seist ein würdiger, ein allerliebster d. i. ein amü- santer Man!" von Haus zu Hause fliegen, und in jeder folgenden Geselschaft bedarf es nur noch der Hälfte des Aufwandes an Wiz und Laune, um dem guten Vorurtheile, welches man einmahl für dich gefaßt hat, das Siegel aufzu- drükken.
Gib aber, so oft du andere reizest, stat deiner zu urtheilen, einem jeden, soviel du kanst, Gelegenheit von dem zu reden, worin er -- sei's wirklich, oder auch nur seiner Einbildung nach -- ganz vorzüglich zu Hause ist, gesezt auch, daß du selbst ein völliger Fremdling darin wärest. Die Gründe dieses Raths? liegen am Tage. Denn erstlich wirst du vielleicht den Nuzen davon ha- ben, daß du von deinem Manne, indem er über Dinge spricht, die innerhalb seiner Sphäre liegen, wirklich etwas lernen könnest; und zweitens wirst du zuverlässig ihn dir dadurch verbindlich machen. Denn in eben dem Maaße, in welchem du seiner Eitelkeit Gelegenheit gibst, Verstand und Kentnisse auszulegen, wird er von deinem
eigenen
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ſeiſt ein wuͤrdiger, ein allerliebſter d. i. ein amuͤ- ſanter Man!„ von Haus zu Hauſe fliegen, und in jeder folgenden Geſelſchaft bedarf es nur noch der Haͤlfte des Aufwandes an Wiz und Laune, um dem guten Vorurtheile, welches man einmahl fuͤr dich gefaßt hat, das Siegel aufzu- druͤkken.
Gib aber, ſo oft du andere reizeſt, ſtat deiner zu urtheilen, einem jeden, ſoviel du kanſt, Gelegenheit von dem zu reden, worin er — ſei’s wirklich, oder auch nur ſeiner Einbildung nach — ganz vorzuͤglich zu Hauſe iſt, geſezt auch, daß du ſelbſt ein voͤlliger Fremdling darin waͤreſt. Die Gruͤnde dieſes Raths? liegen am Tage. Denn erſtlich wirſt du vielleicht den Nuzen davon ha- ben, daß du von deinem Manne, indem er uͤber Dinge ſpricht, die innerhalb ſeiner Sphaͤre liegen, wirklich etwas lernen koͤnneſt; und zweitens wirſt du zuverlaͤſſig ihn dir dadurch verbindlich machen. Denn in eben dem Maaße, in welchem du ſeiner Eitelkeit Gelegenheit gibſt, Verſtand und Kentniſſe auszulegen, wird er von deinem
eigenen
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ſeiſt ein wuͤrdiger, ein allerliebſter d. i. ein amuͤ-
ſanter Man!„ von Haus zu Hauſe fliegen,
und in jeder folgenden Geſelſchaft bedarf es nur
noch der Haͤlfte des Aufwandes an Wiz und
Laune, um dem guten Vorurtheile, welches man
einmahl fuͤr dich gefaßt hat, das Siegel aufzu-
druͤkken.
Gib aber, ſo oft du andere reizeſt, ſtat
deiner zu urtheilen, einem jeden, ſoviel du
kanſt, Gelegenheit von dem zu reden, worin
er — ſei’s wirklich, oder auch nur ſeiner
Einbildung nach — ganz vorzuͤglich zu
Hauſe iſt, geſezt auch, daß du ſelbſt ein
voͤlliger Fremdling darin waͤreſt. Die
Gruͤnde dieſes Raths? liegen am Tage. Denn
erſtlich wirſt du vielleicht den Nuzen davon ha-
ben, daß du von deinem Manne, indem er uͤber
Dinge ſpricht, die innerhalb ſeiner Sphaͤre liegen,
wirklich etwas lernen koͤnneſt; und zweitens
wirſt du zuverlaͤſſig ihn dir dadurch verbindlich
machen. Denn in eben dem Maaße, in welchem
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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/199>, abgerufen am 26.06.2024.
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