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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783.

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Hingegen ist, meiner Meinung nach, ein muntrer,
lebhafter Geist bei einer kaltblütigen Leibesbeschaf-
fenheit das Volkommenste in der menschlichen
Natur.)


Man hat den Jachzorn eine vorübergehende
Raserei genant: eine Raserei ist er in der That;
aber die Anfälle davon kommen bei jachzornigen
Leuten so oft wieder, daß man ihn eine fortwäh-
rende Raserei nennen könte. Soltest du etwa,
welches Gott verhüten wolle, einen unglüklichen
Hang dazu bei dir wahrnehmen: so laß es dein
beständiges Bestreben sein, ihn zu unterdrükken
oder wenigstens zu schwächen. Merkst du, daß
dein Zorn aufbrausen wil, so sprich nicht mit der
Person, die ihn erregt, und antworte ihr nicht,
sondern warte, bis du fühlst, daß der Zorn sich
legt, und dan sprich mit Bedacht. Ich habe
viel Leute gekant, welche eben durch die Schnel-
ligkeit ihrer Zunge unwilkührlich in Affekt hinge-
rissen wurden. Ich wil dir ein kleines, vielleicht
in deinen Augen lächerliches Mittel, den Ausbruch
der Leidenschaft zurükzuhalten, angeben, wovon ich

mich

Hingegen iſt, meiner Meinung nach, ein muntrer,
lebhafter Geiſt bei einer kaltbluͤtigen Leibesbeſchaf-
fenheit das Volkommenſte in der menſchlichen
Natur.)


Man hat den Jachzorn eine voruͤbergehende
Raſerei genant: eine Raſerei iſt er in der That;
aber die Anfaͤlle davon kommen bei jachzornigen
Leuten ſo oft wieder, daß man ihn eine fortwaͤh-
rende Raſerei nennen koͤnte. Solteſt du etwa,
welches Gott verhuͤten wolle, einen ungluͤklichen
Hang dazu bei dir wahrnehmen: ſo laß es dein
beſtaͤndiges Beſtreben ſein, ihn zu unterdruͤkken
oder wenigſtens zu ſchwaͤchen. Merkſt du, daß
dein Zorn aufbrauſen wil, ſo ſprich nicht mit der
Perſon, die ihn erregt, und antworte ihr nicht,
ſondern warte, bis du fuͤhlſt, daß der Zorn ſich
legt, und dan ſprich mit Bedacht. Ich habe
viel Leute gekant, welche eben durch die Schnel-
ligkeit ihrer Zunge unwilkuͤhrlich in Affekt hinge-
riſſen wurden. Ich wil dir ein kleines, vielleicht
in deinen Augen laͤcherliches Mittel, den Ausbruch
der Leidenſchaft zuruͤkzuhalten, angeben, wovon ich

mich
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[59/0065] Hingegen iſt, meiner Meinung nach, ein muntrer, lebhafter Geiſt bei einer kaltbluͤtigen Leibesbeſchaf- fenheit das Volkommenſte in der menſchlichen Natur.) Man hat den Jachzorn eine voruͤbergehende Raſerei genant: eine Raſerei iſt er in der That; aber die Anfaͤlle davon kommen bei jachzornigen Leuten ſo oft wieder, daß man ihn eine fortwaͤh- rende Raſerei nennen koͤnte. Solteſt du etwa, welches Gott verhuͤten wolle, einen ungluͤklichen Hang dazu bei dir wahrnehmen: ſo laß es dein beſtaͤndiges Beſtreben ſein, ihn zu unterdruͤkken oder wenigſtens zu ſchwaͤchen. Merkſt du, daß dein Zorn aufbrauſen wil, ſo ſprich nicht mit der Perſon, die ihn erregt, und antworte ihr nicht, ſondern warte, bis du fuͤhlſt, daß der Zorn ſich legt, und dan ſprich mit Bedacht. Ich habe viel Leute gekant, welche eben durch die Schnel- ligkeit ihrer Zunge unwilkuͤhrlich in Affekt hinge- riſſen wurden. Ich wil dir ein kleines, vielleicht in deinen Augen laͤcherliches Mittel, den Ausbruch der Leidenſchaft zuruͤkzuhalten, angeben, wovon ich mich

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/65>, abgerufen am 29.11.2024.