welche den Auf- oder Untergang der Sonne, den holdseeligen Mond, den sternbesäten Himmel, das herlichste Gemisch einer schönen und großen Gegend mit eben dem flüchtigen Kaltsin betrachten können, mit welchem der gesezte Man einem elenden Schattenspiele zuzusehen pflegt: so gibt es auch andere, welche, ganz in sich selbst zurük- gezogen, weder das Vergnügen der Mittheilung eigener Empfindungen, noch das Wonnegefühl der Theilnehmung an den Freuden und Leiden anderer Menschen zu empfinden fähig sind; Un- glükliche, welche mit niemandem simpathisiren können, welche in Geselschaft fröhlicher Menschen mismüthig und mürrisch, beim Anblik leidender Brüder hingegen kalt und ohne mitleidige Rüh- rung bleiben; und welche daher für die gute Geselschaft, welche mit ihrer Gegenwart heimge- sucht wird, eben das sind, was im Konzert ein verstimtes Instrument für unsere Ohren ist. Und wie kam ihnen diese unseelige Fertigkeit, ihr Herz zu isoliren, es gegen alles Vergnügen der Mittheilung und der Theilnehmung abzuhärten? Woher sonst, als durch eine unglükliche Vernach-
läßigung
welche den Auf- oder Untergang der Sonne, den holdſeeligen Mond, den ſternbeſaͤten Himmel, das herlichſte Gemiſch einer ſchoͤnen und großen Gegend mit eben dem fluͤchtigen Kaltſin betrachten koͤnnen, mit welchem der geſezte Man einem elenden Schattenſpiele zuzuſehen pflegt: ſo gibt es auch andere, welche, ganz in ſich ſelbſt zuruͤk- gezogen, weder das Vergnuͤgen der Mittheilung eigener Empfindungen, noch das Wonnegefuͤhl der Theilnehmung an den Freuden und Leiden anderer Menſchen zu empfinden faͤhig ſind; Un- gluͤkliche, welche mit niemandem ſimpathiſiren koͤnnen, welche in Geſelſchaft froͤhlicher Menſchen mismuͤthig und muͤrriſch, beim Anblik leidender Bruͤder hingegen kalt und ohne mitleidige Ruͤh- rung bleiben; und welche daher fuͤr die gute Geſelſchaft, welche mit ihrer Gegenwart heimge- ſucht wird, eben das ſind, was im Konzert ein verſtimtes Inſtrument fuͤr unſere Ohren iſt. Und wie kam ihnen dieſe unſeelige Fertigkeit, ihr Herz zu iſoliren, es gegen alles Vergnuͤgen der Mittheilung und der Theilnehmung abzuhaͤrten? Woher ſonſt, als durch eine ungluͤkliche Vernach-
laͤßigung
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welche den Auf- oder Untergang der Sonne, den
holdſeeligen Mond, den ſternbeſaͤten Himmel,
das herlichſte Gemiſch einer ſchoͤnen und großen
Gegend mit eben dem fluͤchtigen Kaltſin betrachten
koͤnnen, mit welchem der geſezte Man einem
elenden Schattenſpiele zuzuſehen pflegt: ſo gibt
es auch andere, welche, ganz in ſich ſelbſt zuruͤk-
gezogen, weder das Vergnuͤgen der Mittheilung
eigener Empfindungen, noch das Wonnegefuͤhl
der Theilnehmung an den Freuden und Leiden
anderer Menſchen zu empfinden faͤhig ſind; Un-
gluͤkliche, welche mit niemandem ſimpathiſiren
koͤnnen, welche in Geſelſchaft froͤhlicher Menſchen
mismuͤthig und muͤrriſch, beim Anblik leidender
Bruͤder hingegen kalt und ohne mitleidige Ruͤh-
rung bleiben; und welche daher fuͤr die gute
Geſelſchaft, welche mit ihrer Gegenwart heimge-
ſucht wird, eben das ſind, was im Konzert ein
verſtimtes Inſtrument fuͤr unſere Ohren iſt.
Und wie kam ihnen dieſe unſeelige Fertigkeit, ihr
Herz zu iſoliren, es gegen alles Vergnuͤgen der
Mittheilung und der Theilnehmung abzuhaͤrten?
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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/106>, abgerufen am 23.11.2024.
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