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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

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erworbenen Schäzen prahlt. Ich habe Leute
gekant, welche mit einem Herzen vol Wohlwollen
und Rechtschaffenheit die rauhsten Fluchworte aus-
stoßen konten; Flüche, von denen Sterne sagt,
"daß der einregistrirende Engel in der Himmels-
kanzelei eine Träne darauf fallen lasse, um sie
wieder auszulöschen": aber nie nie hab' ich An-
dächtler, Leute, welche in ihren Blikken, Mienen,
Gebehrden und Worten eine ausserordentliche
Frömmigkeit an den Tag zu legen suchten, ge-
sehn, von denen es sich nicht bald gezeigt hätte,
daß sie Heuchler waren, die ihre ganze Recht-
schaffenheit in die beständige Einmischung from-
klingender Worte, in die öftere Anführung bibli-
scher Stellen, und in die pünktlichste Beobachtung
gottesdienstlicher Gebräuche sezten, ohne dabei die
algemeinsten Pflichten der Ehrlichkeit und Ge-
rechtigkeit zu erfüllen. Das sind gefährliche Men-
schen, mein Sohn, vor denen man nicht genug
auf seiner Hut sein kan: denn was läßt sich nicht
alles von dem erwarten, der das, was den
Menschen das Heiligste und Ehrwürdigste ist,
zum Dekmantel seiner Bübereien macht; der die

Bibel,

erworbenen Schaͤzen prahlt. Ich habe Leute
gekant, welche mit einem Herzen vol Wohlwollen
und Rechtſchaffenheit die rauhſten Fluchworte aus-
ſtoßen konten; Fluͤche, von denen Sterne ſagt,
“daß der einregiſtrirende Engel in der Himmels-
kanzelei eine Traͤne darauf fallen laſſe, um ſie
wieder auszuloͤſchen„: aber nie nie hab’ ich An-
daͤchtler, Leute, welche in ihren Blikken, Mienen,
Gebehrden und Worten eine auſſerordentliche
Froͤmmigkeit an den Tag zu legen ſuchten, ge-
ſehn, von denen es ſich nicht bald gezeigt haͤtte,
daß ſie Heuchler waren, die ihre ganze Recht-
ſchaffenheit in die beſtaͤndige Einmiſchung from-
klingender Worte, in die oͤftere Anfuͤhrung bibli-
ſcher Stellen, und in die puͤnktlichſte Beobachtung
gottesdienſtlicher Gebraͤuche ſezten, ohne dabei die
algemeinſten Pflichten der Ehrlichkeit und Ge-
rechtigkeit zu erfuͤllen. Das ſind gefaͤhrliche Men-
ſchen, mein Sohn, vor denen man nicht genug
auf ſeiner Hut ſein kan: denn was laͤßt ſich nicht
alles von dem erwarten, der das, was den
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[207/0237] erworbenen Schaͤzen prahlt. Ich habe Leute gekant, welche mit einem Herzen vol Wohlwollen und Rechtſchaffenheit die rauhſten Fluchworte aus- ſtoßen konten; Fluͤche, von denen Sterne ſagt, “daß der einregiſtrirende Engel in der Himmels- kanzelei eine Traͤne darauf fallen laſſe, um ſie wieder auszuloͤſchen„: aber nie nie hab’ ich An- daͤchtler, Leute, welche in ihren Blikken, Mienen, Gebehrden und Worten eine auſſerordentliche Froͤmmigkeit an den Tag zu legen ſuchten, ge- ſehn, von denen es ſich nicht bald gezeigt haͤtte, daß ſie Heuchler waren, die ihre ganze Recht- ſchaffenheit in die beſtaͤndige Einmiſchung from- klingender Worte, in die oͤftere Anfuͤhrung bibli- ſcher Stellen, und in die puͤnktlichſte Beobachtung gottesdienſtlicher Gebraͤuche ſezten, ohne dabei die algemeinſten Pflichten der Ehrlichkeit und Ge- rechtigkeit zu erfuͤllen. Das ſind gefaͤhrliche Men- ſchen, mein Sohn, vor denen man nicht genug auf ſeiner Hut ſein kan: denn was laͤßt ſich nicht alles von dem erwarten, der das, was den Menſchen das Heiligſte und Ehrwuͤrdigſte iſt, zum Dekmantel ſeiner Buͤbereien macht; der die Bibel,

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/237>, abgerufen am 27.11.2024.