherge war ſo frech/ der ſich an ihn vergriff/
Und wenn ein Glaͤubiger nach der Bezahlung lieff/
Ließ ihn ein ſolcher Herr fuͤr ſeiner Schwelle frieren/
Biß man ihn zum Beſchluß ſah’ in den Schuld-Thurm
fuͤhren/
Da er/ wiewohl zu ſpaͤt/ ſein Ungemach beklagt/
Wenn ihn des Richters Spruch von Hauß und Hoff
gejagt.
Diß gab Gelegenheit/ indem die Nohtdurfft fehlte/
Daß er aus Lumpen-Volck ein reiches Weib erwehlte/
Der Ahnen Alterthum das gab er in den Kauff/
Und half ſich aus dem Schimpff mit Schande wieder
auf.
Denn wo der Adel nicht den Schein vom Golde lehnet/
Und bloß ſein Alter liebt/ ſo bleibt er wol verhoͤnet/
Ein jeder haͤlt ihn werth ins Toll-Hauß einzugehn/
Und wer ihm anverwandt/ der wil es nicht geſtehn.
Iſt
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