Zwar dieses Zurükziehn aus dem Gewühl des öffentlichen Lebens in die stille Einsamkeit müsse von keinem andern für ein Beispiel zur Nachah- mung gehalten werden, als von dem, der entwe- der sich bewußt ist, der menschlichen Geselschaft für sein Theil schon genug gedient zu haben; oder der aus irgend einer wichtigen Ursache sich unfä- hig fühlt, ihr fernerhin seine Dienste angedeien zu lassen; oder endlich auch von dem, der da Mittel und Wege weiß, auch in der Einsam- keit ein für seine Brüder gemeinnüziges Leben zu führen. Und ich darf sagen, daß, wo nicht der erste Fal, doch wenigstens der zweite und dritte derjenige gewesen sei, worin dein Vater sich befand, da er von dem großen Welttheater abzutreten für nöthig erachtete.
Denn Gott hat seine schöne Welt nicht für unthätige, blos betrachtende Einsiedler geschaffen. Er wil, daß der Mensch gesellig sei, und daß je- der das Maaß von Kräften, welches ihm ver- liehen worden, zum gemeinen Besten verwende. Dazu solst auch du also das deinige brauchen; solst durch so viel edle Thaten, als dir nur immer
möglich
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Zwar dieſes Zuruͤkziehn aus dem Gewuͤhl des oͤffentlichen Lebens in die ſtille Einſamkeit muͤſſe von keinem andern fuͤr ein Beiſpiel zur Nachah- mung gehalten werden, als von dem, der entwe- der ſich bewußt iſt, der menſchlichen Geſelſchaft fuͤr ſein Theil ſchon genug gedient zu haben; oder der aus irgend einer wichtigen Urſache ſich unfaͤ- hig fuͤhlt, ihr fernerhin ſeine Dienſte angedeien zu laſſen; oder endlich auch von dem, der da Mittel und Wege weiß, auch in der Einſam- keit ein fuͤr ſeine Bruͤder gemeinnuͤziges Leben zu fuͤhren. Und ich darf ſagen, daß, wo nicht der erſte Fal, doch wenigſtens der zweite und dritte derjenige geweſen ſei, worin dein Vater ſich befand, da er von dem großen Welttheater abzutreten fuͤr noͤthig erachtete.
Denn Gott hat ſeine ſchoͤne Welt nicht fuͤr unthaͤtige, blos betrachtende Einſiedler geſchaffen. Er wil, daß der Menſch geſellig ſei, und daß je- der das Maaß von Kraͤften, welches ihm ver- liehen worden, zum gemeinen Beſten verwende. Dazu ſolſt auch du alſo das deinige brauchen; ſolſt durch ſo viel edle Thaten, als dir nur immer
moͤglich
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Zwar dieſes Zuruͤkziehn aus dem Gewuͤhl des
oͤffentlichen Lebens in die ſtille Einſamkeit muͤſſe
von keinem andern fuͤr ein Beiſpiel zur Nachah-
mung gehalten werden, als von dem, der entwe-
der ſich bewußt iſt, der menſchlichen Geſelſchaft
fuͤr ſein Theil ſchon genug gedient zu haben; oder
der aus irgend einer wichtigen Urſache ſich unfaͤ-
hig fuͤhlt, ihr fernerhin ſeine Dienſte angedeien
zu laſſen; oder endlich auch von dem, der da
Mittel und Wege weiß, auch in der Einſam-
keit ein fuͤr ſeine Bruͤder gemeinnuͤziges Leben
zu fuͤhren. Und ich darf ſagen, daß, wo nicht
der erſte Fal, doch wenigſtens der zweite und
dritte derjenige geweſen ſei, worin dein Vater
ſich befand, da er von dem großen Welttheater
abzutreten fuͤr noͤthig erachtete.
Denn Gott hat ſeine ſchoͤne Welt nicht fuͤr
unthaͤtige, blos betrachtende Einſiedler geſchaffen.
Er wil, daß der Menſch geſellig ſei, und daß je-
der das Maaß von Kraͤften, welches ihm ver-
liehen worden, zum gemeinen Beſten verwende.
Dazu ſolſt auch du alſo das deinige brauchen;
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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/49>, abgerufen am 16.02.2025.
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