sondern verrichte sie, sobald die Zeit dazu gekom- men ist. Vornehmlich hüte dich, ohne Noth, irgend ein Geschäft in die lezte Stunde zu verschieben; und bemühe dich vielmehr, deine jedesmalige Arbeiten, wenn's immer thunlich ist, noch vor der dazu bestimten Zeit zu Stande zu bringen. Der Grund dieser Vorschrift ist von selbst klar genug. Je näher die Stunde heran rükt, in welcher irgend ein aufgeschobenes Ge- schäft vollendet sein muß, um desto grösser wird unsere Unruhe, um desto störender die Besorg- niß, daß man zu der bestimten Zeit vielleicht da- mit nicht werde fertig werden; um desto weniger gelingt es uns, zu unserer eigenen und anderer Zufriedenheit damit zu Stande zu kommen. Man arbeitet alsdan mit einer gewissen Aengst- lichkeit, welche unsere Selenkräfte fesselt; man übereilt sich, man begeht Fehler, man legt den Grund zu mancher Verdrieslichkeit, die wohl hätte können vermieden werden, und hadert als- dan vergebens mit sich, mit andern, und mit seinem Schiksale. --
Hierzu
ſondern verrichte ſie, ſobald die Zeit dazu gekom- men iſt. Vornehmlich huͤte dich, ohne Noth, irgend ein Geſchaͤft in die lezte Stunde zu verſchieben; und bemuͤhe dich vielmehr, deine jedesmalige Arbeiten, wenn’s immer thunlich iſt, noch vor der dazu beſtimten Zeit zu Stande zu bringen. Der Grund dieſer Vorſchrift iſt von ſelbſt klar genug. Je naͤher die Stunde heran ruͤkt, in welcher irgend ein aufgeſchobenes Ge- ſchaͤft vollendet ſein muß, um deſto groͤſſer wird unſere Unruhe, um deſto ſtoͤrender die Beſorg- niß, daß man zu der beſtimten Zeit vielleicht da- mit nicht werde fertig werden; um deſto weniger gelingt es uns, zu unſerer eigenen und anderer Zufriedenheit damit zu Stande zu kommen. Man arbeitet alsdan mit einer gewiſſen Aengſt- lichkeit, welche unſere Selenkraͤfte feſſelt; man uͤbereilt ſich, man begeht Fehler, man legt den Grund zu mancher Verdrieslichkeit, die wohl haͤtte koͤnnen vermieden werden, und hadert als- dan vergebens mit ſich, mit andern, und mit ſeinem Schikſale. —
Hierzu
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0096"n="66"/>ſondern verrichte ſie, ſobald die Zeit dazu gekom-<lb/>
men iſt. Vornehmlich <hirendition="#fr">huͤte dich, ohne Noth,<lb/>
irgend ein Geſchaͤft in die lezte Stunde zu<lb/>
verſchieben</hi>; und bemuͤhe dich vielmehr, deine<lb/>
jedesmalige Arbeiten, wenn’s immer thunlich<lb/>
iſt, noch vor der dazu beſtimten Zeit zu Stande<lb/>
zu bringen. Der Grund dieſer Vorſchrift iſt von<lb/>ſelbſt klar genug. Je naͤher die Stunde heran<lb/>
ruͤkt, in welcher irgend ein aufgeſchobenes Ge-<lb/>ſchaͤft vollendet ſein muß, um deſto groͤſſer wird<lb/>
unſere Unruhe, um deſto ſtoͤrender die Beſorg-<lb/>
niß, daß man zu der beſtimten Zeit vielleicht da-<lb/>
mit nicht werde fertig werden; um deſto weniger<lb/>
gelingt es uns, zu unſerer eigenen und anderer<lb/>
Zufriedenheit damit zu Stande zu kommen.<lb/>
Man arbeitet alsdan mit einer gewiſſen Aengſt-<lb/>
lichkeit, welche unſere Selenkraͤfte feſſelt; man<lb/>
uͤbereilt ſich, man begeht Fehler, man legt den<lb/>
Grund zu mancher Verdrieslichkeit, die wohl<lb/>
haͤtte koͤnnen vermieden werden, und hadert als-<lb/>
dan vergebens mit ſich, mit andern, und mit<lb/>ſeinem Schikſale. —</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Hierzu</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[66/0096]
ſondern verrichte ſie, ſobald die Zeit dazu gekom-
men iſt. Vornehmlich huͤte dich, ohne Noth,
irgend ein Geſchaͤft in die lezte Stunde zu
verſchieben; und bemuͤhe dich vielmehr, deine
jedesmalige Arbeiten, wenn’s immer thunlich
iſt, noch vor der dazu beſtimten Zeit zu Stande
zu bringen. Der Grund dieſer Vorſchrift iſt von
ſelbſt klar genug. Je naͤher die Stunde heran
ruͤkt, in welcher irgend ein aufgeſchobenes Ge-
ſchaͤft vollendet ſein muß, um deſto groͤſſer wird
unſere Unruhe, um deſto ſtoͤrender die Beſorg-
niß, daß man zu der beſtimten Zeit vielleicht da-
mit nicht werde fertig werden; um deſto weniger
gelingt es uns, zu unſerer eigenen und anderer
Zufriedenheit damit zu Stande zu kommen.
Man arbeitet alsdan mit einer gewiſſen Aengſt-
lichkeit, welche unſere Selenkraͤfte feſſelt; man
uͤbereilt ſich, man begeht Fehler, man legt den
Grund zu mancher Verdrieslichkeit, die wohl
haͤtte koͤnnen vermieden werden, und hadert als-
dan vergebens mit ſich, mit andern, und mit
ſeinem Schikſale. —
Hierzu
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/96>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.