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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783.

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Er. So plagt er Sie also den ganzen ge-
schlagnen Morgen mit Griechisch, Latein, und
Logik, und solchem Zeuge? Verwünscht! Ich habe
auch so eine Kindermuhme; aber niemahls hab' ich
mit ihr in meinem Leben in ein Buch gegukt. Ich
habe die ganze Woche nicht einmahl ihr Gesicht
gesehen, und fragte den Teufel darnach, wenn ich
es auch niemahls wieder sehen solte.

Du. Mein Hofmeister verlangt nie etwas
von mir, das nicht vernünftig ist, und zu meinem
Besten gereicht. Daher bin ich gern in seiner
Geselschaft.

Er. Klingt ja, auf meine Ehre, recht spruch-
reich und erbaulich! Auf diese Art wird man Sie
für einen recht frommen jungen Menschen halten.

Du. Nun, das wird eben kein großer Scha-
de sein.

Er. Wollen Sie denn also morgen auf den
Abend zu uns kommen? Mit Ihnen werden un-
srer zehn sein. Ich habe gar vortreflichen Wein.
Da wollen wir uns recht lustig machen.

Du. Ich danke Ihnen recht sehr. Aber ich
bin morgen auf den ganzen Abend versprochen.

Erst
L 3

Er. So plagt er Sie alſo den ganzen ge-
ſchlagnen Morgen mit Griechiſch, Latein, und
Logik, und ſolchem Zeuge? Verwuͤnſcht! Ich habe
auch ſo eine Kindermuhme; aber niemahls hab’ ich
mit ihr in meinem Leben in ein Buch gegukt. Ich
habe die ganze Woche nicht einmahl ihr Geſicht
geſehen, und fragte den Teufel darnach, wenn ich
es auch niemahls wieder ſehen ſolte.

Du. Mein Hofmeiſter verlangt nie etwas
von mir, das nicht vernuͤnftig iſt, und zu meinem
Beſten gereicht. Daher bin ich gern in ſeiner
Geſelſchaft.

Er. Klingt ja, auf meine Ehre, recht ſpruch-
reich und erbaulich! Auf dieſe Art wird man Sie
fuͤr einen recht frommen jungen Menſchen halten.

Du. Nun, das wird eben kein großer Scha-
de ſein.

Er. Wollen Sie denn alſo morgen auf den
Abend zu uns kommen? Mit Ihnen werden un-
ſrer zehn ſein. Ich habe gar vortreflichen Wein.
Da wollen wir uns recht luſtig machen.

Du. Ich danke Ihnen recht ſehr. Aber ich
bin morgen auf den ganzen Abend verſprochen.

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[165/0171] Er. So plagt er Sie alſo den ganzen ge- ſchlagnen Morgen mit Griechiſch, Latein, und Logik, und ſolchem Zeuge? Verwuͤnſcht! Ich habe auch ſo eine Kindermuhme; aber niemahls hab’ ich mit ihr in meinem Leben in ein Buch gegukt. Ich habe die ganze Woche nicht einmahl ihr Geſicht geſehen, und fragte den Teufel darnach, wenn ich es auch niemahls wieder ſehen ſolte. Du. Mein Hofmeiſter verlangt nie etwas von mir, das nicht vernuͤnftig iſt, und zu meinem Beſten gereicht. Daher bin ich gern in ſeiner Geſelſchaft. Er. Klingt ja, auf meine Ehre, recht ſpruch- reich und erbaulich! Auf dieſe Art wird man Sie fuͤr einen recht frommen jungen Menſchen halten. Du. Nun, das wird eben kein großer Scha- de ſein. Er. Wollen Sie denn alſo morgen auf den Abend zu uns kommen? Mit Ihnen werden un- ſrer zehn ſein. Ich habe gar vortreflichen Wein. Da wollen wir uns recht luſtig machen. Du. Ich danke Ihnen recht ſehr. Aber ich bin morgen auf den ganzen Abend verſprochen. Erſt L 3

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/171>, abgerufen am 07.05.2024.