Haufe dazu verurtheilt wäre, sich durch Masken, Mienen, Gebehrden, Inflexionen der Stimme, verdrehte Augen und weisse Schnupftücher be- trügen zu lassen." *)
Du, mein Sohn, sei weiser, als der große Haufe, und laß durch alle diese Dinge dich nicht betrügen. Stimme nie in die gewöhnlichen enthusiastischen Ausrufungen über alle die wür- digen und herlichen Männer ein, die man noch nicht anders, als nur aus ihren Schriften kent; sondern warte mit deinem Lobe, bis du den Menschen eben so gut, als den Schriftsteller, in ihnen kennen zu lernen, Gelegenheit erhalten haft. Dan wird die anfängliche Hize der Bewunderung sich vermuthlich um ein großes abgekühlt haben; und ein halbes Duzend solcher Beobachtungen, die du künftig bei Hunderten machen wirst, wer- den hinreichen, dich von der Möglichkeit zu über- zeugen, daß man bescheiden, friedfertig, ent- haltsam, menschenfreundlich, from und recht- schaffen auf dem Papier, und zu gleicher Zeit ausnehmend eitel, hochmüthig, zänkisch, aus-
schwei-
*)Wieland.
Haufe dazu verurtheilt waͤre, ſich durch Masken, Mienen, Gebehrden, Inflexionen der Stimme, verdrehte Augen und weiſſe Schnupftuͤcher be- truͤgen zu laſſen.„ *)
Du, mein Sohn, ſei weiſer, als der große Haufe, und laß durch alle dieſe Dinge dich nicht betruͤgen. Stimme nie in die gewoͤhnlichen enthuſiaſtiſchen Ausrufungen uͤber alle die wuͤr- digen und herlichen Maͤnner ein, die man noch nicht anders, als nur aus ihren Schriften kent; ſondern warte mit deinem Lobe, bis du den Menſchen eben ſo gut, als den Schriftſteller, in ihnen kennen zu lernen, Gelegenheit erhalten haft. Dan wird die anfaͤngliche Hize der Bewunderung ſich vermuthlich um ein großes abgekuͤhlt haben; und ein halbes Duzend ſolcher Beobachtungen, die du kuͤnftig bei Hunderten machen wirſt, wer- den hinreichen, dich von der Moͤglichkeit zu uͤber- zeugen, daß man beſcheiden, friedfertig, ent- haltſam, menſchenfreundlich, from und recht- ſchaffen auf dem Papier, und zu gleicher Zeit ausnehmend eitel, hochmuͤthig, zaͤnkiſch, aus-
ſchwei-
*)Wieland.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0246"n="216"/>
Haufe dazu verurtheilt waͤre, ſich durch Masken,<lb/>
Mienen, Gebehrden, Inflexionen der Stimme,<lb/>
verdrehte Augen und weiſſe Schnupftuͤcher be-<lb/>
truͤgen zu laſſen.„<noteplace="foot"n="*)"><hirendition="#fr">Wieland</hi>.</note></p><lb/><p>Du, mein Sohn, ſei weiſer, als der große<lb/>
Haufe, und laß durch alle dieſe Dinge dich nicht<lb/>
betruͤgen. Stimme nie in die gewoͤhnlichen<lb/>
enthuſiaſtiſchen Ausrufungen uͤber alle die wuͤr-<lb/>
digen und herlichen Maͤnner ein, die man noch<lb/>
nicht anders, als nur aus ihren Schriften kent;<lb/>ſondern warte mit deinem Lobe, bis du den<lb/>
Menſchen eben ſo gut, als den Schriftſteller, in<lb/>
ihnen kennen zu lernen, Gelegenheit erhalten haft.<lb/>
Dan wird die anfaͤngliche Hize der Bewunderung<lb/>ſich vermuthlich um ein großes abgekuͤhlt haben;<lb/>
und ein halbes Duzend ſolcher Beobachtungen,<lb/>
die du kuͤnftig bei Hunderten machen wirſt, wer-<lb/>
den hinreichen, dich von der Moͤglichkeit zu uͤber-<lb/>
zeugen, daß man beſcheiden, friedfertig, ent-<lb/>
haltſam, menſchenfreundlich, from und recht-<lb/>ſchaffen auf dem Papier, und zu gleicher Zeit<lb/>
ausnehmend eitel, hochmuͤthig, zaͤnkiſch, aus-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſchwei-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[216/0246]
Haufe dazu verurtheilt waͤre, ſich durch Masken,
Mienen, Gebehrden, Inflexionen der Stimme,
verdrehte Augen und weiſſe Schnupftuͤcher be-
truͤgen zu laſſen.„ *)
Du, mein Sohn, ſei weiſer, als der große
Haufe, und laß durch alle dieſe Dinge dich nicht
betruͤgen. Stimme nie in die gewoͤhnlichen
enthuſiaſtiſchen Ausrufungen uͤber alle die wuͤr-
digen und herlichen Maͤnner ein, die man noch
nicht anders, als nur aus ihren Schriften kent;
ſondern warte mit deinem Lobe, bis du den
Menſchen eben ſo gut, als den Schriftſteller, in
ihnen kennen zu lernen, Gelegenheit erhalten haft.
Dan wird die anfaͤngliche Hize der Bewunderung
ſich vermuthlich um ein großes abgekuͤhlt haben;
und ein halbes Duzend ſolcher Beobachtungen,
die du kuͤnftig bei Hunderten machen wirſt, wer-
den hinreichen, dich von der Moͤglichkeit zu uͤber-
zeugen, daß man beſcheiden, friedfertig, ent-
haltſam, menſchenfreundlich, from und recht-
ſchaffen auf dem Papier, und zu gleicher Zeit
ausnehmend eitel, hochmuͤthig, zaͤnkiſch, aus-
ſchwei-
*) Wieland.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/246>, abgerufen am 19.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.