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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

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chen, nicht verdreht worden ist. Mache dich
aber auch selbst, durch eine vernünftige Schäzung
jeglichen Verdiensts nach dem Maaßstabe seines
Nuzens, von dem albernen Vorurtheile los,
welches Talenten dieser Art auf der Stuffenleiter
des Ruhmwürdigen die höchste Staffel anweiset,
ohngeachtet die Zeiten, in denen sie wirklich für
etwas vorzüglich Verdienstliches gehalten wer-
den konten, schon längst vorüber sind. Das sind
nemlich die Zeiten, da eine Nazion eben erst
anfängt, sich aus der Nacht der Barbarei zu der
Morgenröthe der Aufklärung empor zu arbeiten.
Da ist es wirkliches Verdienst, das ihr aufzu-
stekkende Licht der Philosophie, dessen reinen un-
verhülten Schein sie noch nicht ertragen kan, mit
dem Laternenglase der schönen Künste und der
Poesie zu umgeben, damit es in gemildertem
Glanze den Leuten in die Augen falle, und durch
das Wehen nächtlicher Stürme nicht erlöschen
möge. Aber ist es nicht lächerlich, vor dem
Laternenpfale deswegen, weil er zur Nachtzeit
nüzlich war, am hellen Mittage das Haupt zu
entblößen, und der hohen Sonne nicht zu achten,

deren

chen, nicht verdreht worden iſt. Mache dich
aber auch ſelbſt, durch eine vernuͤnftige Schaͤzung
jeglichen Verdienſts nach dem Maaßſtabe ſeines
Nuzens, von dem albernen Vorurtheile los,
welches Talenten dieſer Art auf der Stuffenleiter
des Ruhmwuͤrdigen die hoͤchſte Staffel anweiſet,
ohngeachtet die Zeiten, in denen ſie wirklich fuͤr
etwas vorzuͤglich Verdienſtliches gehalten wer-
den konten, ſchon laͤngſt voruͤber ſind. Das ſind
nemlich die Zeiten, da eine Nazion eben erſt
anfaͤngt, ſich aus der Nacht der Barbarei zu der
Morgenroͤthe der Aufklaͤrung empor zu arbeiten.
Da iſt es wirkliches Verdienſt, das ihr aufzu-
ſtekkende Licht der Philoſophie, deſſen reinen un-
verhuͤlten Schein ſie noch nicht ertragen kan, mit
dem Laternenglaſe der ſchoͤnen Kuͤnſte und der
Poeſie zu umgeben, damit es in gemildertem
Glanze den Leuten in die Augen falle, und durch
das Wehen naͤchtlicher Stuͤrme nicht erloͤſchen
moͤge. Aber iſt es nicht laͤcherlich, vor dem
Laternenpfale deswegen, weil er zur Nachtzeit
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[214/0244] chen, nicht verdreht worden iſt. Mache dich aber auch ſelbſt, durch eine vernuͤnftige Schaͤzung jeglichen Verdienſts nach dem Maaßſtabe ſeines Nuzens, von dem albernen Vorurtheile los, welches Talenten dieſer Art auf der Stuffenleiter des Ruhmwuͤrdigen die hoͤchſte Staffel anweiſet, ohngeachtet die Zeiten, in denen ſie wirklich fuͤr etwas vorzuͤglich Verdienſtliches gehalten wer- den konten, ſchon laͤngſt voruͤber ſind. Das ſind nemlich die Zeiten, da eine Nazion eben erſt anfaͤngt, ſich aus der Nacht der Barbarei zu der Morgenroͤthe der Aufklaͤrung empor zu arbeiten. Da iſt es wirkliches Verdienſt, das ihr aufzu- ſtekkende Licht der Philoſophie, deſſen reinen un- verhuͤlten Schein ſie noch nicht ertragen kan, mit dem Laternenglaſe der ſchoͤnen Kuͤnſte und der Poeſie zu umgeben, damit es in gemildertem Glanze den Leuten in die Augen falle, und durch das Wehen naͤchtlicher Stuͤrme nicht erloͤſchen moͤge. Aber iſt es nicht laͤcherlich, vor dem Laternenpfale deswegen, weil er zur Nachtzeit nuͤzlich war, am hellen Mittage das Haupt zu entbloͤßen, und der hohen Sonne nicht zu achten, deren

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/244>, abgerufen am 19.05.2024.