Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

Zeit eine ordentliche Sekte, eine Art von Mau-
rerei daraus, die ihre geheimen Simbolen und
Unterscheidungszeichen hatte. Man nante sie
die Sekte der Genies; und von der Zeit an
ist dieses Wort, welches vormahls die fähigsten
und größten Sterblichen bezeichnete, zu einem
Ekelnamen worden.

Das ging nun gar zu weit. Geschmak,
Sprache, Litteratur und Sitten neigten sich schon
zu einer algemeinen verderblichen Umwälzung,
als glüklicher Weise mehrere muthige und patrio-
tische Männer mit der Geissel der Satire in der
Hand sich großmüthig vor den Riß stelten, den
anfänglichen Kothwurf nicht achteten, und auf
den Rükken der geniesüchtigen Thoren so anhal-
tend und so nachdrüklich lospeitschten, bis sie be-
schämt oder verzweifelnd sich davon schlichen,
und fortan nicht mehr gesehen wurden.

Ob nun die Seuche dadurch völlig gedämpft
sei, oder ob sie noch jezt hie und da im Verbor-
genen schleiche, getraue ich mir in der That nicht
zu entscheiden. Da indes der lezte Fal, wo
nicht mehr, doch eben so viel Wahrscheinlichkeit

als

Zeit eine ordentliche Sekte, eine Art von Mau-
rerei daraus, die ihre geheimen Simbolen und
Unterſcheidungszeichen hatte. Man nante ſie
die Sekte der Genies; und von der Zeit an
iſt dieſes Wort, welches vormahls die faͤhigſten
und groͤßten Sterblichen bezeichnete, zu einem
Ekelnamen worden.

Das ging nun gar zu weit. Geſchmak,
Sprache, Litteratur und Sitten neigten ſich ſchon
zu einer algemeinen verderblichen Umwaͤlzung,
als gluͤklicher Weiſe mehrere muthige und patrio-
tiſche Maͤnner mit der Geiſſel der Satire in der
Hand ſich großmuͤthig vor den Riß ſtelten, den
anfaͤnglichen Kothwurf nicht achteten, und auf
den Ruͤkken der genieſuͤchtigen Thoren ſo anhal-
tend und ſo nachdruͤklich lospeitſchten, bis ſie be-
ſchaͤmt oder verzweifelnd ſich davon ſchlichen,
und fortan nicht mehr geſehen wurden.

Ob nun die Seuche dadurch voͤllig gedaͤmpft
ſei, oder ob ſie noch jezt hie und da im Verbor-
genen ſchleiche, getraue ich mir in der That nicht
zu entſcheiden. Da indes der lezte Fal, wo
nicht mehr, doch eben ſo viel Wahrſcheinlichkeit

als
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0242" n="212"/>
Zeit eine ordentliche Sekte, eine Art von Mau-<lb/>
rerei daraus, die ihre geheimen Simbolen und<lb/>
Unter&#x017F;cheidungszeichen hatte. Man nante &#x017F;ie<lb/>
die <hi rendition="#fr">Sekte der Genies</hi>; und von der Zeit an<lb/>
i&#x017F;t die&#x017F;es Wort, welches vormahls die fa&#x0364;hig&#x017F;ten<lb/>
und gro&#x0364;ßten Sterblichen bezeichnete, zu einem<lb/>
Ekelnamen worden.</p><lb/>
        <p>Das ging nun gar zu weit. Ge&#x017F;chmak,<lb/>
Sprache, Litteratur und Sitten neigten &#x017F;ich &#x017F;chon<lb/>
zu einer algemeinen verderblichen Umwa&#x0364;lzung,<lb/>
als glu&#x0364;klicher Wei&#x017F;e mehrere muthige und patrio-<lb/>
ti&#x017F;che Ma&#x0364;nner mit der Gei&#x017F;&#x017F;el der Satire in der<lb/>
Hand &#x017F;ich großmu&#x0364;thig vor den Riß &#x017F;telten, den<lb/>
anfa&#x0364;nglichen Kothwurf nicht achteten, und auf<lb/>
den Ru&#x0364;kken der genie&#x017F;u&#x0364;chtigen Thoren &#x017F;o anhal-<lb/>
tend und &#x017F;o nachdru&#x0364;klich lospeit&#x017F;chten, bis &#x017F;ie be-<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;mt oder verzweifelnd &#x017F;ich davon &#x017F;chlichen,<lb/>
und fortan nicht mehr ge&#x017F;ehen wurden.</p><lb/>
        <p>Ob nun die Seuche dadurch vo&#x0364;llig geda&#x0364;mpft<lb/>
&#x017F;ei, oder ob &#x017F;ie noch jezt hie und da im Verbor-<lb/>
genen &#x017F;chleiche, getraue ich mir in der That nicht<lb/>
zu ent&#x017F;cheiden. Da indes der lezte Fal, wo<lb/>
nicht mehr, doch eben &#x017F;o viel Wahr&#x017F;cheinlichkeit<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">als</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[212/0242] Zeit eine ordentliche Sekte, eine Art von Mau- rerei daraus, die ihre geheimen Simbolen und Unterſcheidungszeichen hatte. Man nante ſie die Sekte der Genies; und von der Zeit an iſt dieſes Wort, welches vormahls die faͤhigſten und groͤßten Sterblichen bezeichnete, zu einem Ekelnamen worden. Das ging nun gar zu weit. Geſchmak, Sprache, Litteratur und Sitten neigten ſich ſchon zu einer algemeinen verderblichen Umwaͤlzung, als gluͤklicher Weiſe mehrere muthige und patrio- tiſche Maͤnner mit der Geiſſel der Satire in der Hand ſich großmuͤthig vor den Riß ſtelten, den anfaͤnglichen Kothwurf nicht achteten, und auf den Ruͤkken der genieſuͤchtigen Thoren ſo anhal- tend und ſo nachdruͤklich lospeitſchten, bis ſie be- ſchaͤmt oder verzweifelnd ſich davon ſchlichen, und fortan nicht mehr geſehen wurden. Ob nun die Seuche dadurch voͤllig gedaͤmpft ſei, oder ob ſie noch jezt hie und da im Verbor- genen ſchleiche, getraue ich mir in der That nicht zu entſcheiden. Da indes der lezte Fal, wo nicht mehr, doch eben ſo viel Wahrſcheinlichkeit als

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/242
Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/242>, abgerufen am 23.11.2024.