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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783.

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solchen Aposteln zu sagen: "Du wüßtest schon,
sie redeten nicht im Ernste; du hättest von ihnen
eine viel bessere Meinung, als die sie dir beibrin-
gen wolten, und wärst sicher, sie würden die
Lehre, die sie predigten, selbst nicht ausüben."
Insgeheim aber zeichne dir sie aus, und meide
sie nachher auf immer!

Nichts ist so zart, als dein sitlicher guter Name,
und an nichts muß dir mehr gelegen sein, als
denselben rein zu erhalten. Soltest du in Verdacht
der Ungerechtigkeit, Bosheit, Treulosigkeit und
Lügen kommen, so werden alle Geistesgaben, alle
Wissenschaft von der Welt, dir niemahls Hoch-
achtung, Freundschaft oder Ehrerbietung ver-
schaffen. Ein seltsames Zusammentreffen von
Umständen hat zwar zuweilen sehr böse Menschen
zu hohen Aemtern befördert; aber sie sind auf
eben die Art aufgestelt worden, wie Missethäter
an einem Pranger, wo ihre Personen und Ver-
brechen, weil sie mehr dem Anblikke ausgesezt
sind, nur um so viel mehr bekant, verabscheut,
beschimpft und gemißhandelt werden.



Die

ſolchen Apoſteln zu ſagen: “Du wuͤßteſt ſchon,
ſie redeten nicht im Ernſte; du haͤtteſt von ihnen
eine viel beſſere Meinung, als die ſie dir beibrin-
gen wolten, und waͤrſt ſicher, ſie wuͤrden die
Lehre, die ſie predigten, ſelbſt nicht ausuͤben.„
Insgeheim aber zeichne dir ſie aus, und meide
ſie nachher auf immer!

Nichts iſt ſo zart, als dein ſitlicher guter Name,
und an nichts muß dir mehr gelegen ſein, als
denſelben rein zu erhalten. Solteſt du in Verdacht
der Ungerechtigkeit, Bosheit, Treuloſigkeit und
Luͤgen kommen, ſo werden alle Geiſtesgaben, alle
Wiſſenſchaft von der Welt, dir niemahls Hoch-
achtung, Freundſchaft oder Ehrerbietung ver-
ſchaffen. Ein ſeltſames Zuſammentreffen von
Umſtaͤnden hat zwar zuweilen ſehr boͤſe Menſchen
zu hohen Aemtern befoͤrdert; aber ſie ſind auf
eben die Art aufgeſtelt worden, wie Miſſethaͤter
an einem Pranger, wo ihre Perſonen und Ver-
brechen, weil ſie mehr dem Anblikke ausgeſezt
ſind, nur um ſo viel mehr bekant, verabſcheut,
beſchimpft und gemißhandelt werden.



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[127/0133] ſolchen Apoſteln zu ſagen: “Du wuͤßteſt ſchon, ſie redeten nicht im Ernſte; du haͤtteſt von ihnen eine viel beſſere Meinung, als die ſie dir beibrin- gen wolten, und waͤrſt ſicher, ſie wuͤrden die Lehre, die ſie predigten, ſelbſt nicht ausuͤben.„ Insgeheim aber zeichne dir ſie aus, und meide ſie nachher auf immer! Nichts iſt ſo zart, als dein ſitlicher guter Name, und an nichts muß dir mehr gelegen ſein, als denſelben rein zu erhalten. Solteſt du in Verdacht der Ungerechtigkeit, Bosheit, Treuloſigkeit und Luͤgen kommen, ſo werden alle Geiſtesgaben, alle Wiſſenſchaft von der Welt, dir niemahls Hoch- achtung, Freundſchaft oder Ehrerbietung ver- ſchaffen. Ein ſeltſames Zuſammentreffen von Umſtaͤnden hat zwar zuweilen ſehr boͤſe Menſchen zu hohen Aemtern befoͤrdert; aber ſie ſind auf eben die Art aufgeſtelt worden, wie Miſſethaͤter an einem Pranger, wo ihre Perſonen und Ver- brechen, weil ſie mehr dem Anblikke ausgeſezt ſind, nur um ſo viel mehr bekant, verabſcheut, beſchimpft und gemißhandelt werden. Die

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/133>, abgerufen am 07.05.2024.