und wäre er auch der armseeligste Betler, zu meinem Geselschafter hätte, dem ich sagen könte, daß ich ihn lieb hätte, und der mir wieder sagte, daß er mich auch lieb hätte! Ware ich nur so glüklich, irgend ein zahmes Thier -- einen Hund oder eine Kaze -- zu besizen, dem ich Gutes erzeigen könte, um mir seine Liebe zu erwerben! Aber so ganz allein, von allen lebendigen Wesen so ganz abgesondert zu sein! -- Hier rolte eine weh- müthige Träne über seine Wangen.
Jezt erinnerte er sich der Zeit, da er mit seinen Brüdern und andern Gespielen oft in Unfriede und Zänkereien gelebt hatte; und er erinnerte sich derselben mit der bittersten Reue. Ach! dachte er, wie wenig wuste ich doch da- mahls zu schäzen, wie viel ein Freund wohl werth sei und wie unentbehrlich uns die Liebe andrer Menschen sei, wenn wir glüklich leben wollen! O wenn ich doch jezt in meine Jugend zurük- gesezt würde, wie freundlich, wie gefällig, wie nachgebend wolt' ich mich gegen meine Brüder und gegen andere Kinder betragen!
Wie
und waͤre er auch der armſeeligſte Betler, zu meinem Geſelſchafter haͤtte, dem ich ſagen koͤnte, daß ich ihn lieb haͤtte, und der mir wieder ſagte, daß er mich auch lieb haͤtte! Ware ich nur ſo gluͤklich, irgend ein zahmes Thier — einen Hund oder eine Kaze — zu beſizen, dem ich Gutes erzeigen koͤnte, um mir ſeine Liebe zu erwerben! Aber ſo ganz allein, von allen lebendigen Weſen ſo ganz abgeſondert zu ſein! — Hier rolte eine weh- muͤthige Traͤne uͤber ſeine Wangen.
Jezt erinnerte er ſich der Zeit, da er mit ſeinen Bruͤdern und andern Geſpielen oft in Unfriede und Zaͤnkereien gelebt hatte; und er erinnerte ſich derſelben mit der bitterſten Reue. Ach! dachte er, wie wenig wuſte ich doch da- mahls zu ſchaͤzen, wie viel ein Freund wohl werth ſei und wie unentbehrlich uns die Liebe andrer Menſchen ſei, wenn wir gluͤklich leben wollen! O wenn ich doch jezt in meine Jugend zuruͤk- geſezt wuͤrde, wie freundlich, wie gefaͤllig, wie nachgebend wolt' ich mich gegen meine Bruͤder und gegen andere Kinder betragen!
Wie
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und waͤre er auch der armſeeligſte Betler, zu
meinem Geſelſchafter haͤtte, dem ich ſagen
koͤnte, daß ich ihn lieb haͤtte, und der mir
wieder ſagte, daß er mich auch lieb haͤtte!
Ware ich nur ſo gluͤklich, irgend ein zahmes
Thier — einen Hund oder eine Kaze — zu
beſizen, dem ich Gutes erzeigen koͤnte, um
mir ſeine Liebe zu erwerben! Aber ſo ganz
allein, von allen lebendigen Weſen ſo ganz
abgeſondert zu ſein! — Hier rolte eine weh-
muͤthige Traͤne uͤber ſeine Wangen.
Jezt erinnerte er ſich der Zeit, da er mit
ſeinen Bruͤdern und andern Geſpielen oft in
Unfriede und Zaͤnkereien gelebt hatte; und er
erinnerte ſich derſelben mit der bitterſten Reue.
Ach! dachte er, wie wenig wuſte ich doch da-
mahls zu ſchaͤzen, wie viel ein Freund wohl werth
ſei und wie unentbehrlich uns die Liebe andrer
Menſchen ſei, wenn wir gluͤklich leben wollen!
O wenn ich doch jezt in meine Jugend zuruͤk-
geſezt wuͤrde, wie freundlich, wie gefaͤllig,
wie nachgebend wolt' ich mich gegen meine
Bruͤder und gegen andere Kinder betragen!
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Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 1. Hamburg, 1779, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson01_1779/194>, abgerufen am 23.11.2024.
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