Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

sondern verrichte sie, sobald die Zeit dazu gekom-
men ist. Vornehmlich hüte dich, ohne Noth,
irgend ein Geschäft in die lezte Stunde zu
verschieben
; und bemühe dich vielmehr, deine
jedesmalige Arbeiten, wenn's immer thunlich
ist, noch vor der dazu bestimten Zeit zu Stande
zu bringen. Der Grund dieser Vorschrift ist von
selbst klar genug. Je näher die Stunde heran
rükt, in welcher irgend ein aufgeschobenes Ge-
schäft vollendet sein muß, um desto grösser wird
unsere Unruhe, um desto störender die Besorg-
niß, daß man zu der bestimten Zeit vielleicht da-
mit nicht werde fertig werden; um desto weniger
gelingt es uns, zu unserer eigenen und anderer
Zufriedenheit damit zu Stande zu kommen.
Man arbeitet alsdan mit einer gewissen Aengst-
lichkeit, welche unsere Selenkräfte fesselt; man
übereilt sich, man begeht Fehler, man legt den
Grund zu mancher Verdrieslichkeit, die wohl
hätte können vermieden werden, und hadert als-
dan vergebens mit sich, mit andern, und mit
seinem Schiksale. --


Hierzu

ſondern verrichte ſie, ſobald die Zeit dazu gekom-
men iſt. Vornehmlich huͤte dich, ohne Noth,
irgend ein Geſchaͤft in die lezte Stunde zu
verſchieben
; und bemuͤhe dich vielmehr, deine
jedesmalige Arbeiten, wenn’s immer thunlich
iſt, noch vor der dazu beſtimten Zeit zu Stande
zu bringen. Der Grund dieſer Vorſchrift iſt von
ſelbſt klar genug. Je naͤher die Stunde heran
ruͤkt, in welcher irgend ein aufgeſchobenes Ge-
ſchaͤft vollendet ſein muß, um deſto groͤſſer wird
unſere Unruhe, um deſto ſtoͤrender die Beſorg-
niß, daß man zu der beſtimten Zeit vielleicht da-
mit nicht werde fertig werden; um deſto weniger
gelingt es uns, zu unſerer eigenen und anderer
Zufriedenheit damit zu Stande zu kommen.
Man arbeitet alsdan mit einer gewiſſen Aengſt-
lichkeit, welche unſere Selenkraͤfte feſſelt; man
uͤbereilt ſich, man begeht Fehler, man legt den
Grund zu mancher Verdrieslichkeit, die wohl
haͤtte koͤnnen vermieden werden, und hadert als-
dan vergebens mit ſich, mit andern, und mit
ſeinem Schikſale. —


Hierzu
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0096" n="66"/>
&#x017F;ondern verrichte &#x017F;ie, &#x017F;obald die Zeit dazu gekom-<lb/>
men i&#x017F;t. Vornehmlich <hi rendition="#fr">hu&#x0364;te dich, ohne Noth,<lb/>
irgend ein Ge&#x017F;cha&#x0364;ft in die lezte Stunde zu<lb/>
ver&#x017F;chieben</hi>; und bemu&#x0364;he dich vielmehr, deine<lb/>
jedesmalige Arbeiten, wenn&#x2019;s immer thunlich<lb/>
i&#x017F;t, noch vor der dazu be&#x017F;timten Zeit zu Stande<lb/>
zu bringen. Der Grund die&#x017F;er Vor&#x017F;chrift i&#x017F;t von<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t klar genug. Je na&#x0364;her die Stunde heran<lb/>
ru&#x0364;kt, in welcher irgend ein aufge&#x017F;chobenes Ge-<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;ft vollendet &#x017F;ein muß, um de&#x017F;to gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er wird<lb/>
un&#x017F;ere Unruhe, um de&#x017F;to &#x017F;to&#x0364;render die Be&#x017F;org-<lb/>
niß, daß man zu der be&#x017F;timten Zeit vielleicht da-<lb/>
mit nicht werde fertig werden; um de&#x017F;to weniger<lb/>
gelingt es uns, zu un&#x017F;erer eigenen und anderer<lb/>
Zufriedenheit damit zu Stande zu kommen.<lb/>
Man arbeitet alsdan mit einer gewi&#x017F;&#x017F;en Aeng&#x017F;t-<lb/>
lichkeit, welche un&#x017F;ere Selenkra&#x0364;fte fe&#x017F;&#x017F;elt; man<lb/>
u&#x0364;bereilt &#x017F;ich, man begeht Fehler, man legt den<lb/>
Grund zu mancher Verdrieslichkeit, die wohl<lb/>
ha&#x0364;tte ko&#x0364;nnen vermieden werden, und hadert als-<lb/>
dan vergebens mit &#x017F;ich, mit andern, und mit<lb/>
&#x017F;einem Schik&#x017F;ale. &#x2014;</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Hierzu</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[66/0096] ſondern verrichte ſie, ſobald die Zeit dazu gekom- men iſt. Vornehmlich huͤte dich, ohne Noth, irgend ein Geſchaͤft in die lezte Stunde zu verſchieben; und bemuͤhe dich vielmehr, deine jedesmalige Arbeiten, wenn’s immer thunlich iſt, noch vor der dazu beſtimten Zeit zu Stande zu bringen. Der Grund dieſer Vorſchrift iſt von ſelbſt klar genug. Je naͤher die Stunde heran ruͤkt, in welcher irgend ein aufgeſchobenes Ge- ſchaͤft vollendet ſein muß, um deſto groͤſſer wird unſere Unruhe, um deſto ſtoͤrender die Beſorg- niß, daß man zu der beſtimten Zeit vielleicht da- mit nicht werde fertig werden; um deſto weniger gelingt es uns, zu unſerer eigenen und anderer Zufriedenheit damit zu Stande zu kommen. Man arbeitet alsdan mit einer gewiſſen Aengſt- lichkeit, welche unſere Selenkraͤfte feſſelt; man uͤbereilt ſich, man begeht Fehler, man legt den Grund zu mancher Verdrieslichkeit, die wohl haͤtte koͤnnen vermieden werden, und hadert als- dan vergebens mit ſich, mit andern, und mit ſeinem Schikſale. — Hierzu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/96
Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/96>, abgerufen am 23.11.2024.