erkennen gibt, daß er seinen Stand und den da- mit verbundenen Grad von Ehre wisse, und daß er wider beide nichts erhebliches einzuwen- den habe. Ich kan dir diese Art von unschäd- licher und also auch erlaubter Unwahrheit nicht besser, als mit den Worten eines mir unbekanten Weltkenners beschreiben, die ich gestern in einem fliegenden Blatte las:
"Was die äussere Achtung, dasjenige, was man Etikette, Welt, Höflichkeit nent, betrift, so kan man die auch denen bezeigen, die man nicht achtet, ohne desfals einer Falschheit oder Verstellung bezüchtiget werden zu können. In dem Wörterbuche des gemeinen Lebens gibt es eine Menge Ausdrükke, die ganz und gar die Bedeutung nicht mehr haben, die ihnen von den Erfindern der Sprache beigelegt worden. Es sind gleichsam heruntergesezte Münzen, deren Devalvazion jeder weiß, und womit also niemand betrogen wird. Derjenige, der dergleichen Aeus- serungen thut, derjenige, dem sie geschehen, und alle, die sie hören, sind gleich gewiß überzeugt, daß sie falsch sind. Sie geschehen auch gar nicht
in
erkennen gibt, daß er ſeinen Stand und den da- mit verbundenen Grad von Ehre wiſſe, und daß er wider beide nichts erhebliches einzuwen- den habe. Ich kan dir dieſe Art von unſchaͤd- licher und alſo auch erlaubter Unwahrheit nicht beſſer, als mit den Worten eines mir unbekanten Weltkenners beſchreiben, die ich geſtern in einem fliegenden Blatte las:
“Was die aͤuſſere Achtung, dasjenige, was man Etikette, Welt, Hoͤflichkeit nent, betrift, ſo kan man die auch denen bezeigen, die man nicht achtet, ohne desfals einer Falſchheit oder Verſtellung bezuͤchtiget werden zu koͤnnen. In dem Woͤrterbuche des gemeinen Lebens gibt es eine Menge Ausdruͤkke, die ganz und gar die Bedeutung nicht mehr haben, die ihnen von den Erfindern der Sprache beigelegt worden. Es ſind gleichſam heruntergeſezte Muͤnzen, deren Devalvazion jeder weiß, und womit alſo niemand betrogen wird. Derjenige, der dergleichen Aeuſ- ſerungen thut, derjenige, dem ſie geſchehen, und alle, die ſie hoͤren, ſind gleich gewiß uͤberzeugt, daß ſie falſch ſind. Sie geſchehen auch gar nicht
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erkennen gibt, daß er ſeinen Stand und den da-
mit verbundenen Grad von Ehre wiſſe, und
daß er wider beide nichts erhebliches einzuwen-
den habe. Ich kan dir dieſe Art von unſchaͤd-
licher und alſo auch erlaubter Unwahrheit nicht
beſſer, als mit den Worten eines mir unbekanten
Weltkenners beſchreiben, die ich geſtern in einem
fliegenden Blatte las:
“Was die aͤuſſere Achtung, dasjenige, was
man Etikette, Welt, Hoͤflichkeit nent, betrift,
ſo kan man die auch denen bezeigen, die man
nicht achtet, ohne desfals einer Falſchheit oder
Verſtellung bezuͤchtiget werden zu koͤnnen. In
dem Woͤrterbuche des gemeinen Lebens gibt es
eine Menge Ausdruͤkke, die ganz und gar die
Bedeutung nicht mehr haben, die ihnen von den
Erfindern der Sprache beigelegt worden. Es
ſind gleichſam heruntergeſezte Muͤnzen, deren
Devalvazion jeder weiß, und womit alſo niemand
betrogen wird. Derjenige, der dergleichen Aeuſ-
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alle, die ſie hoͤren, ſind gleich gewiß uͤberzeugt,
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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/150>, abgerufen am 24.11.2024.
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