Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Canitz, Friedrich Rudolph Ludwig von]: Neben-Stunden Unterschiedener Gedichte. [Hrsg. v. Joachim Lange]. Berlin, 1700.

Bild:
<< vorherige Seite
3.
Er erhebt sich gleich den Zinnen/
Die von Marmor aufgethürmt;
Und verzärtelt seine Sinnen/
Wenn sonst eitel Unglück stürmt.
Wenn sein Wanst von Hoffart schwillet/
Muß sein Wünschen seyn erfüllet;
Ja was er zuweilen träumt/
Muß ihm werden eingeräumt.
4.
Er verlästert alle Sachen
Die nicht sein Gehirn gebiert/
Und darf selbst darüber lachen
Wie dein Arm den Scepter führt.
Wer mag seine Thorheit schelten?
Was er schafft muß alles gelten;
Und was er ihm bildet ein/
Sol uns ein Orakel seyn.
5.
Weil ihn nun kein Ziel beschrencket/
Wird der Pöbel irr gemacht/
Daß er bey sich selber dencket:
GOtt giebt nicht auff Menschen acht/
Er schläfft in dem Himmel oben/
Und läßt den Tyrannen toben.
Was hilfft uns die Frömmigkeit?
Wir sind arm und er gedeyht.
6.
HERR/ ich muß die Warheit sagen;
Mich verdroß der Lauff der Welt/
Daß ich hätte diesem Klagen
Bald mein Ja-Wort zugesellt/
Und gegläubt: daß die dich preisen/
Sich mit leerer Hoffnung speisen.
Zwar ich dachte fleißig nach/
Doch war die Vernunfft zu schwach.
7. End-
3.
Er erhebt ſich gleich den Zinnen/
Die von Marmor aufgethuͤrmt;
Und verzaͤrtelt ſeine Sinnen/
Wenn ſonſt eitel Ungluͤck ſtuͤrmt.
Wenn ſein Wanſt von Hoffart ſchwillet/
Muß ſein Wuͤnſchen ſeyn erfuͤllet;
Ja was er zuweilen traͤumt/
Muß ihm werden eingeraͤumt.
4.
Er verlaͤſtert alle Sachen
Die nicht ſein Gehirn gebiert/
Und darf ſelbſt daruͤber lachen
Wie dein Arm den Scepter fuͤhrt.
Wer mag ſeine Thorheit ſchelten?
Was er ſchafft muß alles gelten;
Und was er ihm bildet ein/
Sol uns ein Orakel ſeyn.
5.
Weil ihn nun kein Ziel beſchrencket/
Wird der Poͤbel irr gemacht/
Daß er bey ſich ſelber dencket:
GOtt giebt nicht auff Menſchen acht/
Er ſchlaͤfft in dem Himmel oben/
Und laͤßt den Tyrannen toben.
Was hilfft uns die Froͤmmigkeit?
Wir ſind arm und er gedeyht.
6.
HERR/ ich muß die Warheit ſagen;
Mich verdroß der Lauff der Welt/
Daß ich haͤtte dieſem Klagen
Bald mein Ja-Wort zugeſellt/
Und geglaͤubt: daß die dich preiſen/
Sich mit leerer Hoffnung ſpeiſen.
Zwar ich dachte fleißig nach/
Doch war die Vernunfft zu ſchwach.
7. End-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <lg type="poem">
        <pb facs="#f0039" n="26"/>
        <lg n="3">
          <head> <hi rendition="#c">3.</hi> </head><lb/>
          <l>Er erhebt &#x017F;ich gleich den Zinnen/</l><lb/>
          <l>Die von Marmor aufgethu&#x0364;rmt;</l><lb/>
          <l>Und verza&#x0364;rtelt &#x017F;eine Sinnen/</l><lb/>
          <l>Wenn &#x017F;on&#x017F;t eitel Unglu&#x0364;ck &#x017F;tu&#x0364;rmt.</l><lb/>
          <l>Wenn &#x017F;ein Wan&#x017F;t von Hoffart &#x017F;chwillet/</l><lb/>
          <l>Muß &#x017F;ein Wu&#x0364;n&#x017F;chen &#x017F;eyn erfu&#x0364;llet;</l><lb/>
          <l>Ja was er zuweilen tra&#x0364;umt/</l><lb/>
          <l>Muß ihm werden eingera&#x0364;umt.</l>
        </lg><lb/>
        <lg n="4">
          <head> <hi rendition="#c">4.</hi> </head><lb/>
          <l>Er verla&#x0364;&#x017F;tert alle Sachen</l><lb/>
          <l>Die nicht &#x017F;ein Gehirn gebiert/</l><lb/>
          <l>Und darf &#x017F;elb&#x017F;t daru&#x0364;ber lachen</l><lb/>
          <l>Wie dein Arm den Scepter fu&#x0364;hrt.</l><lb/>
          <l>Wer mag &#x017F;eine Thorheit &#x017F;chelten?</l><lb/>
          <l>Was er &#x017F;chafft muß alles gelten;</l><lb/>
          <l>Und was er ihm bildet ein/</l><lb/>
          <l>Sol uns ein Orakel &#x017F;eyn.</l>
        </lg><lb/>
        <lg n="5">
          <head> <hi rendition="#c">5.</hi> </head><lb/>
          <l>Weil ihn nun kein Ziel be&#x017F;chrencket/</l><lb/>
          <l>Wird der Po&#x0364;bel irr gemacht/</l><lb/>
          <l>Daß er bey &#x017F;ich &#x017F;elber dencket:</l><lb/>
          <l>GOtt giebt nicht auff Men&#x017F;chen acht/</l><lb/>
          <l>Er &#x017F;chla&#x0364;fft in dem Himmel oben/</l><lb/>
          <l>Und la&#x0364;ßt den Tyrannen toben.</l><lb/>
          <l>Was hilfft uns die Fro&#x0364;mmigkeit?</l><lb/>
          <l>Wir &#x017F;ind arm und er gedeyht.</l>
        </lg><lb/>
        <lg n="6">
          <head> <hi rendition="#c">6.</hi> </head><lb/>
          <l>HERR/ ich muß die Warheit &#x017F;agen;</l><lb/>
          <l>Mich verdroß der Lauff der Welt/</l><lb/>
          <l>Daß ich ha&#x0364;tte die&#x017F;em Klagen</l><lb/>
          <l>Bald mein Ja-Wort zuge&#x017F;ellt/</l><lb/>
          <l>Und gegla&#x0364;ubt: daß die dich prei&#x017F;en/</l><lb/>
          <l>Sich mit leerer Hoffnung &#x017F;pei&#x017F;en.</l><lb/>
          <l>Zwar ich dachte fleißig nach/</l><lb/>
          <l>Doch war die Vernunfft zu &#x017F;chwach.</l>
        </lg><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">7. End-</fw><lb/>
      </lg>
    </body>
  </text>
</TEI>
[26/0039] 3. Er erhebt ſich gleich den Zinnen/ Die von Marmor aufgethuͤrmt; Und verzaͤrtelt ſeine Sinnen/ Wenn ſonſt eitel Ungluͤck ſtuͤrmt. Wenn ſein Wanſt von Hoffart ſchwillet/ Muß ſein Wuͤnſchen ſeyn erfuͤllet; Ja was er zuweilen traͤumt/ Muß ihm werden eingeraͤumt. 4. Er verlaͤſtert alle Sachen Die nicht ſein Gehirn gebiert/ Und darf ſelbſt daruͤber lachen Wie dein Arm den Scepter fuͤhrt. Wer mag ſeine Thorheit ſchelten? Was er ſchafft muß alles gelten; Und was er ihm bildet ein/ Sol uns ein Orakel ſeyn. 5. Weil ihn nun kein Ziel beſchrencket/ Wird der Poͤbel irr gemacht/ Daß er bey ſich ſelber dencket: GOtt giebt nicht auff Menſchen acht/ Er ſchlaͤfft in dem Himmel oben/ Und laͤßt den Tyrannen toben. Was hilfft uns die Froͤmmigkeit? Wir ſind arm und er gedeyht. 6. HERR/ ich muß die Warheit ſagen; Mich verdroß der Lauff der Welt/ Daß ich haͤtte dieſem Klagen Bald mein Ja-Wort zugeſellt/ Und geglaͤubt: daß die dich preiſen/ Sich mit leerer Hoffnung ſpeiſen. Zwar ich dachte fleißig nach/ Doch war die Vernunfft zu ſchwach. 7. End-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/canitz_gedichte_1700
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/canitz_gedichte_1700/39
Zitationshilfe: [Canitz, Friedrich Rudolph Ludwig von]: Neben-Stunden Unterschiedener Gedichte. [Hrsg. v. Joachim Lange]. Berlin, 1700, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/canitz_gedichte_1700/39>, abgerufen am 24.11.2024.