standhaft, sogar kühn sein, aber mit großer Bescheidenheit.
Nichts hat ein junger Mensch bei seinem Ein- tritte in die Welt mehr zu fürchten, und nichts solt' er daher sorgfältiger zu vermeiden suchen, als daß man ihm nicht etwas Lächerliches anhän- gen mögte. Das entehrt ihn bei dem vernünftig- sten Theile der Menschen, bei den übrigen aber stürzt es ihn ganz und gar; und ich habe manchen gekant, der dadurch unglüklich geworden ist, daß er sich einen lächerlichen Beinahmen zuzog.
Um aller Welt willen wolte ich nicht, daß du dir einen Beinahmen zuziehen soltest, wenn du nach England zurükkomst. Laster und Verbrechen erregen Haß und Vorwürfe, aber Fehler, Schwach- heiten und Unschiklichkeiten, machen uns lächerlich. Nachäffende Leute machen sie sich zu Nuze, die, wiewohl sie oft selbst sehr verächtliche Schurken sind, dennoch oft durch ihre Schwänke beßre Leute verächtlich machen. Die kleinen Fehler des Be- zeigens, der Aussprache, Anrede, Miene, selbst der Gestalt, wiewohl höchst ungerechter Weise,
werden
Theophron 2. Th. J
ſtandhaft, ſogar kuͤhn ſein, aber mit großer Beſcheidenheit.
Nichts hat ein junger Menſch bei ſeinem Ein- tritte in die Welt mehr zu fuͤrchten, und nichts ſolt’ er daher ſorgfaͤltiger zu vermeiden ſuchen, als daß man ihm nicht etwas Laͤcherliches anhaͤn- gen moͤgte. Das entehrt ihn bei dem vernuͤnftig- ſten Theile der Menſchen, bei den uͤbrigen aber ſtuͤrzt es ihn ganz und gar; und ich habe manchen gekant, der dadurch ungluͤklich geworden iſt, daß er ſich einen laͤcherlichen Beinahmen zuzog.
Um aller Welt willen wolte ich nicht, daß du dir einen Beinahmen zuziehen ſolteſt, wenn du nach England zuruͤkkomſt. Laſter und Verbrechen erregen Haß und Vorwuͤrfe, aber Fehler, Schwach- heiten und Unſchiklichkeiten, machen uns laͤcherlich. Nachaͤffende Leute machen ſie ſich zu Nuze, die, wiewohl ſie oft ſelbſt ſehr veraͤchtliche Schurken ſind, dennoch oft durch ihre Schwaͤnke beßre Leute veraͤchtlich machen. Die kleinen Fehler des Be- zeigens, der Ausſprache, Anrede, Miene, ſelbſt der Geſtalt, wiewohl hoͤchſt ungerechter Weiſe,
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Theophron 2. Th. J
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ſtandhaft, ſogar kuͤhn ſein, aber mit großer
Beſcheidenheit.
Nichts hat ein junger Menſch bei ſeinem Ein-
tritte in die Welt mehr zu fuͤrchten, und nichts
ſolt’ er daher ſorgfaͤltiger zu vermeiden ſuchen,
als daß man ihm nicht etwas Laͤcherliches anhaͤn-
gen moͤgte. Das entehrt ihn bei dem vernuͤnftig-
ſten Theile der Menſchen, bei den uͤbrigen aber
ſtuͤrzt es ihn ganz und gar; und ich habe manchen
gekant, der dadurch ungluͤklich geworden iſt, daß
er ſich einen laͤcherlichen Beinahmen zuzog.
Um aller Welt willen wolte ich nicht, daß du
dir einen Beinahmen zuziehen ſolteſt, wenn du
nach England zuruͤkkomſt. Laſter und Verbrechen
erregen Haß und Vorwuͤrfe, aber Fehler, Schwach-
heiten und Unſchiklichkeiten, machen uns laͤcherlich.
Nachaͤffende Leute machen ſie ſich zu Nuze, die,
wiewohl ſie oft ſelbſt ſehr veraͤchtliche Schurken
ſind, dennoch oft durch ihre Schwaͤnke beßre Leute
veraͤchtlich machen. Die kleinen Fehler des Be-
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der Geſtalt, wiewohl hoͤchſt ungerechter Weiſe,
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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/135>, abgerufen am 27.07.2024.
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