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Butschky, Samuel von: Die Hochdeutsche Kantzeley. Breslau u. a., [1652].

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Des Menschen Elende in dieser Welt.
die Welt kommen/ also zum Alter aufwach-
send in solcher Art und Weise mit ihm ver-
größert werden/ zubeklagen geschikt.

Kaum hat Er seine Muttermilch verlas-
sen/ da Er anfähet zuwandeln und zu gehen/
oder vielmehr zufallen: Denn seine waklich-
te und strauchlende Schritte dreuen ihm/
durch eine fortwürige Erfahrung/ stündlich
seinen Fall an. Weis Er nun zugehen/ und
seiner Füße sich zugebrauchen/ so ist ihme un-
wissende/ wohin; oder/ da Er gehet/ geschie-
het es in Begleitung zur andern Zeit seiner
Kindheit; wil man Jhme nun eine rechte
Form und Wissenschaft eingüßen; so wer-
den mit dessen Eindrükkung/ so viel Zeiten
und Mühe/ von denen/ so es tuhn oblieget/
angewendet/ daß es fast ungleublich. Hat
Er nun etwas von den weltlichen Künsten
und Wissenschaften erlernet/ und wo diese
wissenschaft wahrhaftig/ so wird sie ihn leh-
ren; und wann Er zugleich weis/ so weis
Er sie doch nicht/ und alles/ was Sie nicht
verstehet/ und ihr unbewust/ kan nimmer-
mehr/ wann Er gleich so viel Leben/ als
Menschen auf der Welt/ hette/ gelernet
werden. Und dis ist noch nicht alles; Kaum
hat Er sich von der Gefahr seiner Kindheit
losgewirket/ so fället Er in eine andere sei-
ner Jugend. Und dieses ist sowohl zubewei-
sen/ daß in diesem Alter voller Feuer/ es sich
gäntzlich verzehret: gesätzt/ daß es vermie-

den

Des Menſchen Elende in dieſer Welt.
die Welt kommen/ alſo zum Alter aufwach-
ſend in ſolcher Art und Weiſe mit ihm ver-
groͤßert werden/ zubeklagen geſchikt.

Kaum hat Er ſeine Muttermilch verlaſ-
ſen/ da Er anfaͤhet zuwandeln und zu gehen/
oder vielmehr zufallen: Denn ſeine waklich-
te und ſtrauchlende Schritte dreuen ihm/
durch eine fortwuͤrige Erfahrung/ ſtuͤndlich
ſeinen Fall an. Weis Er nun zugehen/ und
ſeiner Fuͤße ſich zugebrauchen/ ſo iſt ihme un-
wiſſende/ wohin; oder/ da Er gehet/ geſchie-
het es in Begleitung zur andern Zeit ſeiner
Kindheit; wil man Jhme nun eine rechte
Form und Wiſſenſchaft einguͤßen; ſo wer-
den mit deſſen Eindruͤkkung/ ſo viel Zeiten
und Muͤhe/ von dénen/ ſo es tuhn oblieget/
angewendet/ daß es faſt ungleublich. Hat
Er nun etwas von den weltlichen Kuͤnſten
und Wiſſenſchaften erlernet/ und wo dieſe
wiſſenſchaft wahrhaftig/ ſo wird ſie ihn leh-
ren; und wann Er zugleich weis/ ſo weis
Er ſie doch nicht/ und alles/ was Sie nicht
verſtehet/ und ihr unbewuſt/ kan nimmer-
mehr/ wann Er gleich ſo viel Lében/ als
Menſchen auf der Welt/ hette/ gelernet
werden. Und dis iſt noch nicht alles; Kaum
hat Er ſich von der Gefahr ſeiner Kindheit
losgewirket/ ſo faͤllet Er in eine andere ſei-
ner Jugend. Und dieſes iſt ſowohl zubewei-
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[93/0095] Des Menſchen Elende in dieſer Welt. die Welt kommen/ alſo zum Alter aufwach- ſend in ſolcher Art und Weiſe mit ihm ver- groͤßert werden/ zubeklagen geſchikt. Kaum hat Er ſeine Muttermilch verlaſ- ſen/ da Er anfaͤhet zuwandeln und zu gehen/ oder vielmehr zufallen: Denn ſeine waklich- te und ſtrauchlende Schritte dreuen ihm/ durch eine fortwuͤrige Erfahrung/ ſtuͤndlich ſeinen Fall an. Weis Er nun zugehen/ und ſeiner Fuͤße ſich zugebrauchen/ ſo iſt ihme un- wiſſende/ wohin; oder/ da Er gehet/ geſchie- het es in Begleitung zur andern Zeit ſeiner Kindheit; wil man Jhme nun eine rechte Form und Wiſſenſchaft einguͤßen; ſo wer- den mit deſſen Eindruͤkkung/ ſo viel Zeiten und Muͤhe/ von dénen/ ſo es tuhn oblieget/ angewendet/ daß es faſt ungleublich. Hat Er nun etwas von den weltlichen Kuͤnſten und Wiſſenſchaften erlernet/ und wo dieſe wiſſenſchaft wahrhaftig/ ſo wird ſie ihn leh- ren; und wann Er zugleich weis/ ſo weis Er ſie doch nicht/ und alles/ was Sie nicht verſtehet/ und ihr unbewuſt/ kan nimmer- mehr/ wann Er gleich ſo viel Lében/ als Menſchen auf der Welt/ hette/ gelernet werden. Und dis iſt noch nicht alles; Kaum hat Er ſich von der Gefahr ſeiner Kindheit losgewirket/ ſo faͤllet Er in eine andere ſei- ner Jugend. Und dieſes iſt ſowohl zubewei- ſen/ daß in dieſem Alter voller Feuer/ es ſich gaͤntzlich verzehret: geſaͤtzt/ daß es vermie- den

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Zitationshilfe: Butschky, Samuel von: Die Hochdeutsche Kantzeley. Breslau u. a., [1652], S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/butschky_kantzeley_1649/95>, abgerufen am 22.11.2024.