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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

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heitsregel ist eben so gewöhnlich, als die Folgen
davon traurig zu sein pflegen.

Ich habe wenig Jünglinge gesehn, denen nicht
Zeit und Weile lang geworden wäre, bevor sie
zu einem Amte befördert wurden: aber noch weit
wenigere, die nicht bald darauf ihre Uebereilung
bereueten, und sich zurük in ihren vorigen Zustand
wünschten. Jeder Standort in der menschlichen
Geselschaft, so glänzend er auch immer sein mag,
hat seine großen Unbequemlichkeiten, wovon man
nur den kleinsten Theil von fern erblikken kan.
So oft man also sich in gewisse Verhältnisse und
Verbindungen einlassen wil, muß man zum Vor-
aus versichert sein, daß man die Annehmlichkeiten
derselben durch ein Vergrösserungsglas, die Un-
annehmlichkeiten hingegen durch ein umgekehrtes,
mithin verkleinerndes Fernglas sehe. Thut man
dieses nicht; stelt man die künftigen Arbeiten sei-
nes Berufs sich zu leicht, und die damit verbun-
denen Vortheile zu lieblich vor: so ist nichts ge-
wisser, als daß Mißvergnügen und Reue die un-
ausbleibliche Folge unserer Entschließung sein
werden.


Das

heitsregel iſt eben ſo gewoͤhnlich, als die Folgen
davon traurig zu ſein pflegen.

Ich habe wenig Juͤnglinge geſehn, denen nicht
Zeit und Weile lang geworden waͤre, bevor ſie
zu einem Amte befoͤrdert wurden: aber noch weit
wenigere, die nicht bald darauf ihre Uebereilung
bereueten, und ſich zuruͤk in ihren vorigen Zuſtand
wuͤnſchten. Jeder Standort in der menſchlichen
Geſelſchaft, ſo glaͤnzend er auch immer ſein mag,
hat ſeine großen Unbequemlichkeiten, wovon man
nur den kleinſten Theil von fern erblikken kan.
So oft man alſo ſich in gewiſſe Verhaͤltniſſe und
Verbindungen einlaſſen wil, muß man zum Vor-
aus verſichert ſein, daß man die Annehmlichkeiten
derſelben durch ein Vergroͤſſerungsglas, die Un-
annehmlichkeiten hingegen durch ein umgekehrtes,
mithin verkleinerndes Fernglas ſehe. Thut man
dieſes nicht; ſtelt man die kuͤnftigen Arbeiten ſei-
nes Berufs ſich zu leicht, und die damit verbun-
denen Vortheile zu lieblich vor: ſo iſt nichts ge-
wiſſer, als daß Mißvergnuͤgen und Reue die un-
ausbleibliche Folge unſerer Entſchließung ſein
werden.


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[36/0066] heitsregel iſt eben ſo gewoͤhnlich, als die Folgen davon traurig zu ſein pflegen. Ich habe wenig Juͤnglinge geſehn, denen nicht Zeit und Weile lang geworden waͤre, bevor ſie zu einem Amte befoͤrdert wurden: aber noch weit wenigere, die nicht bald darauf ihre Uebereilung bereueten, und ſich zuruͤk in ihren vorigen Zuſtand wuͤnſchten. Jeder Standort in der menſchlichen Geſelſchaft, ſo glaͤnzend er auch immer ſein mag, hat ſeine großen Unbequemlichkeiten, wovon man nur den kleinſten Theil von fern erblikken kan. So oft man alſo ſich in gewiſſe Verhaͤltniſſe und Verbindungen einlaſſen wil, muß man zum Vor- aus verſichert ſein, daß man die Annehmlichkeiten derſelben durch ein Vergroͤſſerungsglas, die Un- annehmlichkeiten hingegen durch ein umgekehrtes, mithin verkleinerndes Fernglas ſehe. Thut man dieſes nicht; ſtelt man die kuͤnftigen Arbeiten ſei- nes Berufs ſich zu leicht, und die damit verbun- denen Vortheile zu lieblich vor: ſo iſt nichts ge- wiſſer, als daß Mißvergnuͤgen und Reue die un- ausbleibliche Folge unſerer Entſchließung ſein werden. Das

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/66>, abgerufen am 25.11.2024.