Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873.

Bild:
<< vorherige Seite

ganz unberechenbar gewesen sein. -- Die Gleichzeitigkeit des
Handelns ist es nicht, welche, wenn A und B beliebig regel-
widrig auf einem Billard Bälle stoßen und nun die Bälle,
zusammentreffend, Schaden anrichten, die Haftbarkeit hierfür
für Jeden nach sich zieht, sondern der Umstand, daß Beide
auf dieses Ereigniß gefaßt sein mußten. -- Es sieht sich
v. B. nur darum zu der Behauptung genöthigt, daß die
gleichzeitige, nicht zu erwarten gewesene, Mitwirksamkeit, die
Haftbarkeit der anderen Mitwirksamkeit für Vollendung nicht
beseitige, weil ihm, wie erwähnt, Ursache und Verantwortlich-
keit für die Ursache das Nämliche bedeutet, und somit andern-
falls eine Ursache überhaupt nicht vorliegen würde. -- Richtig
hingegen ist zwar die Ansicht v. B., es könne nichts darauf
ankommen, ob die frühere Mitwirksamkeit auch ohne den Hin-
zutritt der nachfolgenden Wirksamkeit den Erfolg herbeigeführt
haben würde, und es entfalle darum die Verantwortlichkeit
der früheren Mitwirksamkeit, wenn durch die zweite Wunde
der tödtliche Ausgang der ersten auch nur beschleunigt worden
sei -- aber inconsequent, weil hier in Betreff der Herbei-
führung des Todes eine Gleichzeitigkeit der früheren und
späteren Mitwirksamkeit vorliegt. Uebrigens ist doch darauf
zu achten, daß die zweite Wirksamkeit, wenn durch sie die Haft-
barkeit der anderen beseitigt werden soll, eine meßbare sein
muß. Läßt ein Zweiter in die aus dem zerstörten Damme
hervorbrechenden Fluthen den Jnhalt eines Wassertrogs aus-
laufen, so kann, wenn schon die Wassermasse hierdurch ver-
größert wird, doch von einer Mitwirksamkeit keine Rede sein.
Unrichtig dürfte auch nach dieser Richtung die Ansicht
Schütze's Lehrbuch S. 381 N. 9 sein, daß die Verantwort-
lichkeit für volle Causalität davon abhänge, ob in der eigenen
Wirksamkeit die überwiegende Ursache des Erfolgs gelegen
sei. Denn, wenn man auch davon absehen könnte, daß die

ganz unberechenbar geweſen ſein. — Die Gleichzeitigkeit des
Handelns iſt es nicht, welche, wenn A und B beliebig regel-
widrig auf einem Billard Bälle ſtoßen und nun die Bälle,
zuſammentreffend, Schaden anrichten, die Haftbarkeit hierfür
für Jeden nach ſich zieht, ſondern der Umſtand, daß Beide
auf dieſes Ereigniß gefaßt ſein mußten. — Es ſieht ſich
v. B. nur darum zu der Behauptung genöthigt, daß die
gleichzeitige, nicht zu erwarten geweſene, Mitwirkſamkeit, die
Haftbarkeit der anderen Mitwirkſamkeit für Vollendung nicht
beſeitige, weil ihm, wie erwähnt, Urſache und Verantwortlich-
keit für die Urſache das Nämliche bedeutet, und ſomit andern-
falls eine Urſache überhaupt nicht vorliegen würde. — Richtig
hingegen iſt zwar die Anſicht v. B., es könne nichts darauf
ankommen, ob die frühere Mitwirkſamkeit auch ohne den Hin-
zutritt der nachfolgenden Wirkſamkeit den Erfolg herbeigeführt
haben würde, und es entfalle darum die Verantwortlichkeit
der früheren Mitwirkſamkeit, wenn durch die zweite Wunde
der tödtliche Ausgang der erſten auch nur beſchleunigt worden
ſei — aber inconſequent, weil hier in Betreff der Herbei-
führung des Todes eine Gleichzeitigkeit der früheren und
ſpäteren Mitwirkſamkeit vorliegt. Uebrigens iſt doch darauf
zu achten, daß die zweite Wirkſamkeit, wenn durch ſie die Haft-
barkeit der anderen beſeitigt werden ſoll, eine meßbare ſein
muß. Läßt ein Zweiter in die aus dem zerſtörten Damme
hervorbrechenden Fluthen den Jnhalt eines Waſſertrogs aus-
laufen, ſo kann, wenn ſchon die Waſſermaſſe hierdurch ver-
größert wird, doch von einer Mitwirkſamkeit keine Rede ſein.
Unrichtig dürfte auch nach dieſer Richtung die Anſicht
Schütze’s Lehrbuch S. 381 N. 9 ſein, daß die Verantwort-
lichkeit für volle Cauſalität davon abhänge, ob in der eigenen
Wirkſamkeit die überwiegende Urſache des Erfolgs gelegen
ſei. Denn, wenn man auch davon abſehen könnte, daß die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0073" n="69"/>
ganz unberechenbar gewe&#x017F;en &#x017F;ein. &#x2014; Die Gleichzeitigkeit des<lb/>
Handelns i&#x017F;t es nicht, welche, wenn <hi rendition="#aq">A</hi> und <hi rendition="#aq">B</hi> beliebig regel-<lb/>
widrig auf einem Billard Bälle &#x017F;toßen und nun die Bälle,<lb/>
zu&#x017F;ammentreffend, Schaden anrichten, die Haftbarkeit hierfür<lb/>
für Jeden nach &#x017F;ich zieht, &#x017F;ondern der Um&#x017F;tand, daß Beide<lb/>
auf die&#x017F;es Ereigniß gefaßt &#x017F;ein mußten. &#x2014; Es &#x017F;ieht &#x017F;ich<lb/>
v. B. nur darum zu der Behauptung genöthigt, daß die<lb/>
gleichzeitige, nicht zu erwarten gewe&#x017F;ene, Mitwirk&#x017F;amkeit, die<lb/>
Haftbarkeit der anderen Mitwirk&#x017F;amkeit für Vollendung <hi rendition="#g">nicht</hi><lb/>
be&#x017F;eitige, weil ihm, wie erwähnt, Ur&#x017F;ache und Verantwortlich-<lb/>
keit für die Ur&#x017F;ache das Nämliche bedeutet, und &#x017F;omit andern-<lb/>
falls eine Ur&#x017F;ache überhaupt nicht vorliegen würde. &#x2014; Richtig<lb/>
hingegen i&#x017F;t zwar die An&#x017F;icht v. B., es könne nichts darauf<lb/>
ankommen, ob die frühere Mitwirk&#x017F;amkeit auch ohne den Hin-<lb/>
zutritt der nachfolgenden Wirk&#x017F;amkeit den Erfolg herbeigeführt<lb/>
haben <hi rendition="#g">würde,</hi> und es entfalle darum die Verantwortlichkeit<lb/>
der früheren Mitwirk&#x017F;amkeit, wenn durch die zweite Wunde<lb/>
der tödtliche Ausgang der er&#x017F;ten auch nur be&#x017F;chleunigt worden<lb/>
&#x017F;ei &#x2014; aber incon&#x017F;equent, weil hier in Betreff der Herbei-<lb/>
führung des Todes eine Gleichzeitigkeit der früheren und<lb/>
&#x017F;päteren Mitwirk&#x017F;amkeit vorliegt. Uebrigens i&#x017F;t doch darauf<lb/>
zu achten, daß die zweite Wirk&#x017F;amkeit, wenn durch &#x017F;ie die Haft-<lb/>
barkeit der anderen be&#x017F;eitigt werden &#x017F;oll, eine meßbare &#x017F;ein<lb/>
muß. Läßt ein Zweiter in die aus dem zer&#x017F;törten Damme<lb/>
hervorbrechenden Fluthen den Jnhalt eines Wa&#x017F;&#x017F;ertrogs aus-<lb/>
laufen, &#x017F;o kann, wenn &#x017F;chon die Wa&#x017F;&#x017F;erma&#x017F;&#x017F;e hierdurch ver-<lb/>
größert wird, doch von einer Mitwirk&#x017F;amkeit keine Rede &#x017F;ein.<lb/>
Unrichtig dürfte auch nach die&#x017F;er Richtung die An&#x017F;icht<lb/>
Schütze&#x2019;s Lehrbuch S. 381 N. 9 &#x017F;ein, daß die Verantwort-<lb/>
lichkeit für volle Cau&#x017F;alität davon abhänge, ob in der eigenen<lb/>
Wirk&#x017F;amkeit die <hi rendition="#g">überwiegende</hi> Ur&#x017F;ache des Erfolgs gelegen<lb/>
&#x017F;ei. Denn, wenn man auch davon ab&#x017F;ehen könnte, daß die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0073] ganz unberechenbar geweſen ſein. — Die Gleichzeitigkeit des Handelns iſt es nicht, welche, wenn A und B beliebig regel- widrig auf einem Billard Bälle ſtoßen und nun die Bälle, zuſammentreffend, Schaden anrichten, die Haftbarkeit hierfür für Jeden nach ſich zieht, ſondern der Umſtand, daß Beide auf dieſes Ereigniß gefaßt ſein mußten. — Es ſieht ſich v. B. nur darum zu der Behauptung genöthigt, daß die gleichzeitige, nicht zu erwarten geweſene, Mitwirkſamkeit, die Haftbarkeit der anderen Mitwirkſamkeit für Vollendung nicht beſeitige, weil ihm, wie erwähnt, Urſache und Verantwortlich- keit für die Urſache das Nämliche bedeutet, und ſomit andern- falls eine Urſache überhaupt nicht vorliegen würde. — Richtig hingegen iſt zwar die Anſicht v. B., es könne nichts darauf ankommen, ob die frühere Mitwirkſamkeit auch ohne den Hin- zutritt der nachfolgenden Wirkſamkeit den Erfolg herbeigeführt haben würde, und es entfalle darum die Verantwortlichkeit der früheren Mitwirkſamkeit, wenn durch die zweite Wunde der tödtliche Ausgang der erſten auch nur beſchleunigt worden ſei — aber inconſequent, weil hier in Betreff der Herbei- führung des Todes eine Gleichzeitigkeit der früheren und ſpäteren Mitwirkſamkeit vorliegt. Uebrigens iſt doch darauf zu achten, daß die zweite Wirkſamkeit, wenn durch ſie die Haft- barkeit der anderen beſeitigt werden ſoll, eine meßbare ſein muß. Läßt ein Zweiter in die aus dem zerſtörten Damme hervorbrechenden Fluthen den Jnhalt eines Waſſertrogs aus- laufen, ſo kann, wenn ſchon die Waſſermaſſe hierdurch ver- größert wird, doch von einer Mitwirkſamkeit keine Rede ſein. Unrichtig dürfte auch nach dieſer Richtung die Anſicht Schütze’s Lehrbuch S. 381 N. 9 ſein, daß die Verantwort- lichkeit für volle Cauſalität davon abhänge, ob in der eigenen Wirkſamkeit die überwiegende Urſache des Erfolgs gelegen ſei. Denn, wenn man auch davon abſehen könnte, daß die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buri_causalitaet_1873
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buri_causalitaet_1873/73
Zitationshilfe: Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buri_causalitaet_1873/73>, abgerufen am 22.11.2024.